wird ein arbeitsunfall immer der berufsgenossenschaft gemeldet?

8 Antworten

Hallo!

Bei jeder Behandlung, deren Grund ein Arbeitsunfall ist oder sein könnte, wird eine Meldung ein die BG durchgeführt.

So wie es sich anhört wart ihr in einem Krankenhaus, welches zumindest eine BG-Ambulanz hat. Diese schickt einen sogenannten Durchgangsarztbericht an die BG. Innerhalb von wenigen Tagen wird das Ereignis bei der BG aufgenommen und erhält dort ein Aktenzeichen sowie eine Ansprechperson.

Du hast die Möglichkeit, bei der BG anzurufen und zu fragen, ob der Unfall dort aufgenommen worden ist. Manche Berufsgenossenschaften nehmen Unfälle gerne auch telefonisch auf und leiten dann - je nach Schwere des Ereignisses - weitere Ermittlungen ein. Wenn es sich nur um eine Prellung oder ähnliches handelt: Besser nicht telefonisch melden, das ist - mit Verlaub - Zeitverschwendung.

Die Berufsgenossenschaft holt erforderliche fehlende Unterlagen selbstständig beim Arbeitgeber, bei Ärzten und ggf. bei euch ein. Bei kleinen Unfällen ohne relevante Verletzung kann es aber auch sein, dass mit der Erstbehandlung der Fall bereits abgeschlossen wird, weil keine oder nur geringe Aufwendungen zu erwarten sind.

Aus dem Durchgangsarztbericht gehen übrigens der Arbeitgeber, der Unfallhergang etc. hervor, sodass die BG in der Regel nicht allzu viele Infos mehr braucht.

Manche BGen ermitteln schneller, manche langsamer. Wie gesagt - nachfragen hilft. Nicht bei jedem Ereignis wird endlos ermittelt. In meiner Erfahrung werden gerade kleine Ereignisse dramatisiert.

Vom Arbeitgeber wird regelmäßig nur die Unfallanzeige angefordert. Sollte sich aus dieser Anlass für eine Aktivität der Abteilung für Prävention ergeben, schaltet diese sich ein. Davon bekommt ihr nicht zwingend viel mit.

Bei berufsgenossenschaftlicher Heilbehandlung berechnet die Krankenkasse im Regelfall das Verletztengeld und zahlt es nach Ablauf der im Regelfall sechswöchigen Entgeltfortzahlung aus (immer rückwirkend, nach Ablauf der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit).

Sollte dein Mann privat krankenversichert sein oder geringfügig beschäftigt, meldet euch bei der Berufsgenossenschaft. Dann berechnet nicht die Krankenkasse, sondern die BG selbst.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Zuerst einmal wäre wissenswert, wo und wie sich der Unfall genau ereignet hat. Es gibt hier einige Grenzen zwischen "versicherter Tätigkeit" und "Privatvergnügen", die nicht einfach zu erkennen sind.

Als Beispiel: Rutscht der AN vor Betreten der Toilette aus -> Arbeitsunfall. Passiert das Gleiche in der Toilette -> privater Unfall.

Wichtig für deinen Mann: Er hat den Unfall seinem AG gemeldet und er hat im KH hoffentlich angegeben, daß es sich um einen Arbeitsunfall handelt. Zur Sicherheit kann man dort nochmal nachfragen, ob der behandelnde Arzt ein D-Arzt (Durchgangsarzt) war. Denn dann wird der Unfall vom Krankenhaus an die Berufsgenossenschaft des Arbeitgebers gemeldet.

Der AG selbst muss nur dann einen Unfallbericht an die BG senden, falls der AN entweder tot oder mindestens 3 Tage arbeitsunfähig ist. Sollte das bei deinem Mann der Fall sein, dann muss auch der BR (falls vorhanden) eine Kopie der Unfallanzeige erhalten. Auch dein Mann hat in diesem Fall ein Anrecht auf eine Kopie de Unfallanzeige.

Nachdem der Unfall möglicherweise auf defekte / falsche / nicht vorhandene Schutzausrüstung zurück zu führen ist, muss natürlich auch die Ursache geklärt werden: Wurde eine Unterweisung in der Verwendung der PSA durchgeführt und regelmäßig wiederholt? War die PSA funktionsfähig? Oder hätte der Unfall durch PSA verhindert oder abgemindert werden können und diese wurde aus Bequemlichkeit nicht angelegt?

Falls zB Zweifel an der Korrektheit der Anzeige des AG bestehen, dann kann dein Mann auch durchaus direkt bei der BG nachfragen.

