Wird Hartz 4 ab Beantragung rückwirkend gezahlt?

6 Antworten

Da zu einem solchen Fall offenbar weder ein Urteil noch ein Rechts-Kommentar oder ein Experten-Gutachten vorliegt, versuche ich mich mal daran:

Hier greift zunächst SGB II § 37 Antragserfordernis:

"(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. ...

(2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück."

Und dann greift SGB I § 45 Verjährung

"(1) Ansprüche auf Sozialleistungen verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind." http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_1/index.html.

Der Anspruch auf ALG II entsteht also zum 1. Juli 2012, wenn im Juli 2012 ein Antrag auf ALG II gestellt wurde.

Der Anspruch auf ALG II, der sich aufgrund dieses Antrags ergibt, verjährt also frühestens am 1. Januar 2017!

Abzuziehen sind von diesem Anspruch Leistungen, die man erhalten hat. Hier also Leistungen zum Lebensunterhalt durch die Eltern.

Von dieser Regel kann es eine Ausnahme geben, wenn diese Leistungen (etwa der Eltern) nur zur Überbrückung bis zur Zahlung der Leistungen vom Amt geflossen sind.

Diese Ausnahme dürfte hier aber nicht greifen - sicher ist das aber nicht.

Gar keine Leistungen gibt es, wenn man nicht mitwirkt an der Feststellung der Höhe der Hilfebedürftigkeit - also die angeforderten Unterlagen nicht einreicht:

SGB I § 66 Folgen fehlender Mitwirkung. Diese „Sperrzeit“ für Leistungen greift aber nur nach vorheriger Belehrung über diese möglichen Folgen.

Die Folgen einer solchen fehlenden Mitwirkung können aber abgewendet werden, wenn man doch noch mitwirkt – also irgendwann dennoch Unterlagen einreicht:

SGB I § 67 Nachholung der Mitwirkung

"Wird die Mitwirkung nachgeholt und liegen die Leistungsvoraussetzungen vor, kann der Leistungsträger Sozialleistungen, die er nach § 66 versagt oder entzogen hat, nachträglich ganz oder teilweise erbringen."

Dies ist aber eine "Kann"-Vorschrift. Sie greift also nur in Ausnahmefällen. Ob ein rechtfertigender Ausnahmefall vorliegt, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Sachbearbeiters.

Im Normalfall gibt es also (nach vorheriger Belehrung) nachträglich keine Leistungen, sondern erst ab der Zeit, aber der man seiner Pflicht der Mitwirkung nachgekommen ist.

Ob der Sachbearbeiter sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat, kann man auf dem Rechtsweg überprüfen lassen - also per Widerspruch beim Amt, und danach per Klage beim Sozialgericht.

Gruß aus Berlin, Gerd

PS. Nicht berücksichtigt ist bei meinen Auslegungen, dass ein Anspruch auf ALG II in der Regel nur besteht, wenn man auch a) dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und sich b) auch aktiv um eine Arbeit bemüht.

Wurde hierzu zwei Jahre lang nichts unternommen, ist ein Anspruch schwer zu erkennen – aber auch nicht per se ausgeschlossen.

Wer nun aber denkt, er könne zwei Jahre lang ALG II ohne Arbeitssuche und ohne Förder-Maßnahmen erhalten, wenn er wichtige Unterlagen erst nach zwei Jahren vorlegt, wird sich sicher eines Besseren belehren lassen müssen ;-).

Hat Dich seit der Beantragung das JobCenter angeschrieben und Dich zur Einreichung der Unterlagen aufgefordert? Wurde auf Deinen Antrag ein Eingangsstempel mit Datum aufgedruckt? Bei 2 Mal "ja" hast Du gute Chancen, falls sich die Rechtslage mittlerweile nicht geändert hat. Bei mir waren es ca. 8 Monate. Wurde erst abgelehnt, das ist klar. Ich bin dann zum Rechtsanwalt und das ging bis vors Sozialgericht. Ich habe alles ab Antragsstellung dann bekommen. Es könnte aber sein, dass ich damit einen Präzendenzfall geschaffen habe, und die dann ihre Richtlinien geändert haben. Also z.B. dass irgendwo steht "Die Unterlagen sind innerhalb von ... nachzureichen." oder ähnliches. Ansonsten, wenn Du korrekt beantragt hast und auch berechtigt warst über die ganze Zeit, müsstest Du das Geld bekommen. Aber geh vielleicht mal zu einer Rechtsberatung (Sozialrecht).

NEIN ,bekommst du nicht !

ALG - 2 wird nur rückwirkend zum 1.des Monats gezahlt,in dem der Antrag gestellt wurde.

Wenn du den schon vor ca.2 Jahren gestellt hast und deiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen bist,also die erforderlichen Unterlagen nachgereicht hast,dann ist dieser Antrag hinfällig,musst also einen neuen stellen.

VirtualSelf  16.07.2014, 21:10

Ein Antrag ist KEINESFALLS automatisch hinfällig, nur weil irgendwelchen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen wurde.

Die Leistung muss dann in einem gesonderten Verwaltungakt (Bescheid) wegen fehlender Mitwirkung versagt werden

Ist das nicht geschehen, ist der Antrag nach wie vor offen und das Antragsdatum liegt drei Jahre zurück.

isomatte  16.07.2014, 22:05
@VirtualSelf

Ich habe ja auch nichts von automatisch hinfällig geschrieben !

