Woher kommt die Unart statt "sie" "die" zu schreiben?
...und statt "er" "der" ("die" stellt ein Glas auf den Tisch) Wieso drücken sich viele neuerdings so aus und was hat das eurer Meinung nach zu bedeuten? Mich bringt das auf die Palme, weil ich den Eindruck habe, dass Personen mit der Bezeichnung "die" oder "der" zum Objekt gemacht werden.
6 Antworten
Es gibt nicht nur diese "Unart", sondern auch viele andere Entwicklungen der Sprache in Richtung einer Proletarisierung. Ich nenne mal nur die Auseinanderschreibung von Substantiven analog dem Englischen oder die Verdrängung des Genitivs.
Das alles ist nicht neu. Das gab es auch vorher schon. Wer den Berliner Dialekt kennt, kennt seine Verwechslungen der Fälle als typisches Kennzeichen.
Aber wir sind in einem Zeitalter, in dem jeder Hinz und Kunz sich medial artikulieren kann. Zehntausende von Influencern eröffnen ihre Kanäle und teilen ihre Ergüsse ungefiltert mit. Und werden damit zu Vorreitern der Entwicklung.
Noch vor 20 Jahren war mediale Mitteilung einer Elite von Berufsjournalisten vorbehalten. Die wurden dafür ausgebildet und im Mittelpunkt der Ausbildung stand die Sprachbeherrschung. Und wenn die sich äusserten, dann zumindest im schriftlichen Bereich auch noch nach Korrekturen.
Dadurch konnte der Eindruck entstehen, die Sprachbeherrschung sei ungleich höher entwickelt gewesen. Dabei war sie es in Wirklichkeit nur bei einer darauf professionalisierten Elite.
Heute siehst du Sprachäusserung eben mit einem Schwergewicht auf der Unterschicht, die die ebenso dominiert, wie sie einfach in der Mehrheit ist. Inzwischen folgt die ehemalige Elite diesem Trend. Ist ja auch kostengünstiger für die Medienunternehmen, wenn sie auf die Korrekturen verzichten. Ausserdem raubt derlei Zeit, es muss aber jeder der erste sein, der etwas twittert. Sonst verpasst er die Klicks.
Bildungsbürgerlichkeit ist out. Du bist ein Fossil :)
Die Rechtschreibung war schon immer bei den meisten schlecht. Die Streber, die alles richtig machen, waren und sind eine Minderheit.
Aber früher wurde der eine oder andere Streber Korrektur bei einem Medienunternehmen. Korrektoren gibt es heute gar nicht mehr. Das ist ein toter Beruf.
Der wurde eingespart, weil die Leute das nicht mehr für nötig halten. In den 80ern wäre einem Fernsehsender oder einer Zeitung mit auffällig schlechter Rechtschreibung unterstellt worden, da seien ungebildete Proleten. Was Richtiges und Nützliches können die wohl kaum berichten... Damals hatten die Sender noch den Bildungsauftrag (!)
Ungebildet zu sein, gilt heute als cool. Und nein, da braucht man kein konservatives Gejammer über den schädlichen Einfluss der Liberalen. Das ist die kapitalistische Entwicklung. Nichts zählt heute noch ausser reich werden. Der coolste und Intelligenteste muss der sein, der am reichsten geworden ist. Und reich wird man nicht mit Rechtschreibung.
In den Medien ist am erfolgreichsten der, der am schnellsten was berichtet. Nicht richtig berichten, nicht mit richtiger Rechtschreibung. Nur: am schnellsten.
Das generiert die Klicks.
Und dann "reacted" irgendwer. Und das gibt wieder Klicks auf die verlinkte Quelle. Ist da was zum Aufregen dabei, weil es z.B. sichtlich falsch ist, ist das noch förderlich. Denn dann regen sich viele auf und berichtigen das. Und das sind weitere Klicks. Und andere Aufgeregte, die darauf verlinken.
Wer lange recherchiert, um verborgene Hintergründe zu ermitteln, kommt nicht mehr zum Zuge. Er interessiert niemanden mehr, denn dann ist die Karawane weiter gezogen.
Nimm mal das hier: https://www.youtube.com/watch?v=FRvJyq9DjTo
Hörst du davon im Reich der "Qualitäts"medien und der Reacter-Influencer?
Es gibt keinerlei Anreiz für Medien, noch irgendwas im Sinne der alten Qualitätskriterien zu produzieren. Damit landet man nur im Bankrott.
Ich habe zwar davon gehört, aber nicht in den von dir genannten Quellen. Ich denke jedoch, das hat eher politische Gründe.
