Womit begann der erste Weltkrieg?

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Formal durch die Ermordung des österreichischen Thronfolgers, und die darauf folgende unverhältnismäßig harte Line Österreichs gegenüber Serbien.

MÖGLICH wurde der 1. Weltkrieg aber erst durch die Ankündigung des deutschen Kaisers Wilhelm II. einer vorbehaltlosen Unterstützung Österreichs, den so genannten "Blankovollmacht" oder auch "Blankoscheck), weil erst diese den Österreichern Rückendeckng bei der Verfolgung ihrer harten Linie garantierte: :

https://de.wikipedia.org/wiki/Blankovollmacht

Unter der historischen Blankovollmacht oder dem Blankoscheck von 1914 versteht man das Bekunden des deutschen Kaisers Wilhelm II., „im Einklang mit seinen Bündnisverpflichtungen und seiner alten Freundschaft treu an der Seite Österreich-Ungarns [zu] stehen“ (aus: Telegramm des deutschen Reichskanzlers an die deutsche Botschaft in Wien, 5. Juli 1914).

Diese Vollmacht gab Österreich-Ungarn in der Julikrise die notwendige Rückendeckung für ein Ultimatum an Serbien. Die Blankovollmacht gilt als die letzte Voraussetzung für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Mit dieser Vollmacht gab die deutsche Reichsregierung Wien grünes Licht für das Vorgehen gegen Serbien und drängte auf eine schnelle Aktion, „um den jetzigen für uns so günstigen Moment nicht unbenutzt zu lassen“, wie Kaiser Wilhelm meinte. Er glaubte nämlich, dass Russland noch nicht kriegsbereit sei, und man somit einen Zweifrontenkrieg verhindern könnte. Unterstellt man Deutschland zu diesem Zeitpunkt nicht den Willen zum „Großen Krieg“, wie es beispielsweise Fritz Fischer tat, könnte diese Blankovollmacht sogar den deutschen Glauben an eine Lokalisierbarkeit des Krieges widerspiegeln. Beispielsweise meint Volker Berghahn, dass der deutsche Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg diesen Blankoscheck nur für eine begrenzte Aktion auf dem Balkan ausstellte.[3] In diesem Fall hätte die Vollmacht eine Funktion der Abschreckung erfüllen können, indem sie Mächten, die Pläne gehabt haben könnten, Österreich-Ungarn aufgrund ihres Krieges mit Serbien anzugreifen, klarzumachen, dass sie in diesem Fall nicht nur Österreich-Ungarn als Gegner fürchten müssten, sondern eben auch Deutschland. Möglicherweise glaubte der Kaiser laut Berghahn zu diesem Zeitpunkt tatsächlich, dass er so den Krieg lokal begrenzen könnte – dass er eben auf dem Balkan ausgetragen würde – und dass so der große Krieg mit Russland, Frankreich und England vermieden werden könnte.[3]

In den Jahren seit 1890 war das Bündnissystem Bismarcks zerbrochen: Deutschland war durch eine Reihe von Zwangsläufigkeiten und eigenen Fehlern in Europa weitgehend isoliert. Die meisten anderen europäischen Großmächte waren miteinander verbündet. Ihr Bündnis richtete sich zwar nicht explizit gegen Deutschland, die Gefahr war aber vorhanden, dass ein Konflikt zwischen einem deutschen Alliierten und einem Mitglied der Triple Entente zur Verwicklung Deutschlands in den Krieg führen konnte. Letzter verbliebener Partner des Deutschen Reiches war Österreich-Ungarn. Um diesen nicht auch noch zu verlieren, gab die deutsche Reichsregierung Wien den Blankoscheck und nahm damit den Krieg in Kauf.

Der australische Historiker Christopher Clark, der sich in der Bewertung der deutschen "Blankovollmacht" weitgehend Berghahns Auffassung anschließt, spricht analog dazu von einem französischen "Blankoscheck" der Pariser Regierung an Russland (d. h. der französischen Zusicherung, Russland bei einem wie auch immer gearteten Konflikt mit Österreich-Ungarn bedingungslos zu unterstützen), der jedoch bereits vor der Julikrise ausgestellt worden sei.[4]

earnest  10.02.2023, 20:45

Der Vergleich Clarks, eines revisionistischen Historikers, hinkt.

Die beiden "Blankoschecks" waren deutlich unterschiedlich: Der französische "Scheck" war deutlich defensiver als der deutsche, der Ö-U geradezu anstachelte - siehe zum Beispiel das überscharfe Ultimatum an Serbien und die kategorische Ablehnung der doch recht konzilianten Antwort Serbiens.

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ZuGenuege  10.02.2023, 20:51
@earnest

Das ist sicher richtig, aber er war ein weiterer Baustein auf dem Weg in den Krieg

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earnest  10.02.2023, 20:53
@ZuGenuege

Der vielleicht nicht entstanden wäre, hätte es nicht eine derartige Unterstützung der deutschen Regierung und der deutschen Militärs für Ö-U gegeben ...

