Was gilt als "überhöhte Selbstwehr"?

2 Antworten

"Überhöhte Selbstwehr" =

§ 33 StGB Überschreitung der Notwehr
Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

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§ 32 StGB Notwehr
(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

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das Verlangen hat, mich zu verprügeln, habe ich nicht das Recht, ihn als Erstes zu schlagen, falls ich nicht fliehen kann.

Korrekt. Ein Verlangen für etwas zu haben ist kein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff.

dann wäre das logischste, einfach als erstes zuzuschlagen

Und damit eine Körperverletzung zu begehen?

Wenn jemand mit einem Messer ankommt und ich ihm mit einem jeglichen Gegenstand den Schädel eingeschlagen habe (wir gehen vom Fall aus, dass es keine Langzeitfolgen gab), dann habe ich bloß mich selbst von durchlöcherten Eingeweiden und Lungen gerettet, aber bin trotzdem der Schuldige.

Nein. Das ist Notwehr.

Aber wenn er mich jetzt schon mit dem Messer verletzt hat, darf ich ihm immer noch nicht den Schädel einschlagen.

Doch.

wenn ich zufällig einen Hammer oder einen anderen schweren, harten Gegenstand parat habe, wird es vor Gericht auch gegen mich bewertet (wieder ohne Langzeitschäden für den Angreifer).

Immer noch von der Notwehr abgedeckt.

Wegen Angst und Schock habe ich unter Affekt gehandelt, aber ich werde garantiert nicht straflos davonkommen.

Siehe § 33 StGB.

Bei der Notwehr gibt es keine Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Gesunder Menschenverstand und/oder kann Gesetze lesen

VaryNia  14.05.2025, 21:53
Aber wenn er mich jetzt schon mit dem Messer verletzt hat, darf ich ihm immer noch nicht den Schädel einschlagen.
Doch.

Das ist zugegebenermaßen etwas umstritten.

Der Angriff ist ja eigentlich schon abgeschlossen, sofern kein weiterer Angriff droht, kann man nicht durch Notwehr gerechtfertigt sein, da ja kein gegenwärtiger Angriff vorliegt (das ist unstrittig)

Ob man aber durch einen Notwehrexzess entschuldigt sein kann, ist umstritten.

Die eine Meinung sagt, dass die "Grenzüberschreitung" beim § 33 StGB sich nur auf die Grenzen der Erforderlichkeit, nicht auf die zeitlichen Grenzen bezieht.

Die andere Ansicht sagt, dass sich das sehr wohl auf die zeitlichen Grenzen bezieht.

Die wohl herrschende Meinung (und auch meiner Meinung nach sinnvollste Meinung) sagt, dass der Täter nur durch Notwehrexzess entschuldigt sein soll, wenn er die zeitlichen Grenzen "nach hinten raus" überschreitet, nicht aber, wenn er sie "nach vorne raus" überschreitet (sogenannter nachzeitig-extensiver Notwehrexzess).

Wenn man der hM folgt, hast du also in diesem Fall völlig Recht, da unstrittig ein nachzeitig-extensiver Notwehrexzess vorliegt.

Andrapton 
Beitragsersteller
 14.05.2025, 20:36

Danke.

Jetzt scheine ich verstanden zu haben, wie es funktioniert.

Du sprichst vom Rechtfertigungsgrund der Notwehr. Notwehr wird auf der Ebene der Rechtswidrigkeit geprüft.

Überhöhte Notwehr nennt man Notwehrexzess.

Solltest du aus Wut, Hass oder Zorn solch einen Exzess ausüben bekommst die volle Härte (also auch das Vorsatzdelikt)

Solltest du zeitliche Grenzen überschreiten, aus Angst oder Schrecken handeln, wirst du "nur" auf Grund des fahrlässigen Deliktes bestraft.

Die Notwehrhandlung schreibt dir vor was du tun darfst: Notwendige Verteidigung, die unter den Verfügbaren Mitteln das schonendste darstellt, um den Angriff sofort und endgültig abzuwehren.

Eine alte Großmutter dürfte also auch zur Schrottflinte greifen.

Eine Notwehrsituation muss tatsächlich vorliegen. Solltest du vorm schwarzen Fußgänger in der Dunkelheit Angst bekommen und zuschlagen, wäre das Puativnotwehr also ein Notwehrexzess.


Andrapton 
Beitragsersteller
 14.05.2025, 21:17

Also ich darf immer, wenn ich dor Tür aufmache, einen Hammer neben mir aufstellen (da ich sehr schwach und zierlich bin) und falls eine um Einiges stärkere Person mich versucht anzugreifen, darf ich mit einem Kilogramm (mindestens) Stahl zuschlagen, richtig?

lordius395  14.05.2025, 22:31
@Andrapton

So ist es. Du hast nur bei wenigen Personen eine Ausweichpflicht (Bsp.: Kinder). Bitte durchmische aber nicht Begrifflichkeiten. Ein Affekt hat nichts mit den Rechtfetigungsgründen zu tun. Dieser wird auf Schulebene geprüft.

Andrapton 
Beitragsersteller
 14.05.2025, 21:11

Aber warte, Handlungen aus Angst und aus Wut sind beide unter Affekt, müsste man nicht für Beides das Strafmaß senken?

RPBJM  15.05.2025, 08:21
@Andrapton

Es zählt nur der sogenannte "asthenische Affekt" - deine treibende Gemütsregung muss mit einem Gefühl der Schwäche einhergehen. Bei Wut fühlt man sich überlegen, was gerade keine Entschuldigung wegen Exzesses begründen soll.