Wie weit wär die Menschheit ohne Mittelalter?

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Das Mittelalter war weit weniger rückständiger als weithin angenommen. Der Begriff "finsteres Mittelalter" bezieht sich auch nicht auf das Zeit zwischen 500 - 1500, die man gemeinhin als Mittelalter bezeichnet, sondern auf die frühe Zeit des Mittelalters aus der keine schriftlichen Zeugnisse bekannt sind, oder lange nicht bekannt waren.

Im Mittelalter hat es nicht so viele Erfindungen gegeben, das ist richtig, wie in der Neuzeit, der riesige Sprung, von du sprichst, begann nicht erst mit der Entdeckung der Elektrizität, sondern schon mit dem Beginn der industriellen Revolution. Erfindungen des Mittelalters waren etwa: Kummet und Egge, die Dreifelderwirtschaft oder die Schubkarre auf dem Gebiet der Landwirtschaft. Dazu kommen noch viele andere aus den verschiedenen Gebieten menschlichen Lebens: die Räderuhr, die Brille, der Kompass, das Steuerruder, der Globus, Ölmalerei, Wind- und Wassermühlen. Ganz davon zu schweigen das die Idee eines Heliozentrischen Weltbildes, dass nicht die Erde im Mittelpunkt der Welt steht, in der Antike unbekannt war. Andere Eigenheiten des Mittelalters, wie das Wohnen in der Nähe von Friedhöfen zeugen nicht unbedingt von Dummheit der Menschen, sie wussten das dies nicht das gesündeste auf der Welt war, es zeugt von einem anderem Weltbild.

Wenn du wissen willst ob es wissenschaftliche Forschungen gibt, was passiert wäre, wenn es das Mittelalter nicht gegeben hätte, so muss ich dich enttäuschen. Geschichtswissenschaft beschäftigt sich nicht mit was wäre wenn, erst recht nicht, wenn es darum geht eine ganze, wichtige Epoche der Geschichte weg zu konstruieren. Pseudowissenschaftliche Studien mag es geben, aber mehr auch nicht.

hndrk  20.08.2013, 13:11

Ich stimme zu, bis auf den letzen Absatz. Diesen Ansatz gibt es durchaus in der Geschichtswissenschaft. Nennt sich "Counterfactual History". Ich hatte dazu mal ein ganz interessantes Seminar. Es ist zwar nicht besonders populär und man muss sehr kleinschrittig und akribisch vorgehen um auch nur ansatzweise realistische Ergenisse zu bekommen. Diese können natürlich auch nur hypothetisch sein, aber dennoch ist es ein sehr interessantes Feld wie ich finde.

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KeinenDunst  30.01.2016, 01:23

stimmt nicht, in der Steinzeit wurden Pflanzen angebaut die den Boden nicht ausgelaugt haben. es war also eine zwei- bzw. Dreifelderwirtschaft gar nicht nötig.
In vielen Afrikanischen Staaten wurde die bis in die neuzeit so gemacht bis Dank Entwicklungshilfe dies Pflanzen durch weizen und co. ersetzt wurden so das heut dort nichts mehr wächst und die menschen heute deswegen verhungern.
Leute ihr müsst über dem Tellerrand schauen.

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Das Mittelalter war nicht finster, oder zumindest nicht das Ganze, gut zwischen 500 und 800 meinetwegen, aber sonst nicht. Das ist ein weitläufiger Irrtum. Viele der hinterwälderichen, unzivilisierten "Sachen" die man gerne mit dem Mittelalter verbindet kamen erst in der Neuzeit auf:

  • Inquisition: ab 16. Jahrhundert.
  • Mangelnde Hygiene: 17.-18. Jahrhundert. Im Mittelalter gab es Badehäuser.

Außerdem gab es im Mittelalter Fortschritt:

  • die ersten Universitäten wurden im 11. Jahrhundert gegründet, von Italien aus breiteten die sich dann nach ganz Europa aus. Erste deutsche Univerität wurde 1346 in Prag gegründet.
  • Die Erfindung des Schwarzpulvers und vermutlich der Brille im 13. Jahrhundert durch Roger Bacon, die Naturheilkunde Hildegards von Bingen und das Falkenbuch von Friedrichs II. sind nun wirklich nicht Anzeichen für wissenschaftliche Stagnation.
  • Dass die Erde rund war, war allgemein bekannt. Und die Frage ob die Erde oder die Sonne im Mittelpunkt war wurde auch schon diskutiert. Das Symbol des Römisch-Deutschen Kaisers als Herrscher über die Welt, der Reichsapfel, war rund. Das Problem das man hatte war, wie groß der Erdumfang ist.