Ab einer gewissen Schwere des Unfallgeschehens ist der Unfall meldepflichtig. Die genaue Regelung kenne ich nicht, lässt sich aber sicher rausfinden. Dieser Pflicht sollte das Unternehmen tunlichst nachkommen.

DerHans  10.08.2020, 19:46

JEDER Arbeits- und Wegeunfall ist meldepflichtig. Kein Laie kann beurteilen, ob sich Folge- und/oder Dauerschäden entwickeln können.

expertsv  10.08.2020, 20:45
@DerHans

Im rechtlichen Sinne ist nicht jeder Unfall meldepflichtig. Auch macht das nicht immer Sinn, das füllt nur unnötig die Systeme der BGen. Kleine Verletzungen gehören ins Verbandsbuch.

Harmonikamund  10.08.2020, 21:56
@DerHans

Erzähl keinen Müll. Wenn ich mir in den Finger schneide und ein Pflaster draufklebe, ist das kein meldepflichtiger Unfall.

DerHans  11.08.2020, 09:33
@Harmonikamund

Und wenn du anschließend eine Infektion bekommst, ist das die Folge des Arbeitsunfalls. Dein eigener Schaden, wenn der nicht ordnungsgemäß gemeldet wurde,

Er MUSS der BG gemeldet werden. Ob das dann tatsächlich jeder Arbeitgeber tut, ist eine andere Frage.

Bei einem Unfall fragt der behandelnde Arzt aber von sich aus, ob das Arbeitsunfall ist. Wenn der Patient dann nicht die Wahrheit sagt, schneidet er sich eben ins eigene Fleisch.

Die Krankenkasse wird schon darauf drängen, dass der Unfall ordnungsgemäß über die BG abgewickelt wird.

Wenn der Chef das nicht veranlasst, fällt mir dazu nur ein, dass die Unfallverhütungsvorschriften missachtet wurden. Das wird ihm aber nichts nützen.

lebensbaum67 
Fragesteller
 10.08.2020, 17:32

was könnte das für den chef bedeuten wenn die unfallverhütungsvorschriften missachtet worden? eine abmahnung, oder strafe, oder oder ?

clemensw  10.08.2020, 17:45
@lebensbaum67

Im ersten Schritt wird die BG die Behandlungskosten deines Mannes vom Arbeitgeber zurück verlangen.

lebensbaum67 
Fragesteller
 10.08.2020, 17:47
@clemensw

es sei denn der AG streitet es ab, bzw ist sich den unfallverh.massnahmen nicht bewusst, oder hält sie nicht für notwendig.

DerHans  10.08.2020, 17:49
@lebensbaum67

Dann könnte der Betrieb ein Problem bekommen. Für die Einhaltung der Vorschriften ist der Arbeitgeber bzw. seine Beauftragten zuständig.

DerHans  10.08.2020, 17:51
@lebensbaum67

Was er für notwendig hält, ist aber nicht maßgeblich. Daran kann ein Betrieb auch pleite gehen.

clemensw  10.08.2020, 17:52
@lebensbaum67

Dann wird die BG die Gefährdungsbeurteilung für den Arbeitsplatz deines Mannes sehen wollen. Dort muss festgehalten sein, welchen körperlichen oder psychischen Belastungen und Gefährdungen dein Mann am Arbeitsplatz ausgesetzt ist. Gibt es die nicht oder sind sie falsch / veraltet, dann geht es erst mal der SiFa an den Kragen.

Aber bevor wir weiter in diese "was-wäre-wenn" Diskussion einsteigen, sind erst einmal die Basics interessant: Was ist wie wo wann bei welcher Tätigkeit passiert, wo war die PSA, wurde dein Mann im Gebrauch unterwiesen?

lebensbaum67 
Fragesteller
 10.08.2020, 17:54
@DerHans

die unfallverh.vorschriften sind ja sicher nur ein überbegriff, aber was behinaltet dies dann genau? das ist ja glaub ich auch von arbeitseinsatzort unterschiedlich?bzw kann es vielleicht auch sein das "nur" der Arbeitnehmer der meinung ist, schutzkleidung tragen zu müssen, nicht aber die arbeitgeber zum beispiel. grauzone wohl.

lebensbaum67 
Fragesteller
 10.08.2020, 17:56
@lebensbaum67

psa? sifa? tut mir leid das sind mir fremdwörter. ? mein mann ist in einer werkstatt beschäftigt, dort wird mit maschinen unter anderem gearbeitet. zuständig ist er in den sanitärbereichen, dort wird auch mit speziellen schmierigen seifen gearbeitet zb, fliesen meist sehr rutschig.

lebensbaum67 
Fragesteller
 10.08.2020, 17:58
@lebensbaum67

und deswegen geschah der unfall. aufgrund rutschiger fliesen.kein halt mehr gefunden. keine arbeitskleidung. aber es kann ja gesagt werden warum denn arbeitskleidung. meines erachtens ist es unabdingbar.

clemensw  10.08.2020, 18:32
@lebensbaum67

PSA = Persönliche Schutzausrüstung. Also der Teil der Arbeitskleidung, der zum Schutz der Gesundheit des Arbeitnehmers (AN) dient.

