Würde Mathematik existieren, wenn es den Menschen nicht gäbe?

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Würde Mathematik existieren, wenn es den Menschen nicht gäbe?

Das ist eine philosophische Frage, auf die es nicht die richtige Antwort gibt. Die hängt davon ab, was man meint, wenn man »die Mathematik« sagt.

Es ist ein bisschen so, wie die Frage, ob ein Lavastrom auch in Abwesenheit von Menschen rot sei.

Wenn man »rot« als »bei einem Beobachter einen roten Farbeindruck erzeugend« definiert, setzt das diesen Beobachter voraus, und zwar einen, der die Farbe Rot überhaupt wahrnehmen und von anderen Farben unterscheiden kann.

Ich halte es für sinnvoller, »rot« so zu definieren, dass ein Gegenstand dann rot heißt, wenn er ein bestimmtes Spektrum emittiert oder reflektiert (nämlich eines, das bei einem farbtüchtigen Beobachter einen roten Farbeindruck erzeugen würde, egal ob er tatsächlich da ist oder nicht). In diesem Sinne ist der Lavastrom einfach rot, unabhängig davon, ob jemand ihn betrachtet.

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Luizen Brouwer (»Mathematik ist mehr ein Tun als eine Lehre«), der Begründer des sog. Neo-Intuitionismus, einer Form des Konstruktivismus, hätte die Frage wahrscheinlich verneint, dabei aber ergänzt, er wolle das Wort »Existenz« gar nicht auf die Mathematik und ihre Begriffe anwenden. Eine Menge beispielsweise »existiert« aus Sicht eines strengen Konstruktivisten nicht, sondern sie lässt sich konstruieren.

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»Sich konstruieren lassen« ist freilich nicht daran gebunden, dass es jemand zufällig gerade tut. Entscheidend ist, dass es prinzipiell möglich ist. Das hätte wohl auch der Formalist David Hilbert (»Man muß jederzeit an Stelle von " Punkten", "Geraden", "Ebenen", "Tische", "Stühle", "Bierseidel" sagen können.«) so gesehen und die Frage mit »ja« beantwortet.

Hilbert strebte eine vollständige Axiomatisierung der Mathematik an. Für ihn setzt Existenz eines Begriffs im mathematischen Sinne nur voraus, dass der sich nicht im Widerspruch zu den Axiomen befindet.

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Ich tendiere eher zu Hilberts als zu Brouwers Sicht der Dinge, wobei ich Existenz im mathematischen Sinne aber ohnehin für etwas vollkommen anderes halte als solche in einem physikalischen, und den Streit um die Existenz letztlich für ein bloßes Aneinandervorbeireden, da man irrigerweise dasselbe Wort benutzt.

Mathematische Regeln enthalten keinerlei Zeitbezug und gelten unabhängig davon, ob jemand da ist, der sie erkennt und anwendet. Mehr noch, sie gelten unabhängig vom Universum.

Sie sind also keine Naturgesetze, sondern sozusagen über-natürlich. Naturgesetze müssen mathematisch konsistent sein, sind aber nur eine von unzähligen Möglichkeiten, wie ein Universum beschaffen sein könnte.

Übrigens ist auch π keine Naturkonstante:

In diesem Universum ist »genau π« nicht darstellbar. Wie will man einen idealen Kreis wirklich physikalisch herstellen, wenn der Raum womöglich nicht einmal wirklich ein Kontinuum ist? 

Umgekehrt hängt dieses π als Verhältnis zwischen Umfang und Durchmesser eines Kreises in einem ℝ² der geordneten Paare (x;y) reeller Zahlen x und y mit der euklidischen Norm ||(x;y)||=√{x²+y²} nicht davon ab, ob der physikalische Raum wirklich euklidisch ist.

Schon in unserem Universum ist er das schon wegen der Gravitationsfelder, von denen wir spätestens seit Einsteins ART wissen, dass sie die Raumzeit und damit den Raum verzerren, nur näherungsweise der Fall, und mathematisch denkbar sind noch ganz andere.

Mathematik ist eine Sprache um logische Zusammenhänge zu beschreiben. 1+1=2 wäre auch ohne die Existenz des Menschen gültig.


Natürlich nur kein bekanntes Wesen würde es verstehen.

Hey KaiserKevin,

Mathematik ist nur die Sprache in der sich unseren physikalischen, chemischen, und auch andere Naturgesetze wiederspiegeln lassen.

Die Mathematik gäbe es in genau dieser Form ohne den Menschen wahrscheinlich nicht. Die zugrunde liegenden Naturgesetze wären jedoch immernoch vorhanden und mit Sicherheit auch in anderer Form als durch Mathematik beschreibbar.

Mit besten Grüßen,

shyronnieforeal