Dazu kommen jetzt noch einige technologische Neuerungen, die andere hier schon genannt haben im Bereich der Landwirtschaft.

Setzt dich mal mit Personen wie Roger Bacon, Albertus Magnus, Hildegard von Bingen, Kaiser Friedrich II. oder Thomas von Aquin auseinander.

Roger Bacon hat meine ich auch schon über Dampfschifffahr sinniert.

Im Übrigen lies dir das hier mal durch: http://de.wikipedia.org/wiki/Mittelalter#Popul/a>reMythenund_Missverständnisse


Vor allem einer neuesten Theorie in der Forschung nach wird im MA der Grundstein für die Kulturelle, und technologische Überlegenheit des Westens über die anderen Kulturen im 19. Jahrhundert gelegt. Wenn man sich beispielsweise den Globus im Mittelalter ansieht, hat man auf der ganzen Welt relativ gleichmäßig verteilt Hochkulturen (In Europa, haben wir das Frankenreich, das Arabische Reich und das Oströmische Reich, in Asien China, Japan, Indien, in Amerika Maya und Inka). Nimmt man den Globus um 1800 stellt der europäische Westen den Rest der Welt in den Schatten. Einer der Ursprünge stellt dieser Theorie nach der Investiturstreit im Jahr 1070 dar, weil dort erstmals die Rechte von Kaiser und Papst beschnitten wurden und althergebrachte Gesetze verändert werden. Gesetze werden aufgeschrieben und es wird klar, dass Gesetze verändert werden können. Wenn man in der selben Zeit nach Bagdad zum Kalifen gehen würde, und dem vorschlagen würde, dass man die Gesetzte ändert und die Macht des Kalifen beschränkt, würde man den Palast mit dem Kopf unter dem Arm wieder verlassen. Die Arabische Welt ist seit dem Mittelalter stagniert, das war auch wirkliche Stagnation. China und Japan ebenso. Weder der Kalif noch der Chinesische Kaiser, noch der Japanische Kaiser hätten einen derartig Machtverlust, wie ihn der Römisch-Deutsche Kaiser in Europa, derart bereitwillig hingenommen. Und wenn sich der Herrscher nicht ändern kann, wie soll sich dann eine auf alte Gesetze eingefahrene Gesellschaft ändern.

Der letzte Abschnitt enthält eine Theorie die erst in den letzten paar Jahren aufgekommen ist, von der uns unser Mediavistik Dozent in einer Vorlesung über die Salier erzählt hat. Aber dieser Theorie zufolge, wäre dieser Fortschritt, den du meinst gar nicht möglich gewesen, ohne das Mittelalter, oder zumindest ohne den Investiturstreit.

KeinenDunst  30.01.2016, 01:29

lol, ich gehe mal nur auf die Hygiene ein:

Die ersten größeren Badeanlagen fanden sich unter anderem in den Städten der Indus-Kultur (um 2500–1900 v. Chr.). InMohenjo-Daro lag ein Bad auf der „Zitadelle“ und befand sich in einem Gebäude mit einem 7 × 12 m großen und 2,4 m tiefen Becken, in das zwei Treppen hinabführten. Die Wasserversorgung erfolgte über Brunnen. Die Größe der Anlage deutet an, dass dieses Bad nicht nur der Körperreinigung, sondern wohl auch rituellen Zwecken und dem Vergnügen am Baden dienen sollte. Aber nicht nur in diesem wohl öffentlichen Gebäude fand man Badeeinrichtungen, sondern auch in vielen Häusern der Stadt, die auf ein ausgeprägtes Hygienebedürfnis der Bewohner, vielleicht aber auch auf rituelle Waschungen schließen lassen. Weitere frühe Badeanlagen sind aus dem Alten Reich des Alten Ägyptens (ca. 2700–2200 v. Chr.), aus Mari in Mesopotamien (um 2000 v. Chr.), auch aus Knossos in der Minoischen Kultur (um 2000 v. Chr.) sowie aus der Mykenischen Kultur (ab ca. 1600 v. Chr.) bekannt.

den Rest könnte ich auch noch wiederlegen mit Daten/fakten aus der Geschichte.


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karolusmagnus  01.11.2016, 13:49
@KeinenDunst

Die Tatsache, dass man bereits in antiken Hochkulturen gebadet, hat widerspricht nicht meiner Aussage, dass es im Mittelalter Badehäuser gab!

