Befolgte Adolf Eichmann eine veränderte Form von Kants Theorie? o.O

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Dieser Widerspruch ist Dir völlig zu Recht aufgefallen. Wenn ich eine philosophische Theorie verändere und sie dann zur Grundlage meines Handelns erhebe, kann ich mich nicht mehr auf den Urheber berufen.

Zweitens: Kant und Eichmann trennen Welten. Eichmanns einzige "philosophische Ausrichtung" war nicht die des kategorischen Imperativs sondern die des kategorischen Befehls und des noch kategorischeren Gehorsams. Darüber hinaus war er persönlich überzeugt von dem, was er verbrach. Und was er tat, lässt sich mit keiner Philosophie abdecken, sondern nur mit der Psyhopathologie, die den Rahmen von der einzelnen Person bis hin zur ganzen Gesellschaft spannt.

Drittens: Wie die verehrten Kollegen auf dieser Seite schon anmerkten: Es ist aberwitzig, philosophische Konstrukte zur Grundlage einer juristischen Streitfrage zu machen, noch dazu, wenn diese Kapitalverbrechen thematisiert. Dort gilt das Strafgesetzbuch und bestenfalls noch das Lehrbuch der Psychiatrie - aber nicht, was Philosophen zur Transzendenz der Welt beizutragen hatten.

raspberryyy 
Fragesteller
 27.01.2013, 16:58

Danke :)

Bajun  27.01.2013, 17:01
@raspberryyy

Mit Vergnügen immer wieder gerne! ;-)

Bajun  30.11.2013, 09:09
@Bajun

Danke fürs Sternchen!

Der kategorische Imperativ lautet: "Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte." Eichmann hat durch „umsichtiges“ Organisieren dafür gesorgt, dass hilflose Menschen in Massen in Konzentrationslager verfrachtet wurden, wo die meisten von ihnen oder alle umgebracht wurden. Eichmann wusste von dem Schicksal, das diese Menschen (Juden) erwartete. Damit bedeutete sein Handeln, dass für ihn das Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung die massenhafte Ermordung von Juden sein müsste. Eichmann zielte, wenn er sich auf Kant berief, auf den „Führerwillen“, denn im 3. Reich war der Wille des Führers Gesetz. Wenn Eichmann also als Mittäter Juden umbrachte, so handelte er in Übereinstimmung mit einem Prinzip eines allgemeinen Gesetzes, eben dem „Führerwillen“. Hier zeigt sich, was es für Folgen hat, wenn man den kategorischen Imperativ nur als formales Prinzip auffasst. Dann kann man mit ihm jedes materielle Gesetz, von Ideologen erlassen, rechtfertigen, selbst wenn man sagt, Kant habe den kategorischen Imperativ aus der Vernunft abgeleitet. Denn was ist Vernunft? Die französischen Revolutionäre von 1792/94 haben die Göttin der Vernunft verehrt. Die Hinrichtung von Tausenden „Feudalisten“ war also für sie mit der Vernunft vereinbar. Für die Nationalsozialisten war es offenbar „vernünftig“, Millionen Juden umzubringen. (Die Monstrosität dieser Tat und ihre Begründung müsste eigentlich eine Untersuchung erzwingen, ob Hitler nicht doch geisteskrank war; für mich ist das Gegenteil nicht erwiesen!). Die Kritik am kategorischen Imperativ (z.B. von Schopenhauer) wirft Kant vor, die Notwendigkeit moralischer Gesetze, die Kant mit der Formulierung des kategorischen Imperativs als gegeben ansehe, nicht ausreichend zu begründen. Kant berufe sich auf eine höchste moralische Instanz, die aber durch den kategorischen Imperativ nicht vorausgesetzt werde. Dieser entbehre also einer Grundlage. In der Tat sah Kant zwar die Vernunft als Grundlage des kategorischen Imperativs an, die Vernunft aber war für ihn eng mit dem Sittengesetz verbunden: „Reine Vernunft ist für sich allein ein allgemeines Gesetz, welches wir das Sittengesetz nennen können“ (Kant, VII, 142), d.h. nach Kant muss über dem allgemeinen Gesetz die Vernunft und damit das Sittengesetz stehen; beide sind die Richtschnur der Gesetze (und nicht der subjektive Wille irgendeines Diktators). Die (sittliche) Vernunft sagt uns, dass Töten, Bestehlen, Betrügen, Verletzen von Menschen unmöglich zu allgemeinen Gesetzen erhoben werden können, da sonst jeder damit einverstanden sein müsste, dass auch er selbst getötet, bestohlen, betrogen, körperlich verletzt werden dürfe. Eine solche allgemeine Gesetzgebung wäre aber unvernünftig, und das heißt nach Kant „unsittlich“, und kein Mensch möchte, dass auf dieser Welt das Unvernünftige bzw. Unsittliche zum Gesetz erhoben wird. – Als Antwort auf deine Frage würde ich mit ja und nein antworten. Verändert hat Eichmann den kategorischen Imperativ, indem er den von Kant vorausgesetzten sittlichen Kern des kategorischen Imperativs eliminierte, er wich aber durchaus nicht vom Wortlaut des kategorischen Imperativs ab, den er rein formal, das heißt isoliert von einer sittlichen Vernunft auffasste

raspberryyy 
Fragesteller
 27.01.2013, 16:59

Danke für die ausführliche Antwort :)

Was hat eine phylosophische Theorie mit Juristerei zu tun? Man kann keine Verteidigung auf KAnt oder Nietzsche aufbauen.

Eichmann hat es noch nicht einmal zum Realschulabschluss gebracht, geschweige denn zum Abitur; das sagt zwar nichts über seine Intelligenz aus, aber sehr wohl über seine Allgemeinbildung, die kaum das Wissen über Kantsche Grundsätze umfasste.