SiFa = Sicherheitsfachkraft. Ein speziell ausgebildeter Meister / Techniker / Ingenieur, der in jedem Betrieb den Arbeitgeber in Fragen der Arbeitssicherheit berät

Gefährdungsbeurteilung = Eine Beschreibung der an einem bestimmten Arbeitsplatz / bei einer bestimmten Tätigkeit auftretenden Gefährdungen sowie die notwendigen Schritte, um die Gefährdung auszuschalten oder zu minimieren.

TOP-Prinzip = Reihenfolge bei der Gefährdungsminimierung: Wenn die Gefährdung nicht an der Quelle zu beseitigen ist, dann müssen (in dieser Reihenfolge) erst technische, dann organisatorische und erst zuletzt persönliche Schutzmittel (siehe PSA) angewendet werden.

Und damit wieder zurück zu deinem Mann: Ein Versicherungsschutz durch die BG besteht immer dann, wenn eine "versicherte Tätigkeit" ausgeführt wird.

Wenn er also die Reinigung des Sanitärbereichs zu seinen Arbeitsaufgaben gehört, dann war er versichert, wenn er den Sanitärbereich aus privaten Gründen aufgesucht hat, dann nicht.

Bleiben wir also bei der Reinigung: War bei der Gefährdungsbeurteilung bekannt, welche Reinigungsmittel eingesetzt werden? Sind diese Mittel so extra-schmierig, dass eine über das normale Maß hinausgehende Rutschgefahr besteht? Wurde die Rutschgefahr erkannt? Welche Maßnahmen nach dem TOP-Prinzip wurden festgehalten?

(An der Stelle wird das Ganze vermutlich ins Nirwana laufen: Wenn das Reinigungsmittel nicht gerade so rutschig ist wie Teflon auf Eis, dann achtet die SiFa bei solchen Stoffen mehr auf Hautschutz, ggfs -pflege, Aufbewahrung, Augenschutz etc. Da gibt es von der BG dann noch ein "Bitte in Zukunft beachten" und das war es dann).

Aber wie sagt man so schön: Nach dem Unfall ist vor der Gefährdungsbeurteilung - die wird man also anpassen müssen. Möglich wäre zB der Wechsel auf ein weniger rutschiges Reinigungsmittel.

obwohl er auch sagte dass der unfall erfolgte durch fehlende schutzkleidung.

Wenn dein Mann die Kleidung nicht angezogen hat: bettelt er mit dem Satz regelrecht darum an möglichen Kosten beteiligt zu werden.

Wenn der AG sie nicht zur Verfügung stellt, dein Mann aber über das Tragen und die entsprechenden UVV aufgeklärt wurde: hätte er die Tätigkeiten verweigern müssen.

Sämtliche Kosten werden zunächst von der Krankenkasse übernommen. Bei einem Unfall kommt irgendwann ein Fragebogen der Krankenkasse.

Da der Vorarbeiter offenbar den Unfall beobachtet hat, liegt die Verantwortung der Meldung und die Eintragung in mögliche Verbandsbücher bei ihm.

Ich persönlich würde mir in dem Fall für meine Unterlagen ein Gedächtnisprotokoll schreiben.

clemensw  10.08.2020, 17:41
Wenn dein Mann die Kleidung nicht angezogen hat: bettelt er mit dem Satz regelrecht darum an möglichen Kosten beteiligt zu werden.

Das gilt aber auch nur dann, wenn der AN korrekt in Arbeitssicherheit unterwiesen wurde, der AG die PSA bereit gestellt hat, der Unfall durch die PSA verhindert oder verringert hätte werden können und die Gefahr für den AN offensichtlich war.

Lokicorax  10.08.2020, 17:57

Beim Arbeitsunfall zahlt die Krankenkasse gar ix - sondern die BG: steht doch schon in der Frage......

§ 7 SGB VII Begriff

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

kabbes69  10.08.2020, 18:28
@Lokicorax

Die KK wird doch aber erstmal in Vorlage treten, als GKV gebe ich meine Krankenkassenkarte ab, der Rest ist nach meiner Meinung eine Abrechnung zwischen KK und BG.

Interessant für den AN ein Arbeitsunfall bei bleibenden Schäden, Krankenschein über Lohnfortzahlung, Behandlungskosten die über dem Katalog der KK liegen.

