Muss ich Dienstanweisung zu Verhalten im Krankheitsfall akzeptieren, wenn sie abweicht vom Arbeitsvertrag?

7 Antworten

Hier stehen sich das Individualrecht (Passus im Arbeitsvertrag) und die gesetzliche Regelung des Entgeltfortzahlungsgesetzes gegenüber.

Der Arbeitgeber hätte gut daran getan, die Regelung nicht im Arbeitsvertrag zu manifestieren.

Nun versucht er, sich Arbeit zu ersparen, und statt der notwendigen einzelnen Änderungskündigungen sein rechtlich einwandfreies Begehren (Vorlage der AU-Bescheinigung ab dem ersten Krankheitstag) per Dienstanweisung durchzusetzen. Zur rechtlichen Einwandfreiheit siehe auch

https://www.ra-croset.de/presse/aerztliches-attest.php

Du könntest Dich jetzt natürlich "auf die Hinterbeine stellen", und auf Deine vertragliche Regelung verweisen, und bei unterschiedlicher Meinung ggf. deshalb auch das zuständige Arbeitsgericht anrufen, aber ob das klug ist, wage ich zu bezweifeln. Das würde das (bisher hoffentlich gute) Vertrauensverhältnis zwischen Dir und dem AG erheblich belasten.

Ich rate Dir, die Arbeitsanweisung zu akzeptieren, und wünsche Dir die Fähigkeit, eine weise Entscheidung zu treffen.

Gruß @Nightstick

Rein rechtlich ist das eine Änderung des Arbeitsvertrages, die nach der gesetzlichen Kündigungsfrist in Kraft tritt.

Wenn es einen Betriebsrat gibt, ist dieser der Verhandlungspartner des Arbeitgebers (auch in dieser Angelegenheit)

DarthMario72  08.02.2017, 10:55

die nach der gesetzlichen Kündigungsfrist in Kraft tritt.

Wie kommst du denn darauf?

DerHans  08.02.2017, 11:36
@DarthMario72

Eine Vertragsänderung unterliegt den gleichen Fristen wie eine Kündigung.

DarthMario72  08.02.2017, 11:53
@DerHans

Eine Vertragsänderung unterliegt den gleichen Fristen wie eine Kündigung

Seit wann? Ich denke, da verwechselst du eine einvernehmliche Änderung mit einer Änderungskündigung

DerHans  08.02.2017, 11:54
@DarthMario72

Wenn man sich weigert, die "einvernehmliche Änderung" zu akzeptieren, ist das eine Kündigung.

Hexle2  08.02.2017, 11:55
@DerHans

Eine Vertragsänderung unterliegt den gleichen Fristen wie eine Kündigung.

@DerHans, es handelt sich hier nicht um eine Änderungskündigung die, sollte man sie nicht akzeptieren, eine Beendigungskündigung wird sondern um einen Schrieb der verteilt wurde mit dem Ansinnen, jeder AN habe sich danach zu richten, egal was im Arbeitsvertrag vereinbart ist.

die nach der gesetzlichen Kündigungsfrist in Kraft tritt.

Rein rechtlich ist das eine Änderung des Arbeitsvertrages, die nach der gesetzlichen Kündigungsfrist in Kraft tritt.

Selbst wenn es sich um eine Änderungskündigung handeln würde (was nicht der Fall ist), woher willst Du wissen ob die gesetzliche Kündigungsfrist nach § 622 BGB gilt? Es können auch einzelvertraglich anderslautende oder nach Tarifvertrag bestimmte Kündigungsfristen gelten. Hast Du eine Glaskugel?

 

Hexle2  08.02.2017, 11:57
@DerHans

Wenn man sich weigert, die "einvernehmliche Änderung" zu akzeptieren, ist das eine Kündigung.

So ein Unsinn!

Da muss dieser "Zettel" erst einmal zu einer Änderungskündigung werden und nicht zu einer Mitteilung, das Cheffe etwas anderes als vereinbart möchte.

Wo siehst Du im Übrigen eine "einvernehmliche Änderung"? Ich sehe hier nur den Willen des AG ohne den AN zu fragen.

Laut Gesetz kann er ein ärztliches Attest bereits ab dem ersten Tag verlangen. Also ist es auch rechtens.

Im Prinzip ist es auch egal ob es im Arbeitsvertrag anders geregelt ist da das Gesetz immer über dem Arbeitsvertrag steht. Natürlich ist eine Besserstellung möglich.

Aber er verlangt ja hier nichts was rechtswidrig wäre und es betrifft auch nicht nur dich sondern die gesamte Belegschaft.  

