Wieso sollte man mit einem Mörder Empathie haben?

8 Antworten

Es ist nicht die Aufgabe der Sozialarbeiterin Synpathien zu erwerben, auch keine Empathien. Sowas ist absolut kontraproduktiv, will man in dem "Haifischbecken" nicht untergehen. Vor allem in einem Beruf in dem man tagtäglich mit Straftätern arbeiten muss.

Der Spruch mit den abgelaufenen Pässen ist zwar etwas unglücklich, aber nicht besonders tragisch. Vor allem dann nicht wenn er von einem Lebenslänglichen kommt der gerade mal 3 Jahre hinter sich hat, denn der hat locker noch 7 Jahre Zeit bis er sich über sowas frühestens Gedanken machen kann. Das hätte sie ihm besser gesagt zu dem Thema, mehr aber auch nicht.

Die Leute in den Kommentaren haben sie als unsympathisch bezeichnet und meinten, dass sie den falschen Job hat. 

Es kommt darauf an, warum sie dort war, wie die konkrete Situation war und was genau da abgelaufen ist bzw. was sie theoretisch ermöglichen kann und darf.

Klar kann sie da nicht super emotional rangehen. Allerdings erscheint mir der Kommentar mit dem Pass irgendwo auch aus dem Kontext gerissen, außer er möchte die Familie im Ausland besuchen...

Aber wieso sollte man bitte mit einem Mörder, der bereits nach 3 Jahre fragt, ob er seine Familie besuchen darf, Empathie haben?

Weil das menschlich normal ist. Das schaltet sich nebenbei auch bei Mördern nicht aus. Und wie gesagt...letztlich kommt es auf den konkreten Fall an und wie die Hintergründe dieses Falles und auch des Wunsches sind die Familie zu sehen.


dausolop 
Beitragsersteller
 29.12.2024, 14:59

Ja, aber der Mörder denkt nur an sich und erkennt nicht, wie schlimm seine Tat ist. Wieso sollte man dann auf seine Bedürfnisse eingehen? Ist es nicht besser, wenn man ihn bestraft bzw. sich distanziert verhält?

Ich schaue mir in letzter Zeit viele Dokus auf Youtube dazu an.

Ich habe für die allermeisten sehr starkes Mitgefühl, unterscheide aber trotzdem noch zwischen den Urteilen die diese Menschen (leider) verdienen, weil es bei den meisten zu gefährlich wäre sie draußen herumlaufen zu lassen.

Viele der Täter sprechen von einem inneren, schon jahrelang bestehenden Drang, Menschen töten zu wollen oder befinden sich in psychischen Ausnahmesituationen und hatten in einem impulsiven Moment keine andere Lösung gesehen. Manche sind auch einfach noch zu jung um das Ausmaß der Situation überhaupt vollständig zu verstehen. Bereiche des präfrontalen Kortex die für Reflektion und Entscheidungen zuständig sind, sind mit 25 erst ausgereift.

Wenn ich mir überlege wie ich manchmal einen starken Drang nach süßem habe oder Lust habe mich auf irgendeinen Porno zu befriedigen, dann kann ich genauso wenig was für diese Impulse als diese Menschen für ihre Mordgedanken.

Man könnte argumentieren dass sie diese Neigungen hinterfragen müssten und mit konstruktiven Wegen wie Therapie und Persönlichkeitsentwicklung diese inneren Triebe auflösen sollten, aber vielen fehlt die Reflektionsfähigkeit dazu, die Überzeugung dass das überhaupt oder die Disziplin möglicherweise den Rest des Lebens daran zu arbeiten.

Doch genauso wie es einen großen Unterschied macht ob jemand Pädophil ist und sich auf Mangas einen runterholt, oder jemand der wirklich raus geht und Kinder vergewaltigt, so sind auch diese Mörder einfach falsch mit ihren Impulsen umgegangen und gehören ins Gefängnis, auch wenn sie mir grundsätzlich leid tun.

gestützt auf das Strafvollzugsgesetz (StVollzG), die Verwaltungsvorschriften der Länder, und den Fischer-Kommentar zum StGB (§ 211 – Mord):

1. Mord: Definition, Strafrahmen, Abstufungen – nach § 211 StGB (Fischer)

Lebenslange Freiheitsstrafe (§ 211 Abs. 1 StGB)

Mord ist immer mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht – es gibt keinen Strafrahmen, nur eine mögliche Entlassung nach frühestens 15 Jahren (§ 57a StGB).

