Brillen-Prestige?

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Warum haben Brillen nach wie vor bei vielen Menschen ein schlechtes Image?

Mir fällt immer wieder auf, dass viele Leute entweder total für oder gegen Brillen sind - dass sie einfach als normale, ganz selbstverständlich genutzter Gegenstand gelten, scheint eher selten zu sein.

Viele Jugendliche, die hier Fragen zu dem Thema stellen, wie "Ich bekomme eine Brille - wie soll ich damit in der Schule umgehen?" machen sich Gedanken darüber, wie Freunde und Mitschüler reagieren werden, dabei interessiert sich in Wirklichkeit keiner wirklich mehr für eine neue Brille, als für eine neue Frisur, Haarfarbe, Jacke oder sonstiges, was bereits am nächsten Tag keine Aufmerksamkeit mehr erregt.

Auch dieses oft diskutierte "Soll ich meine Brille immer tragen oder nur wenn ich sie unbedingt brauche?" ist aus meiner Sicht eine total unnötige Überlegung, zu der ich der Meinung bin, jeder sollte es einfach so handhaben, wie es ihm richtig erscheint und für ihn gut ist. Wieder der Vergleich mit einer Jacke: wenn ich meine, es ist zu kalt, ziehe ich eine Jacke an - denke ich, die Temperaturen reichen aus, um ohne zu gehen, dann ziehe ich eben keine Jacke an - ganz ohne zu überlegen, was andere darüber denken. Aus Bekleidung macht keiner eine Wissenschaft, aber wenn es um eine Brille geht, kommen zig Fragen auf, um bloß keinen Fehler zu begehen. Woher dieses unnatürliche Verhalten kommt, wüsste ich auch gerne mal 🤔.

Warum werden sie nicht genauso als Kleidungsstück anerkannt, wie z.B. ein schönes Kostum?

Das ist ja bei manchen der Fall, nur messen die ihrer Brille oft übermäßig viel Bedeutung bei und tragen die nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie eine Armbanduhr oder Ohrringe, sondern mit übertriebenem Stolz, finde ich.

Könnte ein Grund darin liegen, dass man im Gegensatz zum Kleid, Anzug oder Schuhen zumindest früher immer einen Arzt und eine Krankenkasse benötigte?

Ich denke, dass die weitverbreitete Ansicht, eine Brille sei was ganz besonderes, viel mit anerzogener seltsamer und auf falschen Informationen beruhender Einstellung dazu zu tun hat.

Bestimmt spielt da noch vieles aus älteren Generationen mit, die einfache Fehlsichtigkeiten tatsächlich mit Krankheiten gleichgesetzt und deswegen dramatisiert haben.

Leider halten sich ja auch diverse Ammenmärchen hartnäckig, laut denen ständiges Tragen oder nichttragen einer Brille die Augen entweder "verbessert" oder "verschlechtert" (ich finde die Bezeichnungen unpassend, weil fehlsichtige Augen nicht schlechter sind als andere, sondern nur anatomisch vom Ideal abweichen) und tragen dazu bei, aus dem Thema Brille weiterhin eine große Sache zu machen.

whatatragedy  16.08.2023, 23:29

Danke für den Stern 🙂👍

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Einige zutreffende Dinge sind bereits gesagt worden. Ich denke auch, daß es sich um eine historische Entwicklung handelt und sich das Image der Brille im Laufe der Jahrzehnte verändert hat.Früher war bei vielen die Brille ein Makel. Sie galt als Zeichen von Schwäche und kränklicher Gesundheit und war eine Schönheitsbremse.

Auch galten bei vielen ihre Träger als Streber, Schwächlinge oder Tollpatsche. Es war früher nicht ungewöhnlich wenn man als Brillenschlange,Vierauge oder Blindschleiche/Maulwurf betitelt wurde. Zudem war das Angebot an Brillenfassungen eingeschränkt und sie waren oft nicht gerade stylisch.

Im Laufe der Zeit änderte sich das alles in kleinen Schritten, wobei es natürlich immer welche gab, die an den alten Auffassungen festhielten. Da diese Vorurteile bzw. negativen Attribute immer noch teilweise verbreitet sind ist es nachvollziehbar, dass Leute verunsichert sind oder Panik haben, wenn sie eine Brille bekommen.

In meinem Umfeld gab es diese Probleme nicht und die mir bekannten Brillenträger wirkten auch nicht unglücklich wegen ihrer Brille. Als ich dann meine Brille bekam fand ich es ganz normal sie auch zu tragen und dazu zu stehen, dass ich sie brauchte

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Warum haben Brillen nach wie vor bei vielen Menschen ein schlechtes Image?