Reaction auf Reaction auf Reaction....ja, das fällt mir auch auf. Ich denke, das hat auch was mit der Vereinsamung zu tun, weil viele keine Gelegenheit haben, sich zu reflektieren und auszutauschen und durch diese Reactions hat man zumindest die Illusion davon. Allgemein ist es ja auch praktisch, wenn die Masse durch Nichtigkeiten abgelenkt und dumm gehalten wird. Deshalb hat die Kirche ja auch früher das Lesen verboten mMn. Soweit sind wir jetzt fast wieder. :-D
Und wenn die sich äusserten
"die" oder "sie" ? oder vielleicht "diese" ? ;-)
Von der Sache her stimmt das. Manchmal ist das vielleicht ungewollt. Ich muss zb. bei mir sehr aufpassen, was mein Handy schreibt. Aus "sie" macht es sehr oft "die" und aus "er" wird "der" gemacht. Bevor ich einen Beitrag abschicke, muss ich immer erst kontrollieren.
An den vielen Rechtschreibfehlern der User hier merkt man, dass nicht kontrolliert wird, was abgeschickt wird. Weder bei Fragen, noch bei Antworten.
Zum Teil ist es natürlich eine Form der Respektlosigkeit. Die Hemmschwelle gegenüber Menschen ist drastisch gesunken. Die Anonymität kommt da gerade recht. Das bezieht sich auf Jegliches im Internet.
Antworten, die auf gestellte Fragen gegeben wurden, nicht zu bewerten, ist übrigens auch eine Unart und fehlender Respekt an der Menschheit.
Nur nebenbei noch als Beispiel bemerkt. Das Problem ist also breitgefächert.
Wie würdest du für dich persönlich den zeitlichen Rahmen setzen, dass du dich nicht persönlich abgewertet fühlst? Nur so ganz allgemein gefragt, dann würde ich mir demnächst eine Stoppuhr stellen.
In deinem Profil befinden sich fast alles unbewertete Fragen.
Aber ist egal und jeder kann machen wie er möchte. In letzter Zeit kommen diesbezüglich eben immer mehr Diskussionen auf.
Verstehe genau was du meinst. Jedoch ist das in Deutschland auch wirklich manchmal sehr schwer sich in Schrift für jeden immer passend auszudrücken, ohne genau hin zu schauen. Über mich sagt das bei echten Gesprächen auch schon mal jemand und mir kann das auch mal passieren. Als unhöflich wird es meist beidseitig nicht gewertet. Auch wenn ich fast immer sie oder er sage und versuche auch genau so zu schreiben. Sonst sind es eher Ausrutscher.
In deutscher Schrift und Sprache kann man sehr viel falsch machen inklusive Höflichkeitsformen wie "Sie" und "Ihr" ausversehen klein zu schreiben usw.
Ich versuche es auch immer anders, solange mich aber niemand mit "das" oder "es" anspricht oder in Schrift erwähnt, sehe ich es locker.
Deutsche Sprache, schwere Sprache.
Aber weiß genau wie es gemeint ist.
So schreiben in erster Linie junge Leute, deren sprachliche Entwicklung noch nicht weit fortgeschritten ist. Da hier ein Großteil der User sehr jung ist, fallen solche sprachlichen Defizite auch öfters auf. Aber versuchen wir uns zu erinnern, wie es bei uns selbst in jungen Jahren um die Ausdrucksweise stand, ich kann mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern, bin mir aber sicher, dass da auch so mancher Fehler vorkam.
Ich beziehe es gar nicht mal auf diese Plattform. Klar, Fehler passieren, das ist menschlich. Ich habe aber eher das Gefühl, dass sich das etabliert und frage mich, ob das was mit dem allgemeinen Menschenbild zu tun hat?
Mit dem Menschenbild hat es nichts zu tun, es handelt sich meist um keine bewusste Wortwahl. Wenn man sich die PISA-Studien anschaut, stellt man fest, dass es sich um eine allgemeine Entwicklung handelt.
Vulgärsprache.
Grundsätzlich gehört hinter die Präposition "die", "der" usw. ein Objekt, also "die Schwester", "der Vater" usw.
Die/der/sie allein klingt abwertend - wie erwähnt Vulgärjargon.
Dass selbst in etablierten und "seriösen" Medien zumindest online immer mehr grobe Schreibfehler publiziert werden, ist mir auch schon aufgefallen. Selbst im TV in den Bauchbinden liest man sowas mitunter. Ich denke, das ist aber auch darauf zurückzuführen, dass sich die Rechtschreibung insgesamt verschlechtert, aufgrund der immer kürzer werdenden Texte, der Autokorrektur, der schnellen Kommunikation und der insgesamten Überreizung der Sinnesorgane und des Gehirns. Es fällt mir auch bei mir selbst auf. Meine Rechtschreibung war früher besser.