Fischer, § 211 Rn. 1–13, 54–60:

Fischer unterscheidet zwischen drei Mordmerkmalsgruppen:

  • 1. Gruppe (subjektiv): Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, Habgier, sonst niedrige Beweggründe
  • 2. Gruppe (objektiv): heimtückisch, grausam, mit gemeingefährlichen Mitteln
  • 3. Gruppe (Ziel): zur Ermöglichung oder Verdeckung einer anderen Straftat

Die moralische und tatsächliche „Schwere“ variiert extrem – Fischer betont:

"Nicht jeder Mord ist gleich – es gibt Mord mit abgründiger Grausamkeit, aber auch solche mit tragischen Umständen oder affektiven Ausnahmezuständen."

Das bedeutet: Lebenslänglich ist nicht gleich Lebenslänglich. In der Strafzumessung (z. B. bei § 57a StGB) wird sehr wohl unterschieden – etwa:

  • Ob die Tat aus tiefer Verzweiflung oder aus bloßer Kaltblütigkeit begangen wurde
  • Ob die Reue glaubhaft und aktiv ist
  • Ob die Person im Vollzug an sich gearbeitet hat
  • Ob es Hinweise auf mildernde Umstände gibt (z. B. soziale Deprivation, Missbrauch)

2. Empathie im Strafvollzug – gesetzlich gefordert

StVollzG § 2: Ziel des Vollzugs

„Der Gefangene soll fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.“

Das bedeutet: Strafvollzug ist nicht bloß Bestrafung, sondern Resozialisierung.

StVollzG § 3: Behandlung

„Die Behandlung soll auf die Persönlichkeit, Lebensverhältnisse und die besonderen Umstände der Tat Rücksicht nehmen.“

Das verlangt von Sozialarbeitern und Beamten im Vollzug:

  • respektvolle Kommunikation
  • individuelle Betreuung
  • Aufbau tragfähiger Beziehungen, um Verhaltensveränderung zu fördern

Die Sozialarbeiterin in der Doku hat also gegen das gearbeitet, was § 2 und § 3 StVollzG eigentlich verlangen.

3. Empathie mit Mördern – moralische & psychologische Perspektive

Es geht nicht um Entschuldigung – sondern um Verständnis und Entwicklung. Viele Täter:

  • wurden selbst Opfer von Gewalt oder Vernachlässigung
  • handeln in Ausnahmesituationen
  • haben psychische Erkrankungen oder Intelligenzminderungen
  • entwickeln Reue, Schuldgefühle und Wandel im Gefängnis

 Empathie bedeutet nicht, dass man die Tat gutheißt – sondern, dass man den Menschen dahinter nicht aufgibt.

4. Besuche und Lockerungen nach 3 Jahren – möglich?

Ein Mörder, auch bei Lebenslänglich, hat grundsätzlich Besuchsrechte (§ 25 StVollzG), aber:

  • Besuche können stark eingeschränkt werden
  • Es braucht meist eine positive Sozialprognose
  • Bei besonderer Gefährlichkeit kann sogar Langzeitsicherung erfolgen

Besuch bei der Familie nach 3 Jahren ist theoretisch denkbar, aber nur mit Zustimmung der JVA-Leitung und bei stabiler Entwicklung.

5. Fazit: Warum Empathie?

  • Weil die Gesellschaft Besserung erwartet, aber dies nur mit professioneller Empathie funktioniert.
  • Weil nicht jeder Mörder ein „Monster“ ist – manche sind Menschen mit tragischen Geschichten.
  • Weil das Gesetz selbst – in § 2 und § 3 StVollzG – verlangt, dass Resozialisierung das Ziel ist.
  • Und weil Menschen sich verändern können, gerade wenn sie menschlich behandelt werden.

Fischer, § 211 Rn. 79–83:

„Auch bei Mord ist zu prüfen, ob nach Ablauf der Mindestverbüßung eine günstige Sozialprognose besteht. Entscheidend ist die Entwicklung des Täters – nicht die moralische Entrüstung.“

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Es gibt sicherlich keinen Anlass einem Lebenslänglich Inhaftierten Hafturlaub zur Pflege familiärer Beziehungen zu gewähren. Da ist es dann an der Verwandtschaft solche Beziehungen aufrecht zu erhalten und die Möglichkeiten der Besuche in der Haftanstalt wahrzunehmen. Und max. wäre es Aufgabe einer Sozialarbeiterin diesen Kontakt mit den Verwandten zu "fördern".