Ich denke, das Internet, Klassenkameraden, eigene Unwissenheit und wenig Selbstbewusstsein tragen dazu bei, dass Kinder und Jugendliche eine Brille scheuen. Sie fragen hier, ob eine Brille ihrem Aussehen schadet. Sie wissen nicht, dass eine Brille beim guten sehen hilft; glauben durch Falschaussagen, dass eine Brille ihre Augen sogar schlechter macht.

Könnte ein Grund darin liegen, dass man im Gegensatz zum Kleid, Anzug oder Schuhen zumindest früher immer einen Arzt und eine Krankenkasse benötigte?

Das kann ein Grund sein, denn für viele Kinder und Jugendliche, die hier ihre Frage zur Brille stellen, gilt eine Brille immer noch als "ich bin krank, ich will keine Brille".

Könnte ein Grund darin liegen, dass man im Gegensatz zum Kleid, Anzug oder Schuhen zumindest früher immer einen Arzt und eine Krankenkasse benötigte?

Für mich ist das Tragen einer Brille nichts besonderes und erweckt keinerlei negative Assoziationen. Mein Vorteil dabei ist sicher, dass ich bereits sehr früh eine Brille bekam, also noch nicht in einem Alter gewesen bin, in dem man sich von Anmerkungen anderer beeindrucken ließe. Meine Eltern sind stets mit dem Kauf einer Brille nicht anders umgegangen, als es bei Kleidung der Fall war. Wenn eine neue Brille benötigt wurde, durfte ich mir eine aussuchen, dabei gab es kein Getue um gestiegene Glasstärken oder sonstige im Konnex mit einer Brille oft negativ bewertete Dinge.

Weil meine Sehstärke nicht stabil ist, also in gewissen Abständen neue Brillengläser nötig sind, habe ich nur eine einzige Brille (sowie eine, die ausschließlich als Ersatz für Notfälle dient und normalerweise nicht getragen wird), die ich aber schon als Teil meines Outfits sehe und dementsprechend großen Aufwand bei der Wahl der Fassung betreibe. Im Rahmen meiner Möglichkeiten, die aufgrund technischer Machbarkeit bei meiner außergewöhnlich starken Myopie zwar etwas eingeschränkt sind, lege ich Wert auf modisches Aussehen der Brillenfassung, die sowohl zu meinem Kleidungsstil als auch zu mir als Typ perfekt passen soll. In diesem Sinne sehe ich meine Brille durchaus als Accessoire, ähnlich meiner Armbanduhr, die neben ihrem Charakteristikum als Schmuckstück, ebenso den eigentlichen Zweck erfüllt.

Warum haben Brillen nach wie vor bei vielen Menschen ein schlechtes Image?

Haben sie das? Habe ich noch nie so empfunden.

Warum werden sie nicht genauso als Kleidungsstück anerkannt wie z.B. ein schönes Kostum?

Weil Brillen in allererste Linie eben nicht nur ein Kleidungsstück oder Accessoire sind, sondern letztlich eine Art Prothese.

Ich bin Brillenträger und brauche meine Brille unbedingt. Ohne Diskussion. Für mich ist die Brille quasi Körperteil, unverzichtbar. Ich dusche mit Brille, kletter mit Brille und mach auch quasi alles andere mit Brille.

Wenn ich dann höre "ist doch nur Schmuck oder Accessoire", dann kann ich nur sagen: Nein, ist es eben nicht, für ganz viele ist eine Brille mindestens so wichtig wie für Einbeinige ihre Beinprothese.

Wer normalsichtig ist und sich Sonnenbrillen für wenige Euro aussuchen kann und nur nach Mode geht, der hat halt Glück. Stark Fehlsichtige geben jedes Mal mehrere Hundert Euro aus für eine neue Sonnenbrille, und zwar nicht aus modischen Aspekten (die kommen ggf on top dazu), sondern für teure, korrigieren Gläser.

whatatragedy  09.08.2023, 19:16
Ich bin Brillenträger und brauche meine Brille unbedingt. Ohne Diskussion. 

Oh.

Wer normalsichtig ist und sich Sonnenbrillen für wenige Euro aussuchen kann und nur nach Mode geht, der hat halt Glück. 

Warum so frustriert? Andere Menschen haben viel größere Probleme, durch die ihnen auch hohe Kosten entstehen (chronische Erkrankungen, Behinderungen etc.)

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Kajjo  09.08.2023, 22:35
@whatatragedy

Ich bin nicht frustriert. Aber Brillen sind eben eine Form von Prothese und kein bloßes Accessoire.

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whatatragedy  09.08.2023, 23:19
@Kajjo

Naja, ich würde mir auch keine Brille als Accessoire kaufen, aber die Eigenschaften einer Prothese erfüllt eine Brille ja nun wirklich nicht.

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