Wirtschaftskrise Marx und Engels...?

1 Antwort

Abgesehen davon, dass sich Marx anders als in der Einleitung steht nicht als Ökonom gesehen hat (sein Hautwerk "Das Kapital" trägt des Untertitel "KRITIK der politischen Ökonomie". nicht "Einführung in die richtige Ökonomie" oder Ähnliches) würde ich sagen, dass der wichtigste Satz derjenige ist, wo Marx und Engels darauf hinweisen, dass es im Kapitalismus Überproduktionskrisen gibt, die es in keiner anderen Produktionsweise der Geschichte gab. Überproduktion bedeutet ja, dass ZU VIEL produziert wird. Damit ist nicht gemeint, dass absolut zu viel produziert wird, sondern es wird zu viel produziert, um es (gewinnbringend) verkaufen zu können. In einer Überproduktionskrise haben wir daher zwei widersprüchliche Erscheinungen: auf der einen Seite die unverkäuflichen Warenberge, auf der anderen Seite notleidende menschen, die zumindest einen Teil der Warenberge dringend brauchen könnte, aber nicht bezahlen kann. Der zutreffende Hinweis, dass frühere Epochen das als Widersinn angesehen hätten (was es in der Tat ja auch ist), zeigt, dass der Kapitalismus eine ganz neue Form des Wirtschaftens darstellt und nicht etwa nur eine Weiterentwicklung dessen, was schon immer da war (so wie oft behauptet wird, Waren seien doch "schon immer" hergestellt und verkauft worden, was erstens für den größten Teil der Menscheitsgeschichte schlicht nicht stimmt und zweitens übersieht, dass bis zum Ende des Mittelalters nur verhältnismäßig wenig Dinge gehandelt wurden. 90% der Menschheit lebten bis zur Zeit um ca. 1600 ausschließlich als arme Bauern von der Hand in den Mund).

Der Kapitalismus ist die erste und einzige Gesellschaftsform, in der alle Dinge des täglichen Bedarfs als Waren produziert werden, also verkauft und gekauft werden müssen. Aber woher haben die Leute eigentlich das Geld, diese Waren zu kaufen? Einem bauern, der gerade mal so das Essen für sich und seine Familie herstellen kann, kann man ja nichts verkaufen. Antwort: weil sie - auch das ist neu - praktisch alle als Lohnarbeiter arbeiten. Dieser Kreislauf bzw. dieses "System" - die Dinge werden als Waren hergestellt und von ihren Eigentümern verkauft, die Käufer produzieren ihre Gebrauchsgegenstände nicht selbst sondern müssen sie auf dem Markt kaufen, das dafür nötige Geld verdienen sie indem sie als Arbeiter in eben jenen Fabriken arbeiten die die Sachen herstellen (also auch als Eigentümer etwas verkaufen, nämlich ihre Arbeitskraft,) - nennen Marx und Engels die "Produktionsverhältnisse" des Kapitalismus. Die "Produktivkräfte", die sich gegen die Produktionsverhältnisse "empören", also sich im Widerspruch zu den Produktionsverhältnissen entwickeln, sind die Maschinen, die technischen verfahren, das know how der Produktion usw. Der technische Fortschritt, der im Kapitalismus besonders stark ist, weil ja sich jeder Kapitalist gegen seine Konkurrenten durchsetzen muss, führt nun dazu, dass immer weniger Menschen gebraucht werden, um eine bestimmte Größe von Waren herzustellen. Sieh Dir nur mal an, wie viele Arbeiter vor 100 Jahren in einem Automobilwerk beschäftigt waren, und wie viel es heute sind. auch dieser Umstand - es wird immer weniger Arbeit gebraucht - wäre früheren Epochen als Paradies erschienen. Im Kapitalismus wird es aber zum Problem, denn wenn die Arbeiter entlassen werden, können sie die Produkte, die sie oft selber noch hergestellt haben, nicht mehr kaufen. Dann haben wir die von den beiden Autoren genannte Überproduktionskrise. Diese Überproduktionskrisen dauern aber - das hat Marx später im Kapital geschrieben - immer nur eine Zeitlang an. Denn solange die Wirtschaft insgesamt wächst, also auch neue Fabriken mit neuen Produkten entstehen, können die Arbeiter schließlich woanders unterkommen, die gesamte Reproduktion nimmt - auf einem zunächst niedrigeren Niveau - neuen Schwung auf und das Ganze wiederholt sich. freilich ist darin aber auch schon der keim für die nächste Überproduktionskrise gelegt, denn in den neuen Firmen findet natürlich auch technische Innovation statt. Das meinen die Autoren, wenn sie sagen, die Krise wird nur dadurch gelöst, dass die nächste Krise vorbereitet wird.

Eine spannende Frage ist, ob das eigentlich immer so weiter gehen kann, oder ob der Kapitalismus irgendwann einmal quasi durch sich selbst zusammenbricht, weil die Technik sich irgendwann so schnell entwickelt und erneuert, dass gar nicht mehr so viele Menschen eine neue Arbeit finden können, wie durch die technische Entwicklung überflüssig wird. Das ist unter heutigen Marxisten sehr umstritten. Im "Manifest" haben Marx und Engels davon aber - da ist man sich einig - nichts geschrieben. Allerdings darf man die Ausführungen im "Manifest" nicht als das letzte Wort von Marx verstehen. In seinen späteren ökonomischen Schriften hat er das ein oder andere Thema aus dem "Manifest" anders dargestellt.