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KeinenDunst  30.01.2016, 01:41
Schenkt man dem Bericht eines Gesandten von Kalif Al-Hakam II. aus dem Jahr 973 Glauben, war es mit der mitteleuropäischen Badekultur im frühen Mittelalter nicht weit her:
„Aber du siehst nichts Schmutzigeres als sie! Sie reinigen und waschen sich nur ein- oder zweimal im Jahr mit kaltem Wasser. Ihre Kleider aber waschen sie nicht, nachdem sie sie angezogen haben, bis dass sie in Lumpen zerfallen.“
– (Zitat aus Otto Borst, Alltagsleben im Mittelalter, Frankfurt/M. 1983)

Der einflussreiche KirchenlehrerAugustinus erklärte, ein Bad pro Monat sei gerade noch mit dem christlichen Glauben zu vereinbaren. Mönche sollten am besten überhaupt nur vor Ostern und Weihnachten in die Wanne steigen.



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karolusmagnus  01.11.2016, 14:00
@KeinenDunst

Wenn du den Rest des Wikipediaartikels gelesen hast, aus dem du dein Zitat offensichtlich hast (https://de.wikipedia.org/wiki/Badekultur#Mittelalter), solltest du auch folgende Textpassagen gelesen haben:

Von Karl dem Großen wird jedenfalls berichtet, dass er nicht nur häufig gebadet hat (u. a. in den warmen Schwefelquellen in Aachen), sondern auch ein guter Schwimmer war. Das Schwimmen gehörte im Mittelalter zu den sieben „ritterlichen Fertigkeiten“. Die meisten Adelssitze dürften durchaus Badeeinrichtungen besessen haben, die Klöster dagegen nicht immer.

In Mitteleuropa entstanden im Gefolge der Kreuzzüge im Hochmittelalter Badestuben, in denen zwar offiziell Geschlechtertrennung galt, in der Praxis aber meistens gemischt gebadet wurde, und zwar im selben Becken.

Das Zitat erklärt auch weshalb Badestuben nicht so gerne von der Kirche gesehen wurden. Mann und Frau, die nicht verheiratet einander bei einem feuchtfröhlichen Vergnügen begegnen?

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KeinenDunst  30.01.2016, 01:52

Wo die Geschichte der Sauna tatsächlich begann, weiß man heute nicht so genau. In ganz unterschiedlichen Kulturen wusste man schon früh, wie wohltuend Hitzebäder für Geist und Körper sind. Archäologen fanden heraus, dass die Menschen bereits in der Steinzeit Erdlöcher mit heißen Steinen erwärmten und dann Wasser aufgossen. Entsprechende Funde entdeckte man unter anderem in Ostasien. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass sich die Schwitzbad-Kultur von dort ausbreitete – die Inuit, aber auch Indianer auf dem ganzen amerikanischen Kontinent praktizieren vergleichbare Traditionen von alters her bis heute. Der erste schriftliche Beleg ist immerhin auch schon zweieinhalb tausend Jahre alt.

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karolusmagnus  01.11.2016, 14:02
@KeinenDunst

Hier sehe ich widerum nicht in wie fern dies für meine Argumentation, dass das europäische Mittelalter ganzheitlich betrachtet nicht so finster ist, wie es gemeinhin angenommen wird, überhaupt relevant ist.

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Ich hatte immer so den Eindruck, dass die frühe Neuzeit wesentlich finsterer war als das Mittelalter selbst. In populärwissenschaftlichen Publikationen wird das oft durcheinander geworfen und nicht auf die wissenschaftliche Einteilung geachtet.

Daher wirst du keine wissenschaftlichen Untersuchungen über das Fehlen des "finsteren Mittelalters" finden. ;-)

Naja - naturwissenschaftlich und in der Technik war das Mittelalter ja , halt Mittelalter....

Wenn man sich manche Dinge so Überlegt, war es aber in vielen Belangen bei weitem nicht so Finster wie die frühe Neuzeit.

Heute haben wir den Menschen des Mittelalters auch nur die Technik vorraus - manche Dinge die wir heute so hoch halten, sind aber auch mehr Schein als Sein...

Wir hätten die kulturellen und wissenschaftlichen Errungenschaften des römischen Reiches beibehalten und würden 700-800 Jahre früher unsere Lebensgrundlagen auf diesem Planeten zerstört haben und aussterben.

Die Völkerwanderung und das darauf folgende unwissende Mittelalter mit seinen Seuchen, Kriegen und Hunger hat überhaupt ermöglichst, das wir Menschen in Europa heute so gut leben können!
Ohne das Mittelalter wäre schon vor ca. 400 Jahren die Erde total überbevölkert gewesen, allerdings ohne die wissenschaftlichen und landwirtschaftlichen Errungenschaften, die es heute rmöglichen, derart viele Menschen zu ernähren.
Die Erde kann ohne unsere weitentwickelten Techniken maximal 2,5 Milliarden Menschen ernähren - wir ernährend aktuell etwa 7 Milliarden ( der Rest hungert ).