Ab wann war Selbstbefriedigung in Ordnung/kein Tabu mehr?

5 Antworten

Ab wann lockerte sich die Moral ( generell zu Sex) und machte es jeder? 70er Jahre?

Na ja, gemacht haben wird man es immer - so wie auch den Rest der Sexualität, der der Kirche nicht gefällt. ^^

Gesellschaftlich endgültig gewandelt hat sich das Bild dann Ende der 1960er Jahre, sowohl was Sexualität als auch was Kindererziehung betrifft - bis dahin hatte die Kirche die öffentliche Deutungshoheit über "Moral", und auch die "Sexualerziehung" lag einzig in ihren Händen.

Ab da wandelte sich die Gesellschaft aber merklich. Auch und gerade die 68er haben in Folge dieser sich bereits abzeichnenden Entwicklung entscheidend die Gesellschaft verändert, was sich dann mit Rot/Grün zum Jahrtausendwechsel endgültig, dauerhaft und unstrittig in Gesetzesform manifestiert hat.

Aber bereits in der Zwischenzeit kamen die deutschen Gerichte zur Erkenntnis, dass Eltern das bei ihren Kindern nicht unterdrücken dürfen. Ebenso, dass Sexualkundeunterricht verpflichtend ist, von dem man nicht befreit werden kann.

Als ich 1965 geboren wurde, sah die deutsche Welt noch ganz anders aus (nicht nur auf dem Gebiet). 1974 hatte ich den ersten Sexualkundeunterricht - 3 Eltern meiner Klasse haben ihre Kinder nicht daran teilnehmen lassen. Und in meiner Pubertät in der Spätphase der sexuellen Revolution habe ich Dinge erlebt, die heute undenkbar wären (zumindest jenseits des Internets ^^).

War halt ein mehrjähriger Prozess, der letztlich auch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich schnell verlief. Im liberalen Norden halt schneller als im konservativen Süden.

Die ersten Anfänge gehen aber wohl auf Sigmund Freud vor 100 Jahren zurück, der den Sexualtrieb entdeckte, sowie feststellte: "Kinder sind polymorph pervers." ("pervers" war damals jede sexuelle Aktivität, die nicht dem Zweck der Fortpflanzung diente). Damals konnte man noch Keuschheitsgürtel, Metallhandschuhe, etc. kaufen, damit sich Kinder nachts nicht "unsittlich berühren". Oder ihnen wurden einfach nachts die Hände ans Bettgestell gefesselt (s. Das weiße Band - Eine deutsche Kindergeschichte). Auch die bei Christen sonst nicht übliche Beschneidung in den USA hat Masturbationsverhinderung als Grund - durchgesetzt von einem religiösem Kinderarzt mit sehr bekannten Namen.

Dann kam in den 1940er Jahren der Kinsey-Report.

Mitte der 1970er dann Masters & Johnson.

Zu dem Zeitpunkt hatte sich auch die evangelisch-lutherische Kirche modernisiert - Zeig mal! war DAS Aufklärungsbuch moderner Eltern.

Die moderaten Flügel der Konservativen sind mittlerweile auch umgeschwenkt. Nur der extrem rechte Teil der Gesellschaft (kath. Kirche, Evangelikale, rechtsaußen Teile der Union/JU, AfDler, etc.) ist so verpeilt wie ehedem (Stichwort: Schwachsinn von der "Frühsexualisierung der Kinder").

Ändern werden sie nichts mehr ...

Die Kirche verteufelt Selbstbefriedigung nicht. Gerade in der Pubertät, in der sich der Körper radikal verändert, wäre es falsch, den Kindern ein unnötig schlechtes Gewissen zu machen. Desweiteren kann Selbstbefriedigung dabei helfen, in der Öffentlichkeit nicht vom Sexualtrieb gesteuert zu sein. Diese Ausnahme gilt nur während der Pubertät.
Wir warnen davor, die Selbstbefriedigung zu verharmlosen. Tatsächlich sind viele Jugendliche und Erwachsene davon gefährdet, im Konsum von perversen Bildern, Filmen und Internetangeboten zu vereinsamen, statt in einer persönlichen Beziehung Liebe zu suchen. Die Einsamkeit kann in eine Sackgasse führen, wo Selbstbefriedigung zur Sucht wird. Nach dem Motto "Für Sex brauche ich niemanden; den mache ich mir selbst".
Insofern ist die Selbstbefriedigung ein Vergehen, weil sie die Erregung der Lust zum Selbstzweck macht.
"Katholischer Jugendkathechismus"

Ich gebe zu, dass ich mich da nicht wirklich an die Lehre der Kirche halte...

