Wieso kann ich nicht rechtzeitig lernen?

2 Antworten

Wie Quoid schon richtig schrieb, ist der Vorgang, den Du beschreibst, Prokrastinieren und leider ein Problem, mit dem so einige Menschen mehr zu kämpfen haben.
Um es nun ein wenig genauer zu erklären: Unser Gehirn ist "auf Faulheit" programmiert, genauer gesagt auf Energie sparen. Der Prozess des Lernens (geistige Arbeit) ist anstrengend, Anstrengung ist uncool, mach lieber etwas, was Spaß macht.
So in etwa die Vorgehensweise unseres inneren Schweinehundes. Wozu anstrengen? Kostet doch nur Energie. Und Energie brauchen wir.

Das ist die schlechte Nachricht: Von sich aus, von seiner Programmierung, überflutet einen dieses Gefühl.

Jetzt die gute: Man kann sein Gehirn umprogrammieren. Leider ist das wieder sehr aufwendig und Energie raubend und klappt leider auch nicht von heute auf morgen.
Aber es funktioniert.

Ich unterschreibe den ersten Punkt von Quoid: Zur selben Zeit am selben Ort lernen, auch wenn der Widerstand erst einmal da ist. In diesem Fall musst Du leider die Zähne zusammenbeißen und durch.
Warum aber immer am selben Ort und zumeist zur selben Zeit.
Unser Hirn ist ein Gewohnheitstier.
Wenn man einen Prozess immer wieder zur selben Zeit wiederholt. passiert im Hirn ein Mechanismus, dass es sagt: Oh, es ist wieder Zeit zum Lernen. Es fährt alle anderen nicht lebensnotwendigen Prozesse herunter und richtet einen kleinen Teil seiner Energie auf den Lernprozess. So hast Du die Vorteile, dass Du durch das "Üben" des Lernens auch schneller vorankommst.

Jetzt gibt es jedoch ein kleines Problem: Während das Lernen selbst immer am selben Ort und nach Möglichkeit immer zur selben Zeit stattfinden soll, ist es mit dem Wiederholen genau umgekehrt. Gerade da sollte man an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten wiederholen.
Das zu erklären würde jedoch jetzt den Rahmen dieser Antwort sprengen.

Um das Gehirn ans Lernen zu gewöhnen, empfiehlt es sich, erst einmal eine kleine Zeit vorzugeben und diese über einen bestimmten Zeitraum durchzuziehen. Sagen wir ruhig einmal 15 Minuten (ist jedoch individuell) pro Stunde. Und sagen wir mal 4 Stunden am Tag. Wenn Du das Gefühl hast, Du könntest weitermachen, mach weiter.
Wenn Du unruhig wirst und nicht weiter willst, bremse Dich und mache erst einmal etwas anderes. Nach - sagen wir mal - einer Woche, in der Du festgestellt hast, dass Du 15 Minuten ohne große Probleme durchhältst, steigere Dich um 2 - 5 Minuten, also 17 - 20 Minuten pro Stunde für 4 Stunden. Nach einer weiteren Woche steigerst Du die Zeit wieder um x Minuten.

Nach einer geraumen Zeit kann es sein, dass Du locker und easy 45 Minuten am Stück lernen kannst.

Ganz wichtig übrigens: Die Zahlen, die ich aufgeführt habe, sind jetzt nicht das Maß, an welches Du Dich zu halten hast. Du musst leider für Dich selber herausfinden, wie viel Minuten Du am Stück schaffst. Ich empfehle Dir zwar, gerade am Anfang, wenn der innere Schweinehund dich dazu bringen will, gar nichts zu machen, eine kurze Zeit wählst und nach einiger Zeit, wenn Schweinehund beleidigt in der Ecke schmollt, längere Zeitabschnitte in Angriff nimmst.

Das ist interessant. Wenn man Pflichten (wie Lernen) bis zuletzt aufschiebt nennt man das "Prokrastinieren".

Du aber setzt dich eigentlich frühzeitig hin und willst loslegen...und dann geht aber nichts voran? Das klingt eigentlich recht pflichtbewusst. Meine erste Frage wäre: wie verbringst du denn die Zeit davor? Wie sehr ist das Lernen in deinen Tagesablauf eingebettet? Hier ein paar Tipps:

  • An "Lernen" muss man sich gewöhnen. Zum Beispiel immer zu ähnlicher Uhrzeit lernen, immer am gleichen Ort.
  • Lernen geht individuell unterschiedlich. Ich musste vor einiger Zeit mal monatelang lernen und habe gemerkt, ich kann am besten lernen wenn ich sehr früh aufstehe. Habe dann wochenlang von 5 bis 8 Uhr morgens gelernt.
  • Manche lernen besser in Bewegung (z.B. im Zimmer auf- und ablaufen). Manche müssen Inhalte abschreiben/schriftlich zusammenfassen. Manche lernen besser zu zweit.
  • Tipp: Ablenkungsmöglichkeiten minimieren. Schreibtisch möglichst leer, keine Musik, alle Bildschirme/Fernbedienungen aus dem Zimmer, Nicht Richtung Fenster gucken.
  • Das Lernpensum dosieren. Nicht alles heute wissen wollen, sondern ein bisschen was jetzt, morgen, übermorgen.
  • Inhalte MÜSSEN wiederholt werden, sonst ist alles futsch. Lieber oft ein bisschen lernen als einmal alles.
  • Lernen und Bewegung/Anstrengung im Gleichgewicht halten. Vielleicht eine Runde mit dem Fahrrad vor dem Lernen?

Viel Erfolg!

Tichuspieler  03.07.2023, 21:49
Inhalte MÜSSEN wiederholt werden, sonst ist alles futsch.

Das ist so nicht ganz richtig (allerdings auch nicht völlig falsch).
Wissenschaftler einer amerikanischen Universität* hatten festgestellt, dass man Fakten, die man bewusst gelernt hat, nicht wirklich vergisst.
So kann es zum Beispiel sein, dass zum Beispiel in einer Dokumentation erzählt wird, dass der 30jährige Krieg stattfand von 1618 - 1648, und obwohl man diesen Fakt nie wiederholt hat, kann es durchaus sein, dass man vielleicht 10 Jahre später eine Quizsendung sieht, in der der Moderator fragt: Von wann bis wann fand der 30jährige Krieg statt. (Oh Himmel, was für ein Satzmonstrum von mir :-/)
Und es fällt einem schlagartig ein.
Das Problem an diesem Szenario ist jedoch: Es ist ein ganz dummer ZUfall, dass es dem Mitratenden justament einfällt.
Ich stelle mir ganz gerne vor, dass in unserem Gehirn Millionen - wenn nicht sogar Milliarden - winzigklitzekleine Schubladen sind, in denen die Fakten hineingelegt wurden. Will man nun aufgrund einer Frage diese Schubladen durchsuchen, geht es unheimlich schwer zu öffnen. Sie klemmen und verkanten sich, so dass der Gefragte die Antwort nicht weiß bzw. nicht auf sie kommt.

Und da ist der Punkt mit dem Wiederholen sehr richtig und wichtig: Jede Wiederholung "schmiert" diese Schublade, so dass sie eines Tages wirklich wie ein geölter Blitz aufgeht und man die Antwort aufsagen kann.

*Leider habe ich das Buch, in dem die Quelle zu dieser Studie angegeben ist, verliehen, und ich weiß leider nicht, wann ich es zurückbekomme.
Aber falls es interessiert: Neues Lernen: Warum Faulheit und Ablenkung dabei helfen von Benedict Carey.

0