Warum behaupten viele Frauen, heterosexuell zu sein, obwohl sie sich auch zu Frauen sexuell hingezogen fühlen?
Ich erlebe immer wieder - in Internetforen, in Interviews und im Real Life -, dass viele Frauen sagen, dass sie heterosexuell seien, dass sie sich aber auch zu Frauen sexuell hingezogen fühlen (und zum Teil auch positive sexuelle Erfahrungen mit Frauen gemacht haben bzw. machen). Für mich ist das ein Widerspruch. Wenn sich eine Frau sowohl zu Männern als auch zu Frauen sexuell hingezogen fühlt, dann ist sie für mich per Definition bisexuell. Als Begründung für die angebliche Heterosexualität wird von vielen Frauen angegeben, dass sie sich zwar körperlich auch zu Frauen hingezogen fühlen, aber nur an Beziehungen mit Männern interessiert sind. Trotzdem reicht doch die sexuelle Neigung zu Frauen dafür aus, dass es sich um bisexuelle Frauen handeln muss (oder eben um lesbische, wenn sie sich nicht zu Männern hingezogen fühlen). Mir ist also nicht klar, warum sich solche Frauen als heterosexuell bezeichnen. Beschreiben sich solche Frauen als heterosexuell, weil sie denken, dass sie damit eine immer noch bestehende gesellschaftliche Norm besser erfüllen? Die passendere Selbstbeschreibung solcher Frauen müsste m.E. lauten: "Ich bin bisexuell, führe Beziehungen aber lieber mit Männern bzw. fühle mich emotional stärker zu Männern hingezogen."
Vielleicht könnt Ihr mir weiterhelfen.
12 Antworten
Das ist ein Problem bei beiden Geschlechtern.
Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Menschen bisexuell sind. Sowohl Männer wie auch Frauen gestehen sich dieses nicht ein und geben es daher auch nicht offen zu. Viele behaupten sogar sie seinen heterosexuell obwohl sie sichtbar bisexuell sind. Das hängt mit der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz von allen nicht heterosexuellen zusammen.
Ich nehme da insgesamt schon einen deutlichen Unterschied zwischen Frauen und Männern wahr. Der kann aber kulturell bedingt sein, weil die meisten Männer körperliche Nähe zu anderen Männern weniger gewohnt sind. Im alten Griechenland soll ja männliche Homo- bzw Bisexualität - zum Beispiel unter Soldaten - sehr verbreitet und akzeptiert gewesen sein.
Man könnte sich in dem Fall auch als "bisexuell hetero-romantisch" bezeichnen. Allerdings denke ich, dass einige Leute nicht mit diesen Begriffen vertraut sind und daher unpraktisch sind und das im Endeffekt von anderen oft falsch verstanden wird bzw. es auch etwas mühsam ist dies jedes Mal zu erklären.
Und da hier ja nicht die Absicht besteht jemals als Frau mit einer anderen Frau eine Beziehung zu führen, verstehe ich schon, dass man sich nicht als bisexuell bezeichnen möchte (auch um anderen Frauen keine falschen Hoffnungen zu machen). Wenn man sich nun als heterosexuell bezeichnet, geht leider die sexuelle Anziehung zum gleichen Geschlecht natürlich unter.
Wie auch immer, es bleibt der Person selbst überlassen mit welchem Label man sich am wohlsten fühlt. Ich persönlich finde es aus genau diesen Gründen schade, dass es die Erwartung gibt, dass jede/r sich ein Label geben muss - wenn diese einfach nicht für alle passend sind.
Entweder fühlen sie sich nicht wohl dabei, dies zuzugeben (z.B. wegen der mangelnden Akzeptanz in der Gesellschaft oder persönlichen Erfahrungen), oder sie verspüren kein so großes Interesse daran sich homosexuellen Erfahrungen hinzugeben wie heterosexuellen.
Oder sie wissen es einfach selbst nicht und denken es ist nur so eine Laune der sie nicht weiter auf den Grund gehen muss.
Wenn eine Frau "eigentlich" bisexuell ist, sich selbst aber als heterosexuell bezeichnet, ist das erst mal ihr gutes Recht. Welches Label man sich verpasst und ob man sich überhaupt ein Label geben will, muss jede für sich selbst entscheiden und es gibt dabei kein "richtig" oder falsch, solange man sich selbst mit seinem gewählten Label wohlfühlt.
Weshalb Frauen sich als hetero benennen, obwohl sie auch auf Frauen stehen, kann verschiedene Gründe haben:
- Es gibt keine einheitliche Definition darüber, was Bisexualität eigentlich ist. Für die einen bedeutet es, dass man sich körperlich zu Jungs und Mädchen hingezogen fühlt, für andere beginnt Bisexualität hingegen erst dann, wenn man sich auch verlieben kann in Menschen beiderlei Geschlechts. Manche Frauen fühlen sich zwar sexuell zu anderen Frauen hingezogen, verlieben sich aber nur in Männer und bezeichnen sich deshalb selbst als hetero. Manchmal ist dann auch die Bezeichnung "heteroflexibel" gebräuchlich oder der Begriff "bi-interessiert".
- Es kann auch sein, dass jemand sich seine sexuelle Orientierung noch nicht eingestehen will oder sich ihrer noch nicht sicher ist. Ich bin zwar keine Frau, aber ich weiß noch genau, dass es mir als Jugendlichem damals so ging. Dass ich auch am eigenen Geschlecht Interesse habe, hatte ich schon recht früh mit 15/16 Jahren gemerkt. Bis ich mir aber eingestehen konnte, dass ich bi bin, vergingen ein paar Jahre, in denen ich annahm, dass ich trotz meiner Neugier hetero wäre. Erst mit 20 fühlte ich, dass das Label "bi" für mich passt.
- Manche sind sich ihrer Bisexualität sehr wohl bewusst, verschweigen sie aber. Vielleicht haben manche Frauen Angst, dass sie durch ein Outing in der Öffentlichkeit Nachteile erfahren würden. Für viele ist es leider immer noch nicht selbstverständlich zu akteptieren, dass Homo- und Bisexualität ganz normal sind und es geistern noch viele Vorurteile über Bisrxuelle in den Köpfen mancher herum. Die sexuelle Orientierung sollte eigentlich keine Rolle mehr spielen müssen, aber die Realität sieht oft noch anders aus. Manche verheimlichen ihre Sexualität deshalb aus Angst diskriminiert zu werden.
Ich muss trotzdem sagen, dass Bisexualität für mich (allein schon auf Grund des Wortbestandteils "-sexualität") erfüllt ist, wenn man sich sexuell zu beiden Geschlechtern hingezogen fühlt
Wenn es für dich so ist, ist das auch absolut okay. So ähnlich definiere ich auch den Begriff der Bisexualität. Es gibt aber eben keine allgemein gültige Definition, weshalb die andere Sichtweise eben auch völlig legitim ist. Daran ändert auch der Wortbestandteil "-sexualität" nichts. Etymologisch leitet es sich nämlich aus dem Lateinischen sexus ab, was Geschlecht bedeutet. In seiner ursprünglichen Bedeutung bedeutet das Wort Bisexualität also lediglich Zweigeschlechtigkeit und hat primär nichts mit der sexuellen Anziehung zu tun. :)
Weil sie es nicht wahr haben wollen dass sie lesbisch sind und dieses nicht akzeptieren und zugeben wollen.
Ich habe natürlich nie bestritten, dass jede:r sich so bezeichnen kann, wie sie oder er will. Ich habe ausschließlich nach den Gründen gefragt, und zwar aus Interesse, weil die Angaben, die Menschen über sich machen, manchmal widersprüchlich wirken. Die hier genannten Erklärungen haben mir aber weitergeholfen. Ich muss trotzdem sagen, dass Bisexualität für mich (allein schon auf Grund des Wortbestandteils "-sexualität") erfüllt ist, wenn man sich sexuell zu beiden Geschlechtern hingezogen fühlt - auch wenn man sich nicht in beide verliebt.