Hat er eine Aufforderung zur Mitwirkung bekommen,weil Unterlagen gefehlt haben,steht normalerweise gleich in dieser Aufforderung eine Rechtsmittelbelehrung,was das nicht Einreichen dieser fehlenden Unterlagen,bis zum geforderten Termin für Folgen hat.

Da er dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist,wird er mit Sicherheit einen abschließenden Ablehnungsbescheid bekommen haben,würde mich zumindest sehr wundern,wenn das in diesem Fall nicht so gewesen sein sollte.

VirtualSelf  17.07.2014, 07:18
@isomatte
Da er dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist,wird er mit Sicherheit einen abschließenden Ablehnungsbescheid bekommen haben,würde mich zumindest sehr wundern,wenn das in diesem Fall nicht so gewesen sein sollte.

Dass in solchem Fall keine Bescheide rausgehen, ist nicht ungewöhnlich.

Ich gehe davon aus, dass der Fragesteller nicht fragen würde, hätte er eine Ablehnung erhalten.

isomatte  17.07.2014, 07:50
@VirtualSelf

Selbst wenn er keinen Ablehnungsbescheid erhalten hat,wurde er in der Aufforderung zur Mitwirkung auf die Folgen hingewiesen,die es zur Folge hätte,wenn er diese geforderten Nachweise nicht erbringt bzw.auf diese Forderung nicht reagiert !

Dann erübrigt sich auch dieser Ablehnungsbescheid,weil ja noch gar keine Leistungen bezogen wurden und dann muss man nach so langer Zeit einen neuen Antrag stellen.

VirtualSelf  17.07.2014, 16:39
@isomatte
Dann erübrigt sich auch dieser Ablehnungsbescheid,weil ja noch gar keine Leistungen bezogen wurden und dann muss man nach so langer Zeit einen neuen Antrag stellen.

Sorry, aber das ist Unsinn.

Grundsätzlich ist die Ablehnung obigen Antrags bzw. das Verrsagen der Leistungen wegen fehlender Mitwirkung für sich betrachtet ein vollkommen eigenständiger Verwaltungsakt, der natürlich keinen vorherigen Leistungsbezug voraussetz.

Die Aufforderung zur Mitwirkung ersetzt einen solchen abschließenden Verwaltungsakt NICHT.

isomatte  17.07.2014, 17:20
@VirtualSelf

Es kann zwar sein,das es jetzt Unsinn ist,aber das habe ich anders im Gedächtnis !

Denn als ich vor Jahren meinen Erstantrag gestellt habe,haben auch noch Unterlagen für die Bearbeitung gefehlt.

Da bekam ich auch eine Aufforderung zur Mitwirkung und sollte die fehlenden Unterlagen bis zu besagten Termin einreichen. In der Aufforderung war eine Rechtsmittelbelehrung enthalten,darin wurde ich darauf hingewiesen,sollte ich diese fehlenden Unterlagen bis zum besagten Termin nicht abgegeben haben oder mich dazu geäußert haben,ist der Antrag als abgelehnt zu betrachten und ein Neuantrag würde erforderlich sein.

Ob ich nun einen extra Ablehnungsbescheid bekommen hätte,trotz dieser Aussage,kann ich natürlich nicht sagen,weil ich die geforderten Unterlagen rechtzeitig eingereicht habe.

VirtualSelf  17.07.2014, 22:45
@isomatte

Du hättest einen Ablehnungsbescheid bekommen (müssen).

isomatte  18.07.2014, 07:28
@VirtualSelf

Wie gesagt,das kann ich nicht wissen,da ich ja alles rechtzeitig eingereicht habe !

Aber es ging ja eigentlich nicht um einen Ablehnungsbescheid,sondern um Leistungen, die er evtl.rückwirkend für 2 Jahre bekommen könnte.

Das es dazu immer zwei verschiedene Ansichten gibt,ist ja eigentlich ganz normal.

Raus finden wird man das wahrscheinlich nur können,in dem man die fehlenden Unterlagen ohne Neuantrag mit Angabe der BG - Nummer einreicht,die muss er ja bekommen haben.

ab Beantragung rückwirkend

Ab Beantragung: JA

Rückwirkend: NEIN

Goldjurist  17.07.2014, 02:14

Falsch! Alg 2 Anträge gelten rückwirkend ab dem Monatsersten! Unverdiente 10 Punkte!

VirtualSelf  17.07.2014, 07:21
@Goldjurist

... es sei denn, es liegen vor dem Datum der Antragstellung explizite Ausschlussgründe vor ... ^^, was aber auf wenige Konstellationen beschränkt ist ( z.B. Zuzug nach Deutschalnd am 16. eines Monats)

Ganz sicher nicht. Wenn es dir so wichtig gewesen wäre, hättest du ja gleich die Unterlagen korrekt einreichen können. Jetzt mußt du einen neuen Antrag stellen, dann bekämst du Geld ab dem Zeitpunkt des Antrages.

Goldjurist  17.07.2014, 02:09

Das ist falsch! Stellt er einen Alg 2 Antrag am 17.07.2014, bekommt er Alg 2 rückwirkend ab 1.07.2014 ! Bedürftigkeit vorausgesetzt.

Alg 2 Anträge gelten immer rückwirkend auf den Monatsersten!