PolluxHH  08.02.2017, 10:49

Genau betrachtet kann er kein Arrest, sondern nur eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen ;). Ein Attest ist ausführlicher und kostenpflichtig (in der "kleinen" Variante 12 €, wird nicht von der Krankenkasse übernommen).

PolluxHH  08.02.2017, 11:14
@PolluxHH

Attest, nicht Arrest *g*

Familiengerd  08.02.2017, 12:33
@PolluxHH

Für die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gegenüber dem Arbeitgeber gibt es keine Formvorschrift. 

Es reichen die Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit, Bezeichnung von Anfang und Ende (Dauer) und Benennung des Namens des betroffenen Arbeitnehmers.

PolluxHH  08.02.2017, 12:49
@Familiengerd

Es gibt aber einen gravierenden Unterschied zu einem Attest, denn nach h.M. kann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch bis zu 3 Tage rückwirkend vom Arzt ausgestellt werden, ein Attest nicht. Man KANN also auch ein Attest vorlegen, muß es (und darum geht es hier) aber nicht, sondern es reicht die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Form des "gelben Zettels", mehr darf ein Arbeitgeber nicht verlangen. Das war meine Aussage und entsprechend war hier m.E. die Trennung sogar zur sauberen Darstellung des Sachverhalts erforderlich. Eine Attest wäre eine Übererfüllung der Anforderungen.

Familiengerd  08.02.2017, 13:08
@PolluxHH

Ich wollte nur auf die Tatsache hinweisen, dass es für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine Formvorschrift gibt - also auch nicht zwingend der bekannte gelbe Zettel; es würde formal der scherzhaft-sprichwörtliche "Bierdeckel" reichen.

Die rückwirkende Bescheinigung ist übrigens nicht nach "herrschender Meinung" möglich, sondern nach der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses § 5 "Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit" Abs. 3 Satz 2. 

DarthMario72  09.02.2017, 07:50

Im Prinzip ist es auch egal ob es im Arbeitsvertrag anders geregelt

Genau das ist eben nicht egal! Grundsätzlich ist die Forderung des AG rechtskonform, aber es ist nun mal vertraglich anders geregelt. Und einen Vertrag kann man nicht einseitig ändern. Ob das dann sinnvoll ist, wenn der Fragesteller sich dagegen wehrt, ist die andere Frage...

Familiengerd  09.02.2017, 12:28

Im Prinzip ist es auch egal ob es im Arbeitsvertrag anders geregelt ist da das Gesetz immer über dem Arbeitsvertrag steht.

Das bist Du aber völlig im Irrtum!

Erstens steht das Gesetz nicht immer über dem Arbeitsvertrag! Es gibt viele gesetzliche Bestimmungen, die arbeitsvertraglich abbedungen ("ausgehebelt") werden können, von denen also auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann!

Zweitens darf im Fragefall zwar der Arbeitgeber von der gesetzlichen Bestimmung abweichen und von seinem Direktionsrecht nach der Gewerbeordnung GewO § 106 "Weisungsrecht des Arbeitgebers" Gebrauch machen, er ist dabei aber beschränkt "durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages" (Satz 1, 2. Halbsatz).

Wenn - wie hier im Fragefall - also eine bestimmte Regelung arbeitsvertraglich getroffen wurde, darf der Arbeitgeber sich nicht mit einer Dienstanweisung darüber hinwegsetzen, auch wenn er grundsätzlich das Recht zu einer solchen Dienstanweisung hat!

Familiengerd  10.02.2017, 14:03
@Anna1230

Es muss nämlich nicht sachlich begründet werden.

Das hat auch keiner behauptet.

Du musst aber schon das gesamte Urteil lesen, um zu erfahren, warum der Arbeitgeber hier trotz anderslautender Tarifvereinbarung so entscheiden durfte.

Denn es hatte ausdrücklich etwas mit der Geschichte dieses Tarifvertrag in Zusammenhang mit der Entwicklung er entsprechenden Bestimmung des Entgeltfortzahlungsgesetzes zu tun!

Einfach nur einen solchen Verweis posten hilft nichts, wenn man nicht weiß, was dahinter steckt!

Die Tatsache, dass hier in der Frage arbeitsvertraglich etwas anderes vereinbart wurde, ist eine ganz andere Situation!

Und an diese arbeitsvertragliche Vereinbarung hat sich der Arbeitgeber zu halten!

Das ist rechtens. AG können und dürfen die Krankmeldung bereits am ersten Tag verlangen.

Außerdem: Du als AN bist an Weisungen des AG gebunden. In diesem Falle erfüllt der AG nur seine Fürsorgepflicht.

Familiengerd  08.02.2017, 12:45

Dass der Arbeitgeber das nach dem Gesetz grundsätzlich verlangen kann, steht ja außer Frage!

Hier ist allerdings das entscheidende Problem, ob das auch dann gilt, wenn im Arbeitsvertrag etwas anderes geregelt ist!

SirPeterGriffin  08.02.2017, 12:49
@Familiengerd

Das ist völlig egal. Fakt ist und bleibt er kann es bereits am ersten Tag verlangen.

Familiengerd  08.02.2017, 13:01
@SirPeterGriffin

Das ist völlig egal.

Na, Du scheinst ja sehr "locker" mit Vertragsvereinbarungen umgehen zu wollen!

Ungeprüft - und offensichtlich völlig gedankenlos - behauptest Du also, eine anderslautende vertragliche Vereinbarung wäre belanglos??

SirPeterGriffin  08.02.2017, 13:06
@Familiengerd

Weißt du was, wenn du dir die Dienstanweisung deines AG nicht gefällt, dann kannst du den Weg zum Arbeitsgericht antreten.

Und locker ist es nun mal nicht. Denn wie ich bereits gesagt habe, dein AG hat Weisungsbefugnis und an dieser musst du dich eben halten. Wenn diese, wie in diesem Falle, vom Vertrag abweicht, sich aber noch im Rahmen des Gesetzes bewegt, dann ist hier egal was in deinem Vertrag steht. Ein weiterer Grund ist wie gesagt die Fürsorgepflicht für dich, an der sich dein AG auch halten muss.

 

Familiengerd  08.02.2017, 13:28
@SirPeterGriffin

Wenn diese, wie in diesem Falle, vom Vertrag abweicht, sich aber noch im Rahmen des Gesetzes bewegt, dann ist hier egal was in deinem Vertrag steht.

Das ist ja mal völliger Unsinn!

Der Arbeitgeber kann sich auch mit Dienstanweisungen selbstverständlich nicht über vertragliche Vereinbarungen hinwegsetzen - dann könnte man Verträge ja gleich ganz "in die Tonne kloppen"!

Die Weisungsbefugnis (Dienstanweisung) des Arbeitgebers ergibt sich aus der Gewerbeordnung GewO § 106 "Weisungsrecht des Arbeitgebers".

Und danach muss er sich bei seinen Anordnungen nicht nur im Rahmen von Gesetzen bewegen, sondern ist selbstverständlich auch beschränkt "durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages" (Satz 1, 2. Halbsatz).

Aber ich merke schon: Du kennst Dich ganz offensichtlich "bestens" aus im Arbeitsrecht! :-))

Ich bin übrigens nicht der Fragesteller und müsste deshalb auch nicht gegen die Dienstanweisung klagen!

DarthMario72  09.02.2017, 07:54
@SirPeterGriffin

Das ist völlig egal.

Genau das ist eben nicht egal! Grundsätzlich ist die Forderung des AG natürlich absolut rechtskonform, aber es ist nun mal vertraglich anders geregelt. Und einen Vertrag kann man nicht einseitig ändern, auch nicht durch eine Dienstanweisung. Ob das dann sinnvoll ist, wenn der Fragesteller sich dagegen wehrt, ist die andere Frage...

In § 5 EntgFG heißt es zwar, dass man nach dem dritten Tag (also am vierten Tag) der Erkrankung eine AU vorlegen muss, aber es ist ebenfalls geregelt: "Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen."

Die Forderung des AG ist also grundsätzlich rechtskonform, nach Ansicht des LAG Köln (Ur­teil vom 14.09.2011, 3 Sa 597/11) muss das auch nicht begründet werden.

Aber: M. E. kann eine Dienstanweisung keine Änderung des Arbeitsvertrages sein. Selbst mit Deiner Unterschrift gilt meiner Ansicht nach weiterhin das im Arbeitsvertrag vereinbarte. Denn durch deine Unterschrift bestätigst ja laut deiner Fragestellung nur die Kenntnisnahme dieser Dienstanweisung. Will der AG das vertraglich vereinbarte ändern, muss dafür ein Nachtrag bzw. eine Änderung her. Gegen deinen Willen wäre das dann nur durch eine Änderungskündigung durchsetzbar.

Um das aber abschließend beantworten zu können, müsste man die exakte Formulierung in deinem Vertrag kennen. Also bitte mal wörtlich zitieren.

Hannes789  08.03.2017, 13:42

5 entfg, haben wir gar nichts zu Suchen. Und die Urteile haben hier auch nichts verloren. Die treffen hier alle gar nicht zu.

DarthMario72  08.03.2017, 14:36
@Hannes789

Grundsätzlich wäre § 5 EntgFG schon richtig. Nur ist es in diesem Fall ausdrücklich arbeitsvertraglich geregelt. Deshalb kommt da in meiner Antwort irgendwann ein ganz fettes "aber"...