Libertinaer  01.03.2019, 04:23

Wie schön, dass sogar die kath. Kirche dazulernen kann - wenn auch nur ein bisschen.

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Wie soll man sowas bestrafen und die Person in sowas erwischen? Die Kirche ist ja auch ein sinnloser lächerlicher Verein, aber auf kleine Kinder stehen sie. Fast jeder macht es davon kannst du ausgehen.

Libertinaer  01.03.2019, 04:33
Wie soll man sowas bestrafen und die Person in sowas erwischen?
  1. Kleinfamilien und getrennte Zimmer sind vergleichsweise neumodische Dinge.
  2. Es gab Zeiten, da haben die krankesten der Kranken es zu unterbinden versuchten, indem die Hände ihrer "auffälligen/verdächtigen" Kinder nachts ans Bettgestell gefesselt wurden, oder man dies mit Hilfsmitteln zu verhindern suchte (z.B. mit Metallhandschuhen) - ist gerade mal rund 100 Jahre her.
  3. US-Christen begannen deswegen damit, Jungs zu beschneiden - und machen das heute noch.
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Hallo emilia19415,

in unserem Land - und in anderen Ländern unseres Kulturkreises - ist Selbstbefriedigung kein Straftatbestand.

In vielen Religionen ist sie aber verurteilt - wie dort Sexualität generell verurteilt ist (es sei denn zur Fortpflanzung). Religionsgemeinschaften mögen Sanktionen aussprechen und auch durchsetzen. In aller Regel wird sich das aber auf so etwas wie "Hölle" und "Fegefeuer" beziehen.

In unserer aufgeklärten Gesellschaft - nach der "ersten" Aufklärung und erst Recht mit der explizit sexuellen "zweiten" - sind solche Religionismen aus der eigenen Religionshistorie zurückgedrängt worden. Andere Religionen aus anderen Kulturkreisen mögen unsere Gesellschaft mit solchen Religionismen wieder konfrontieren.

Wir haben die Freiheit, uns selbst zubestimmen - auch was Sexualität und unsere Ansicht dazu betrifft, und brauchen uns von solchen religionistischen Ansätzen nicht bestimmen zu lassen.

Wir dürfen Gott auch als Liebe betrachten - in dem Sinne, dass die Liebe uns immer etwas gibt und schenkt. Sexualität dürfen wir im gleichen Atemzug als wohl intensivsten Ausdruck der Liebe betrachten - egal, wie stand-alone (ohne Liebe) sie auch betrieben werden mag.

Aus der Liebe folgt auch, dass wir mit der Selbstbefriedigung uns nicht mehr weiter "befriedigen" brauchen, sondern uns selbst wundervolle Empfindungen und Gefühle schenken dürfen. Der Unterschied ist die eigene Einstellung: etwas geht von uns aus - und wir wollen nicht irgendetwas haben.

Ab 1750 begann die "erste" Aufklärung, die den Grundstein zur Selbstbestimmung generell gelegt hatte. Dann hatten wir in den 1970ern die "zweite" Aufklärung in Richtung Sexualität - und damit den Grundstein unserer sexuellen Selbstbestimmung. Wir sind aber in meinen Augen immer noch in dem Prozess, dies alles für uns in Anspruch zu nehmen - und so darf die Aufklärung weitergehen.

Sexualität als etwas Göttliches zu betrachen, wäre für uns eine weitere Erkenntnis. Da sind uns so manche fernöstliche Religionen und Lebenseinstellungen etwas voraus.

Mit vielen lieben Grüßen
EarthCitizen

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung