Zeitarbeit Klausel Ärzte von Schweigepflicht entbinden?

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Wenn Du einen Anwalt zur Hand hast, mach mal.

Dass man automatisch bei Folge-AU den Doc von Schweigepflicht entbindet, gleich mal direkt im Arbeitsvertrag, finde ich schon äußerst merkwürdig.

Hab ich noch nie gehabt und ich hatte selber schon bei diversen AG Verträge, auch bei ZA und hab selber Leute eingestellt(wenn auch im Auftrag). So was las ioch da nie.

Wer weiss, w as für rechtliche Tretminen sich da noch verstecken. Ich würd es checken lassen, wenn mir jemand so was vorlegt. Abgesehen davon, die unterstellen ihren AN ja mit anderen Worten sofort, dass die wohl gerne besch*.

Super Arbeitsverhältnis.

GanMar  11.10.2018, 12:50
automatisch bei Folge-AU

Nein, nicht automatisch bei Folge-AU. Das steht so nicht im Vertrag. Die Entbindung erfolgt nur, wenn der Arbeitgeber eine Fortsetzungserkrankung behauptet. Solange dieser Behauptung nicht widersprochen wird, ist das dem Arbeitgeber vollkommen egal und dann braucht er auch keine Auskunft vom Arzt. Der Arbeitgeber ist dann nämlich von der Pflicht zur Lohnfortzahlung befreit und die Krankenkasse muß einspringen. Das wird in vielen Fällen vom Arbeitnehmer aber nicht gewünscht. Der hätte anstelle des gekürzten Krankengeldes nämlich lieber die volle Lohnfortzahlung. Also könnte er dagegenhalten, es wäre eben keine fortgesetzte Erkrankung, sondern er hätte eine neue Krankheit bekommen. Dann zahlt nämlich der Chef wieder. In diesem Fall muß der Arbeiter den Arzt von der Schweigepflicht entbinden, denn er will ja was vom Chef. Und dazu muß er eben Beweise vorlegen. Und aus einer Folgebescheinigung, Exemplar für den Arbeitgeber geht nicht hervor, ob es sich um eine fortgesetzte oder eine neue Erkrankung handelt. Die Entbindung von der Schweigepflicht wird in der Regel nicht dazu führen, daß der Arzt die komplette Krankenakte kopiert und dem Arbeitgeber zusendet. Der Arzt wird nur mitteilen, was nötig ist, damit der Arbeitnehmer seine Behauptung entsprechend untermauern kann. Und das kann unter Umständen ein einziger Satz sein: "Bei der am 03.04. festgestellten Erkrankung des Herrn B. handelt es sich nicht um eine Fortsetzung der Erkrankung aus dem Februar dieses Jahres." Und wenn der Chef das dann nicht glaubt, dann schaltet er den Medizinischen Dienst der Krankenkasse ein und schickt seinen Arbeitgeber zum "Vertrauensarzt". Und da muß der dann auch hin, ob er will oder nicht.

verreisterNutzer  11.10.2018, 13:53
@GanMar

Ich weiß nicht, aus welchem Land Du stammst - im deutschen Arbeitsrecht ist es jedenfalls anders!

Hier muss kein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber bestätigen, dass er (der AN) seine Ärzte von der Schweigepflicht befreit.

Nun ist das allerdings schon unterschrieben, und -obwohl rechtlich unwirksam- dennoch zunächst gültig vorhanden. Sollte der AG also zum jetzigen Zeitpunkt einem Arzt diese Befreiung vorlegen, muss diese Auskunft erteilen.

==> Hier ist dringender Handlungsbedarf angezeigt: Die Klausel muss vom AN gegenüber dem AG sofort schriftlich (nachweislich) widerrufen werden!

GanMar  11.10.2018, 13:59
@verreisterNutzer

Aus einem Urteil des BAG vom 13. 7. 2005 – 5 AZR 389/04 - Hervorhebungen von mir.

"Der Unkenntnis des Arbeitgebers von den Krankheitsursachen ist bei der Verteilung der Darlegungslast zum Bestehen einer Fortsetzungserkrankung Rechnung zu tragen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zunächst einen Entgeltfortzahlungsanspruch von sechs Wochen hat. Die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG trägt dabei der Arbeitnehmer (Senat 26. Februar 2003 – 5 AZR 112/02 – BAGE 105, 171). Er genügt seiner Darlegungs- und Beweislast gem. § 5 Abs. 1 EFZG regelmäßig durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Ist der Arbeitnehmer jedoch innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 EFZG länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausreichend, weil sie keine Angaben zum Bestehen einer Fortsetzungserkrankung enthält. Der Arbeitnehmer muss deshalb darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt. Hierzu kann er eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. Bestreitet der Arbeitgeber das Vorliegen einer neuen Krankheit, obliegt dem Arbeitnehmer die Darlegung der Tatsachen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung vorgelegen. Dabei hat der Arbeitnehmer den Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden."

verreisterNutzer  11.10.2018, 14:13
@GanMar

Dir sollte nicht entgangen sein, dass es sich in einem Arbeitsgerichtsurteil immer um eine Einzelfallbetrachtung bzw. Einzelfallentscheidung handelt, und dass man daraus keine Allgemeingültigkeit ableiten kann - wir sind nicht in Amerika!

Und schon gar nicht gäbe dies einer Zeitarbeitsfrima das Recht, eine Schweigepflichtentbindung in ihre Arbeitsverträge aufzunehmen.

GanMar  11.10.2018, 14:26
@verreisterNutzer

Immerhin handelt es sich um ein höchstrichterliches Urteil. Es war das Bundesarbeitsgericht, welches dem Arbeitnehmer die Verpflichtung auferlegt hat, durch Entbindung des Arztes die vom Arbeitgeber behauptete Fortsetzungserkrankung zu widerlegen. Der Arbeitsvertrag mag vielleicht "ungeschickt" formuliert sein - aber wenn der vorgesehene Fall eintreten sollte, ohne das die Klausel vereinbart wäre - ein Arbeitsgericht würde vom Arbeitnehmer ebenfalls die Entbindung von der Schweigepflicht verlangen, denn ohne diese Entbindung hat der Arbeitnehmer nichts in der Hand, um seinen Anspruch auf Lohnfortzahlung durchzusetzen, die der Arbeitgeber mit Behauptung der Fortsetzungserkrankung zu verweigern sucht.

Ich gebe zu: Gelesen habe ich noch nie einen Vertrag, der eine solche Klausel enthält. Aber diese Klausel stellst meines Erachtens keinen "Freischein" für den Arbeitgeber dar, die behandelnden Ärzte des Arbeitnehmers "auszuhorchen".

verreisterNutzer  11.10.2018, 14:50
@GanMar

Zu Absatz 1 (BAG-Urteil): In diesem ausgeurteilten Fall hat hat das Arbeitsgericht zwar den AN dazu verpflichtet, seine Ärzte von der Schweigepflicht zu befreien, wenn er seinen Anspruch durchsetzen will, aber ob er es dann auch tatsächlich getan hat, weiß niemand - er kann auch auf seinen Anspruch verzichtet haben. Ich will damit sagen: Niemand muss etwas tun!

Zu Ansatz 2 (Freischein): Das sehe ich vollkommen anders! Ein AG braucht vom AN deshalb keine Schweigepflichtenbindung zu verlangen, weil er über die zuständige KK alle Informationen über das Vorliegen einer Folgeerkrankung bekommt, die er für seine Lohn- und Gehaltsabrechnung benötigt. Hat er (berchtigte) Zweifel an der Richtigkeit einer AU-Bescheinigung, kann er der KK vorschlagen, den MA zum MDK vorzuladen. Damit sind die arbeitsrechtlichen Mittel des Arbeitgebers zunächst ausgeschöpft. Anm.: Das ist schon seit mehr als 38 Jahren so - solange ich im Personalmanagement tätig bin.

Nun soll der AG (aufgrund einer Arbeitsvertragsklausel) plötzlich berechtigt sein, direkt an die Ärzte heranzutreten, und die KK zu umgehen. Was ist das denn für eine niederträchtige Masche? Nebenbei bemerkt: Kein seriöses Unternehmen würde so etwas fordern. Ich hätte diesen Vertrag natürlich so nicht unterschrieben - jetzt gilt das, was ich weiter oben als dringenden Handlungsbedarf skizziert habe.

Der Arbeitnehmer hat den Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden, wenn der Arbeitgeber eine Fortsetzungserkrankung behauptet, der Arbeitnehmer aber darlegt, daß es eine "neue" Krankheit wäre.

Siehe dazu https://lexetius.com/2005,2069

Bei einer Fortsetzungserkrankung zahlt die Krankenkasse das Krankengeld. Das ist gut für den Arbeitgeber.

Bei einer "neuen" Erkrankung muß der Chef zunächst wieder 6 Wochen Lohn zahlen. Das tut der Chef nicht gern, aber der Arbeitnehmer nimmt lieber die Lohnfortzahlung als das Krankengeld.

Also kommt es mitunter zu einem Streit: "Du hast doch immer noch dieselbe Krankheit, jetzt soll das endlich Deine Kasse bezahlen" - "Nein Chef, ich habe eine neue Krankheit. Bisher hat mir die rechte Kopfhälfte weh getan, nun schmerzt es aber links. Also müssen sie mir wieder Lohn zahlen." Tja, und da ist dann der Arbeitnehmer tatsächlich in der Beweispflicht und muß seinen Arzt von der Schweigepflicht entbinden, damit dieser dem Chef erklären kann, ob es sich um eine fortgesetzte oder eine "neue" Erkrankung handelt. Das steht auf der AU-Bescheinigung nämlich nicht drauf. Weil es ohne Entbindung von der Schweigepflicht überhaupt nicht draufstehen darf. Dabei wird der Arzt nach Freistellung von der Schweigepflicht in der Regel noch nicht einmal verraten müssen, um welche Krankheit es sich genau handelt.

Und den erwähnten Auskunftsanspruch gegenüber der Krankenkasse hat der Arbeitgeber sowieso. Das muß man nicht vertraglich regeln. Das steht schon so im Gesetz und der Arbeitgeber weist Dich lediglich noch einmal darauf hin.

Das sollte unzulässig sein.

Der Arbeitgeber kann ja über seine Standesorganisation jederzeit erreichen, dass der Arbeitnehmer zum medizinischen Dienst der Krankenkasse geladen wird.

Die tatsächliche Diagnose geht den Arbeitgeber nur dann etwas an, wenn du z.B. in einem Betrieb eingesetzt werden sollst, wo gesundheitliche Einschränkungen gelten.

Familiengerd  11.10.2018, 12:47

Die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung MDK geschieht nicht über die "Standesorgsnisation" des Arbeitgebers, sondern über die Krankenkasse, wenn der Arbeitgeber berechtigte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers gegenüber der Krankenkasse darlegen kann und die Einschaltung des MDK beantragt.

Die Klausel im Arbeitsvertrag ist unwirksam, das ist richtig!

(4) Die Krankenkassen sind befugt, einem Arbeitgeber mitzuteilen, ob die Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit oder eine erneute Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers auf derselben Krankheit beruht; die Übermittlung von Diagnosedaten an den Arbeitgeber ist nicht zulässig.

https://dejure.org/gesetze/SGB_X/69.html

SiViHa72  11.10.2018, 12:05

Und das ist auch definitiv was anderes als Entbindung des Arztes von seiner Schweigepflicht.

heirote23  11.10.2018, 12:10
@SiViHa72

Und woher sollen die Krankenkasse das erfahren wenn nicht vom Arzt?

DerHans  11.10.2018, 12:13
@heirote23

Die Krankenkassen erfahren das sowieso, weil der Arzt ja seine Leistung bezahlt haben will.

SiViHa72  11.10.2018, 12:20
@heirote23

Nur mal als Denkanstoss: es geht den AG noch lange nicht alles was an, was die Kasse erfährt. Siehste auch an den Ausfertigungen einer AU: nur die Kasse kriegt den Diagnose-Schlüssel mitgeteilt.

Hmmm, was schliesst Du daraus?

Wieder was dazu gelernt, gell.

heirote23  11.10.2018, 12:25
@SiViHa72

Um es kurz zu sagen. Das was Du da unterschrieben hast, ist ein Absicherung des AG ist, dich bei Folgkrankheiten zum medizinischen Dienst zu schicken

PeterSchu  11.10.2018, 14:09
@heirote23

"Das was Du da unterschrieben hast, ist ein Absicherung des AG ist, dich bei Folgkrankheiten zum medizinischen Dienst zu schicken."

Und wozu soll das dienen? Wie du in deiner Antwort zitiert hat, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, von der Krankenkasse zu erfahren, ob es sich um eine Fortsetzungserkrankung handelt. Da dies schon im SGB geregelt ist, bedarf es keiner weiteren Vereinbarung im Arbeitsvertrag und schon gar nicht mit der viel zu weit gehenden Klausel "Entbindung von der Schweigepflicht". Denn das würde dem Betrieb letztlich das Recht geben, die Diagnose zu erfahren, was für die Feststellung der Lohnfortzahlung gar nicht nötig ist.

wenn die Leihfa Zweifel an der AU hat, müßte sie Dich dann zum MDK schicken. Das ist dann der Medizinische Dienst der Krankenkassen.

Schon äußert fragwürdig. Das würde ich nicht akzeptieren.

Du kannst Dich bei Deiner Krankenkasse beschweren oder bei der Arbeitsagentur, die für die Genehmigung der Arbeitnehmer-Überlassung zuständig ist

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
verreisterNutzer  13.10.2018, 19:35

Der Arbeitgeber ist nicht dazu berechtigt, einen Mitarbeiter zum MDK zu schicken - das kann nur die zuständige Krankenkasse!

Dort kann der AG seine (berechtigten) Zweifel anmelden - dann prüft die KK, und wenn diese ebenfalls Zweifel hegt, kann sie den Versicherten zum MDK vorladen.

Das ist der Weg.

Im Übrigen ist das weder fragwürdig, noch sollte man dem Fragesteller raten, dies nicht zu akzeptieren.