Wart Ihr schon mal bei einer Tafel (Essensausgabe)?


13.12.2024, 15:28

Hab sowas nur mal in einer Doku gesehen, wusste gar nicht dass es sowas überhaupt gibt, Ich und Familie waren und sind immer zu "reich" für so ein Angebot.

Nein, war noch nie dort 84%
Ja, war einmal dort 8%
Ja, bin Regelmäßig dort 8%

25 Stimmen

9 Antworten

Ja, bin Regelmäßig dort

Wir waren dort regelmäßig. Von wann bis wann genau weiß ich nicht mehr, aber ich glaube, 2019 fing es an und Ende 2022 mussten wir dann zum Glück nicht mehr hin. Und ich hoffe sehr, das bleibt auch so.

Wir mussten halt dort hin, weil wir echt absolut wenig Geld für Lebensmittel hatten. Also wirklich extrem wenig. Selbst die Tafel hat nicht wirklich geholfen, aber es war etwas besser als ohne. Wir mussten damals 9 Monate warten, bis wir angenommen wurden, und das war ja noch vor Corona etc.

Die ersten paar Male war es ganz okay und man bekam sogar noch wirklich gut etwas. Aber es wurde immer weniger und immer weniger brauchbares Zeugs (Zugegeben: Ich bin auch sehr empfindsam, was mein Essen angeht und kann einiges einfach nicht essen, wegen sensory stuff (autismusbedingt) und so), weil auch immer mehr Leute dazukamen.

Die Mitarbeiter(innen) (Waren fast alles Frauen - Zumindest die, die die Kisten verteilt und befüllt haben) waren meistens ziemlich nett - Zumindest zu uns. Und das, obwohl die das ja freiwillig tun. Ich hätte nicht halb so nett sein können, in solch einem stressigen Umfeld, wüsste ich, dass ich dafür nicht bezahlt werden würde.

Der Rest meiner Antwort bezieht sich auf die Tafel, zu der wir damals gehen mussten und teilweise kann die Tafel selber dafür auch nichts. Außerdem ist der Rest der Antwort von unserer persönlichen Lage abhängig, deshalb zählt das natürlich nicht für jeden und pipapo. Also:

Zuerst einmal finde ich es wichtig, zu erwähnen, dass das Essen bei den Tafeln nicht kostenlos ist. Zumindest nicht bei allen Tafeln. Ich sehe das tatsächlich Leute behaupten, manchmal. Aber bei uns hatte eine Kiste (die meistens nicht einmal richtig voll war, but whatever) für zwei Personen 2,50€ gekostet und da wir dort jeden Montag waren (außer, es kam etwas Wichtiges dazwischen), machten das circa 10-12,50€ pro Monat. Was nicht nach viel klingt, doch wenn du sowieso nur sehr wenig Geld hast ... Na ja, da zählt halt wortwörtlich jeder Cent. (Und nein, wir hatten nicht so wenig Geld für Lebensmittel o.Ä, weil wir unser Geld für anderen Mist ausgegeben hatten. Ne, ne. Wir hatten keine Abonnements irgendwo, kein Auto, keine teure Kleidung - 99% der Zeit noch nicht einmal Geld für Kleidung vom Kik oder von der Kleiderstube o.Ä. -, wir konnten gerade noch so das Allerallerwichtigste (Miete, Strom, Internet, Hygieneartikel) bezahlen und dazu zähle ich keine Lebensmittel, denn ... sonst hätten wir nicht zur Tafel gemusst. Denn ich weiß genau, dass es immer irgendwo einen ganz Schlauen geben wird, der meinen muss, man könne hier in Deutschland nur arm sein, wenn man sein Geld für Alkohol und Tabak (wir rauchen auch nicht und meine Mutter trinkt höchstens zwei Gläser im Jahr) und sonstigen Quatsch aus dem Fenster wirft und wenn man über seinen Verhältnissen lebt. Deshalb will ich das direkt schon mal verneint haben. Nope. War' nicht so. Vielen Dank. Weiter im Text.)

Ebenfalls finde ich, dass man nicht vergessen sollte, dass nicht jeder ein Auto und nicht jeder eine Tafel in der Nähe hat. Und nicht jeder hat eine Mitfahrgelegenheit. Ja, das vergessen einige. Unsere nächste Tafel war 12 Minuten Bahnfahrt entfernt und dann nochmal gut 20-30 Minuten quer durch die Stadt laufen ... Ja, es war nicht so toll. Klingt vielleicht nicht so schlimm, doch diese 12 Minuten Bahnfahrt kosten (mit dem Tagesticket - Günstigste Option) 6-7€ (Ich hab den exakten Preis vergessen). Das dann 4-5x im Monat. Plus die 10-12,50€ für die Kiste(n). Wir haben extremes "Glück", denn ich habe seit ich 10 bin oder so (also seit fast 16 Jahren) einen Schwerbehindertenausweis mit den passenden Merkzeichen und um es kurz zu machen: wir können mit dem ÖPNV kostenlos durch ganz Deutschland fahren und das hat uns schon in so vielen Situationen geholfen (bzw. mir immer, weil ich ohne eine Begleitperson nirgendswo hin kann).

Aber wäre dem nicht so, ja? Dann muss man sich das mal vorstellen. Nein, mir egal. Viele haben das nicht. (Gut, viele brauchen es auch nicht, weil natürlich gibt's den SBA und so nur unter bestimmten Voraussetzungen und es ist ein Nachteilsausgleich etc. aber egal, denn mir geht es hier um den finanziellen Aspekt und jeder, der zur Tafel muss, hat wenig Geld - ob behindert oder nicht) Die meisten müssten für ihr Ticket bezahlen, außer, sie haben eine Tafel im selben Ort, in dem sie wohnen und selbst dann fällt ja noch der ganze Fußweg an. Der kann sehr anstrengend werden - Insbesondere für ältere Menschen.

Also gut, bei uns lief das normalerweise so ab:

Wir würden circa zwischen 15-15:30 Uhr ankommen (Wie abgemacht) und zuallererst mussten wir dort fast jedes Mal (außer ganz zu Anfang) Minimum 20 Minuten warten, uns die Beine in den Bauch stehen (und während Corona konnten wir uns auch nirgendswo unterstellen, also Hurra bei Regen und Hitze und so*). Ich glaube, einmal mussten wir sogar eine volle Stunde warten.

*Ich will nochmal kurz erwähnen, dass ich weiß, dass für viele meiner Kritikpunkte die Tafel(n) selber keine Schuld trifft. Ich bewerte hier nur die Experience, sozusagen. Und ich werde nicht sagen, die war schön, nur, weil wir arm waren (sind, aber nicht mehr so sehr, dass wir zur Tafel müssen) und nur, weil die überforderten Mitarbeiter(innen) das alles ohne Bezahlung machen. Es war Mist, das will ich auch so sagen und ich wünsche es niemandem, dort hin zu müssen. Nein, ich wünschte mir, dass es Tafeln nicht geben müsste. Es ist gut, dass es sie gibt, aber sie sollten nicht nötig sein.

Das klingt nun, als wären dort täglich 100 Menschen/Familien angestanden, aber nein. Meistens waren es zwischen ... grob geschätzt 5-15 Leute/Familien. Sollte ja nicht zu lange dauern. Man geht rein, wird gegrüßt, bezahlt seine Kiste (falls man das nicht schon im Voraus getan hat), nimmt sie entgegen und geht raus. Prima, alles tuttifrutti.

Aber so war es nicht.

Jede zweite Person brauchte ungelogen mindestens 5 oder sogar 10 Minuten. Wegen, keine Ahnung ... irgendetwas! Zahlungen oder so, ich hab doch kein Plan. Und manche haben so getan, als würden sie kein Deutsch verstehen, obwohl es sehr offensichtlich war, dass sie es doch taten und obwohl die schon seit Monaten/Jahren zur Tafel gingen. Weshalb? Was weiß ich. Vielleicht wollten sie sich dumm stellen, um die Kiste nicht bezahlen zu müssen. Ich weiß es nicht. Ja, man würde denken, es wäre einfach, aber es ist nie einfach. Wieso einfach, wenn's auch kompliziert geht?

Und man stand dort und stand und stand und stand, bis einem die Beinknochen aus den Schultern rausguckten.

Und dann schafften es die Leute dort nicht, sich einfach in eine Reihe aufzustellen und alle nacheinander reinzugehen. Neeeeiin. Das war zu komplex. Ständig lief jemand raus aus der Schlage, die "Schlage" war ein verstreuter Haufen aus Leuten (Man wurde mit seinem Nachnamen reingerufen) und jedes Mal ging random irgendjemand IN das Gebäude (Das "Tafel-Gebäude"), obwohl niemand gerufen wurde. Rein, raus, rein, raus. Immer wieder. Und nein, das war niemand, der dort arbeitete, sondern auch Leute, die wie wir auf ihre Kiste warteten.

So, nun kommen wir zum Essen. Zu den Lebensmittel.

Ich komme direkt zum Punkt: Es war nicht gut.

Hier nun ein paar spontane Stichpunkte:

  • es war kaum etwas für mich da (wie gesagt: bin sehr eingeschränkt, was das angeht, ich esse vieles nicht, aber daran kann ich auch nichts ändern, sorry, I guess)
  • gab es mal Gebäck, dann ... steinhart - Damit hättest du Fenster einschlagen können ... Ach, ganze Gebäude hätte man damit zu Fall bringen können
  • sehr viel Gemüse, Obst so ... semi-viel. An sich nichts Schlimmes, aber es kam uns seeeehr oft so vor, als hätten sie bei uns extra viel davon rein gemacht, nur, weil meine Mutter Veganerin ist. Meine Mutter aß echt viel davon, aber das meiste mussten wir trotzdem wegschmeißen, weil es niemand aß (Bei manchen Sachen denkt man auch, man isst es, probiert es, aber hinterher dann doch nicht) und meine Mutter aß das meiste Gemüse (Ich mag ein paar Gemüsesorten, aber die müssen wirklich frisch sein und ganz bestimmte Konsistenzen haben usw.), aber sie konnte das Zeug irgendwann nicht mehr sehen. Vor allem, weil es fast immer die selben Gemüsesorten gab. Das Zeug verstopfte unser gesamtes Gemüsefach und nur die Hälfte davon wurden wirklich von uns gegessen.
  • es ist mehr als einmal vorgekommen, dass wir aufgeweichtes und/oder verschimmeltes Essen bekamen. Mhhh, lecker. Und es ist mehr als einmal passiert, dass ich etwas bekommen habe, auf das ich mich total gefreut habe, nur um dann Zuhause feststellen zu müssen, dass es verschimmelt ist. Ich hätte heulen können.

Natürlich bringen einem 12,50€ im Supermarkt und selbst im Discounter nicht weit, nicht über die Runden, aber dann gehe ich doch lieber dort hin, als zur Tafel und weiß, was ich mir kaufe. Ich entscheide es selber. Klar gibt es weniger, doch was bringt mir das, wenn ich 50% davon nicht esse, 25-30% sind vegane Ersatzprodukte für meine Mutter, 15% sind aufgeweicht/steinhart und die restlichen 5% sind verschimmelt. Mit Glück bleiben noch 5% übrig, die ich tatsächlich esse(n kann). Toll. So gesehen hätte ich zumindest sogar mehr im Lebensmittelladen als bei der Tafel zum gleichen Preis bekommen.

Ab einem gewissen Zeitpunkt fragten wir uns, weshalb wir überhaupt noch dort hingingen. Es lohnte sich kaum noch. Nur für meine Mutter lohnte es sich, weil sie immerhin noch viele vegane Ersatzprodukte bekam (weil sie, glaube ich, auch die einzige Veganerin bei der Tafel war), aber selbst sie fragte sich, wofür sie das überhaupt tat. Es tat uns und vor allem ihr ja körperlich auch nicht gut. Das ganze Zeugs musste ja jedes Mal zum Bahnhof geschleppt werden und das dauerte, ging auf den Rücken, die Beine und da waren einige steile Wege. Nicht zu vergessen: Der Aufzug bei den Treppen war zu 70% der Zeit defekt und dort dauert es monatelang, bis er wieder repariert ist. (Und er stinkt nach Urin. Wer auch immer denkt, es wäre funny, in einen Aufzug zu pinkeln: Ich werde dich finden. Meine Nase riecht anstandslose, asoziale Menschen bereits aus einer Entfernung von 10 Kilometern.)

Und ich musste mitkommen, weil wir ohne meinen SBA (also ohne mich) eh nicht dort hin konnten. Ich habe es gehasst. Vielleicht ist es bei anderen Tafeln besser, keine Ahnung, doch bei uns war es wirklich, echt ... beschissen.

Außerdem, ein genereller Tipp: Falls ihr an die Tafel spenden wollt (Kleiderspenden ausgenommen), dann spendet am besten Geld. Damit können die Leute dort, die da freiwillig arbeiten, selber schauen, was sie noch an Lebensmitteln brauchen und diese dann bestellen. Denn es ist nett, wenn ihr dosenweise Dosenravioli spenden wollt, aber wenn die Tafel schon genug Dosenravioli hat, you know ... Dosenravioliwoche! Oder irgendwie so.

Einen positiven Punkt muss ich jedoch ansprechen: Bei uns gab es hin und wieder Kleidung, die andere dort abgegeben hatten und die man sich kostenlos mitnehmen konnte. Ich hab dort tatsächlich ein paar Teilchen finden können, die ich noch heute trage.

Oh, und die Tische, auf denen wir alle unsere Lebensmittel einräumen mussten, waren so alt und kaputt. Nur zwei Tische standen dort. Zwei! Irgendwann wurde einer von denen gegen einen Neuen ausgetauscht und das war toll und so und plötzlich, wenige Woche später, war der nirgendswo zu sehen und wir hatten nur noch einen alten, kümmerlichen Tisch.

Ist wahrscheinlich ein finanzielles Problem gewesen (zu wenige Geldspenden etc). Aber wahrscheinlich auch das Wetter. Sie standen ja die ganze Zeit draußen.

Ach ja, übrigens (das ist jetzt sehr persönlich, aber trotzdem): Als ich dieses Jahr im Rewe-Prospekt sah, was es dieses Mal zur Weihnachtszeit an Tüten für die Tafel gibt (diese 5€-Spenden-Tafel-Tüten, gefüllt mit ein paar Ja!-Produkten)... Meine Mutter und ich waren beide so froh, dass wir dort nicht mehr hin müssen. Denn was ich dort erblicken musste, war: Champignons aus der Dose und Apfelmus aus dem Tetrapack.

Zur Erklärung: Ich bin nicht so der Champignonsfan, aber wenn, dann esse ich nur Frische und meine Mutter liebt allerlei Pilze, aber als sie davon hörte, musste sie so heftig den Kopf schütteln, dass sie davon ein Schädelhirntrauma bekam. Und ich liebe Apfelmus (aus dem Glas), doch Apfelmus aus dem Tetrapack ...

Ne, mir egal, was andere dazu sagen, aber das geht zu weit. Das ist eine Beleidigung für unsere Geschmacksnerven. (Nennt mich/uns "undankbar", ist mir egal, aber nein, ich für meinen Teil würde das Zeug nicht einmal runterwürgen können, wenn ich wortwörtlich am verhungern wäre.

Oh mein Gott, ich könnte noch weiter darüber reden, aber lassen wir das. Ne, die Antwort ist schon lange genug. Mein tiefstes Beileid, an die Leute, die dort hin müssen. Man bezahlt am allermeisten mit seiner Zeit, seinen Nerven und eventuell auch mit körperlicher Anstrengung (je nach Lage).


Ploppy8888  13.12.2024, 17:37

Ich finde ein sehr beeindruckender Tatsachenbericht, wie von Günther Wallraff geschrieben, das hätte ich so jetzt nicht erwartet, echt krass.

Ja, war einmal dort

Das ganze ist aber schon einige Jahre her. Habe auf 1€ Basis direkt über der Tafel in einem Laden gearbeitet und wir haben dort einmal die Woche ein Paket abholen dürfen. Allerdings bestand dieses Paket hauptsächlich aus Dingen die ich so nie gekauft hätte. Und zwar Süßigkeiten und fertig Konserven und ab und an vielleicht mal brot. Dass ich das für uns dementsprechend nicht gelohnt hat sind wir auch nach zwei bis dreimal nicht mehr hingegangen bzw habe ich keine Pakete mehr genommen. Denn wir haben meist das essen was wir dort bekommen haben wieder verschenkt weil wir damit nichts anfangen konnten. Wirkliche Mahlzeiten haben wir da nämlich auch nicht rausbekommen und dementsprechend haben wir es dann lieber für die Leute gelassen die es wirklich nötig hatten

Nein, war noch nie dort

Immer wenn Tafel ist stehen die dicken Kisten rechts und links vor der Schule und blockieren die Sicht, haben es Leute die solche Autos fahren wirklich nötig? Seit ich diese Sozialbetrügeransammlung gesehen habe drücke ich beim Pfandautomaten garantiert nicht mehr auf "Spenden"

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Ja, war einmal dort

Wir haben die Tafel unserer Stadt unterstützt. Das Essen war gut! Ich habe auch richtig dafür bezahlt. Jetzt unterstütze ich Kindertafel meiner Heimatstadt. Das ist noch wichtiger.

Nein, Lebensmittel habe ich noch keine mitgenommen, abgegeben aber schon so einige. Beim Sozialmarkt hingegen schon öfters, als mein Lohn dafür nicht ausgereicht hat genug Lebensmittel zu kaufen.