Ich kann Dir aus eigener Erfahrung sagen, dass Dein Empfinden tatsächlich normal ist. Auch meine Wenigkeit gehört zu den Schreiberlingen, die erst einmal begeistert sind von den Wörtern, Sätzen und Szenen, die sie aufs Papier gebannt haben, und nach einigen Tagen stelle ich fest, dass meine Euphorie Ernüchterung weicht und alles, was ich geschrieben habe, gerade man gut genug ist für die Altpapiertonne.
Allerdings neige ich dazu zu glauben, dass dies an drei Dingen liegt:
1) Der Wunsch nach Perfektionismus.
Ich gebe zu, es fiel mir anfangs schwer, es umzusetzen, aber es gibt keinen Perfektionismus. Man kann diesen Begriff noch nicht einmal definieren. Wenn irgendjemand behauptet, perfekt zu sein bedeutet, so und so zu sein, dann kann ich im Gegenzug behaupten, dass Perfektionismus bedeutet, eben anders als so und so zu sein. Und ein dritter kann wieder etwas anderes behaupten.
Beweisen jedoch wird es keiner können.
2) Sich mit anderen vergleichen: Auch so ein Ding, was diversen Autoren passiert. Man findet die Geschichten von anderen Autoren viel besser, plastischer, genauer beschrieben, die Spannung auf einen hohen Level haltend.
Man selber weiß, dass man eigentlich auch so gut ist, findet aber, die anderen Schriftsteller machen das wesentlich besser, eleganter, stilsicherer.
3) Man hat (meistens) einen Film im Kopf, den man gerne in Worte kleiden will. Das ist nur allzuverständlich, aber das Medium Film (Kopfkino) arbeitet mit vollkommen anderen Mitteln, was mit "profanen" Worten nicht umgesetzt werden kann.
Bevor Du jetzt aber denkst: Ich kann nicht schreiben, ich bin schlecht, so erlaube Dir, ein paar kleine Hinweise von mir zu geben:
- Selbst wenn Du es bescheiden findest, bedeutet es nicht, dass es auch die Leser bescheiden finden. Als Autor sieht man sein Geschriebenes kritischer als ein (unbedarfter) Leser
- Verabschiede Dich von dem Gedanken, eine nahezu perfekte Geschichte schreiben zu müssen. Es gibt, wie gesagt, keinen Perfektionismus, weil jeder "Perfekt" anders definiert. Ich gebe zwar mein Bestes für eine Geschichte und feile und knibbele daran herum, streiche, ersetze, verlängere, bastele um. Aber ich bin mittlerweile zum Schluss gekommen zu sagen: Gut ist gut genug. Die meisten Leser lesen eine Geschichte, sie zelebrieren sie nicht.
Es ist wie beim Kochen: Du kannst 3 Stunden in der Küche stehen, schnibbeln, würzen, tun und machen, und nach spätestens 20 Minuten sind die Teller leergefuttert. Es hat zwar geschmeckt, aber nun ist was anderes an der Reihe.
Ichbitte Dich, einfach weiterzuschreiben. Die Welt braucht Geschichten.