Wir bewegen uns aber hier im Bereich von Spekulationen.

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ZuGenuege  10.02.2023, 21:03
@earnest

Vergessen wir nicht die revanchistische Haltung die seit 1871 in Frankreich herrschte, insbesondere angesichts des Verlusts des Elsaß, was Frankreich von seiner Eisenerz-Quelle abschnitt

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earnest  10.02.2023, 21:11
@ZuGenuege

Eine in meinen Augen durchaus verständliche Haltung, für die ich den Begriff "revanchistisch" übertrieben finde.

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Der Ausbruch des Krieges im August 1914 ist bei allen beteiligten Mächten als Lösung einer unerträglichen Spannung empfunden worden. Es war eine Spannung, die sich immer wieder in vordergründigen zwischenstaatlichen Konflikten entlud, aber ihre tieferen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Ursachen hatte.

Zusammenfassend kann man über das deutsch-englische und das deutsch-französische Verhältnis sagen, dass beide keine akute, aber eine latente Kriegsgefahr in sich schlossen. Der deutsch-französische Gegensatz betraf das Machtverhältnis innerhalb des europäischen Staatensystems, der deutsch-englische im Gegensatz das Machtverhältnis innerhalb eines Weltstaaten-Systems. Dabei ist kein Zweifel, dass Deutschland so wenig wie Frankreich und England eigentlich den Krieg wollte. Im Gegenteil schien das Jahr 1914 nach den heftigen politischen Krisen des letzten Jahrzehnts eher eine Entspannung im Verhältnis zwischen Deutschland und den Westmächten bringen zu sollen. Auch zwischen England und Deutschland schien sich das Verhältnis gerade damals zu bessern. So wurde im Frühjahr 1914 eine freundschaftliche Vereinbarung über die Bagdadbahn und die portugiesischen Kolonien getroffen. Im Juni weilte ein Geschwader britischer Schlachtschiffe zu einem Freundschaftsbesuch in Kiel. Dass dennoch die eher abklingenden als sich verschärfenden Spannungen des zwischen Deutschland, England und Frankreich sich tatsächlich in einem Weltkrieg entluden, findet seine Erklärung in der Verklammerung des deutsch-englischen und des deutsch-französischen Gegensatzes mit dem Spannungsfeld in Südosteuropa.

Hat Deutschland oder irgendeine andere Macht im Jahre 1914 den Weltkrieg gewollt?

Man muss zu dem Ergebnis kommen, dass keiner Regierung der Vorwurf gemacht werden kann, sie habe bewusst auf einen allgemeinen Krieg hingearbeitet. Die deutsche Politik zielte 1914 nicht auf die Entfesselung eines europäischen Krieges, sie war in erster Linie bedingt durch die Bündnisverpflichtung gegenüber Österreich-Ungarn. Um der als gefährlich empfundenen Auflösung dieses Staates entgegenzuwirken, hat man der Wiener Regierung Zusicherungen gegeben, die einer Blankovollmacht gleichkamen. Die deutsche Regierung war von der Vorstellung beherrscht, eine Lokalisierung des Konfliktes mit Serbien würde wie 1908/09 möglich sein; gleichwohl war sie bereit, nötigenfalls die Gefahr eines europäischen Krieges auf sich zu nehmen. Infolgedessen hat sie es versäumt, rechtzeitig mäßigend auf die Politik Österreichs einzuwirken. Unter dem Eindruck, dass der europäische Konflikt unvermeidlich sei, hat Moltke dagegen als Chef des Generalstabes am 30. Juli aus rein militärischen Erwägungen auf beschleunigte Anordnung der allgemeinen Mobilmachung in Österreich-Ungarn gedrängt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Geschichte Schwerpunkt Deutsches Reich / Nationalsozialismus
SophJR 
Fragesteller
 07.02.2023, 19:51

Vielen lieben Dank für diesen informierenden Text :))

Ich habe die Hilfe sehr zu Schätzen

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earnest  26.04.2023, 09:59

Noch etwas deutlicher: Die deutsche Regierung wollte sicher keinen Weltkrieg, hatte aber nichts gegen einen "kleinen Krieg" Österreich-Ungarns gegen Serbien und unterstützte die aggressive Politik von Ö-U durch den berüchtigten "Blankoscheck".

Und damit nahm die deutsche Regierung angesichts der bekannten Bündnisse einen Weltkrieg sehenden Auges in Kauf.

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Spannungen in den Kolonien.......

Ich würde über die Balkantroubles kurz sprechen. Dann zum Attentat leiten und kurz den blankoscheck ansprechen.

Für 4.2. schau Dir an, "wer mit wem" verbündet war.
Ohne diese Bedingung wäre der Weltkrieg nicht ausgeurfert.