Und jetzt bestätige du mir, dass ich bei der geschilderten Situation ohne Anwalt bei der BG eine Chance hätte?

Wird schon einen Grund haben, warum die Polizei bei meinen Arbeitsunfällen im Verkehrsraum zuerst Fotos meiner Baustellenabsicherung macht.

expertsv  10.08.2020, 20:56
@kabbes69

Nein, in der Regel geht eher die BG zunächst von ihrer Zuständigkeit aus.

Welches Heilverfahren eingeleitet wird (bglich oder kassenärztlich) entscheidet als erstes der D-Arzt im Krankenhaus. In der Regel wird ein bgliches Heilverfahren eingeleitet, es sei denn, die Sache ist zu 99% kein Arbeitsunfall. Grund: Ist für die Ärzte lukrativer und man muss auf Fallzahlen kommen, außerdem will man Stress mit den Patienten vermeiden.

Die Krankenkassenkarte gibt man bei jeder Behandlung ab - egal ob bglich oder zu Lasten der Krankenkasse. Das liegt daran, dass einfach die persönlichen Daten von der Karte benötigt werden (Name, Anschrift, ...).

Wir wissen nicht genau, was bei dem Ereignis passiert ist, es gibt aber absolut keine Anhaltspunkte, weswegen es kein Arbeitsunfall ist.

Loki hat vollkommen korrekt zitiert.

Nur bei vorsätzlich herbeigeführten Unfällen besteht sicher kein Versicherungsschutz.

Die meisten Infos aus Unfallhergängen werden für Präventionsarbeit genutzt, um zukünftige ähnliche Unfälle zu vermeiden und ungewöhnlich hohe Unfallaufkommen zu entdecken und etwas dagegen zu tun.

Rechtsanwälte bringen in solchen Verfahren übrigens oft gar nichts, weil sie nicht auf Sozialrecht spezialisiert sind und ebenso wenig Ahnung von der gesetzlichen Unfallversicherung haben wie viele andere hier.

kabbes69  10.08.2020, 21:54
@expertsv

ok. Danke für die Erläuterung. Beantwortet nur noch nicht alles, was mich interessiert:

Wann und wie merke ich als gkv AN mit Arbeitsunfall wer bezahlt?

Die wenig Ahnung liegt vielleicht auch an mangelnder Aufklärung.

Wer erzählt dir, dass beim Arbeitsunfall die BG deinen Eigenanteil für zB ein orthopädisches Hilfsmittel erstattet, wer erklärt dir, dass du darauf achten musst, dass der Arzt auf dem Rezept die richtigen Felder ankreuzt. Nach meiner Erfahrung niemand, außer vielleicht Kollegen, die bereits eigene Erfahrungen gesammelt haben.

Lokicorax  10.08.2020, 23:47
@kabbes69

Hi.

Bei Unfällen im Verkehrsraum prüft die Polizei, nicht die BG, eine Verletzung der STVO - daher bekommt man ja fast immer als Unfallverursacher eine(kleine) Strafe der Polizei aufgebrummt.

Als AN merkst du die Kostenübernahme der BG eben daran, dass du z.B. für einen Krankenhausaufenthalt keine 14Tage Zuzahlung leisten musst.

"wer erklärt dir, dass du darauf achten musst, dass der Arzt auf dem Rezept die richtigen Felder ankreuzt." - das sollte man doch immer machen, egal ob beim Arzt, im Möbelhaus oder bei der Kfz-Werkstatt?!?!? Menschen können immer Fehler machen, also einmal drüberschauen und nachfragen,, wenn man was komisch findet.

expertsv  11.08.2020, 05:20
@kabbes69

Auf jedem Rezept und jeder Verordnung steht bei einem Arbeitsunfall die jeweilige Berufsgenossenschaft oben links als Kostenträger. Außerdem kann man sich beim Arzt/dem Krankenhaus erkundigen, mit wem aktuell abgerechnet wird.

Die Infos über Leistungen gibt es über zwei Wege: Zum einen informiert eigentlich jede BG schriftlich über ihre Leistungen. Ja, es liest sich kaum jemand durch, aber bei jedem Unfall (abgesehen Kleinstunfälle) erhält die versicherte Person ein Info-Schreiben von der BG. Bei schwereren Unfällen erfolgt auch telefonischer Kontakt über die Ansprechperson (SachbearbeiterIn/Reha-BeraterIn/Reha-ManagerIn) bei der BG.

Die DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) und die BGen haben inzwischen auch alle sehr informative und moderne Internetseiten, auf denen man sich über die Leistungen genau informieren kann.