Wie schützen sich die Menschen im Kalten Krieg vor der Radioaktivität?

12 Antworten

Das war alles ultimativ lächerlich, ich war dabei:

Eines Tages ist der Lehrer in die Klasse gekommen und hat gesagt wir üben jetzt Atomangriff. Dann mussten wir uns unter die Tische verkriechen und unsere Schultaschen auf den Kopf legen. Dann hat er gesagt, dass nach dem Atomangriff jeder Jodtabletten in der Apotheke kostenlos bekommt. Ich war damals so ungefähr dreizehn und hab mir in dem jugendlichen Alter schon gedacht, dass die alle völlig bekloppt sind und im Grunde planlos, und nur der Glaube an Gottes Ewigkeit uns helfen wird im Ernstfall.

Wer sich ein neues Haus gebaut hat, hat oft vom örtlichen Bauunternehmen angeboten bekommen, den Keller mit dickeren Mauern zum Bunker zu machen. Das haben einige getan, aber da hat man weder an die Lüftung noch an die Wasserversorgung gedacht.

Zu der Zeit flogen auch ständig Tiefflieger über unser Dorf. Die haben dann, wenn sie richtig schnell wurden einmal, manchmal auch zweimal so einen lauten Knall verursacht, der die Tiere verstört hat.

Die Amis sind mit Panzern rumgefahren, und haben die Straßen versaut, und die Brücke über den Bach zerstört, aber nicht beim Reparieren geholfen.

Ein paar Wochen durften nicht mehr im Feld oder im Wald spielen, weil sich da Soldaten herumgetrieben haben wegen Übungen und unsere Mütter Angst um uns hatten.

Es gab auch so Infobroschüren, die waren total schräg und nutzlos.

Damals hab ich begriffen, dass es kommt, wie es kommt. Man macht sich nur kaputt, wenn man über Sachen nachdenkt, vor denen man sich ohnehin nicht schützen kann.

Zeitungspapier kleben ist mir nicht aus dem Kalten Krieg bekannt, das hat man eher im Krieg gemacht bei Luftalarm, damit die Flieger die Gebäude nicht so einfach treffen. Damals ist ja noch manuell navigiert worden, auf Sicht geflogen.


SturerEsel  20.05.2022, 07:43

Bei mir war es fast genauso. Dazu noch dieses große amerikanische Aufklärungsflugzeug, die schwarze Lockheed, die in großer Höhe mit Überschall flog. Da gab's jeden Tag diesen Knall. Man hatte sich daran gewöhnt.

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heikemargret  20.05.2022, 08:13
@SturerEsel

boo boooomm ich kann es heute noch hören, wenn ich dran denke. Blöd nur, dass die nie pünktlich waren, und zu verschiedenen Zeiten geflogen sind. Da konntest du noch nicht mal die Tiere vernünftig anbinden vorher.

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Was für ein Quatsch! Wir waren damals und sind heute noch realistisch! Wenn es zu einem Atomkrieg käme ist das das Ende der Menschheit, da muss man sich nicht vor Strahlung schützen. Jeder hofft, dass er mit der Explosion vorbei ist. Denn wer die überlebt... Wie hieß es damals (und heute): "Die Lebenden werden die Toten beneiden."

Die Leute machen sich über diese Zivilschutz-Informationen lustig (https://en.wikipedia.org/wiki/Protect_and_Survive) aber der Fakt ist, dass die darin beschriebenen Maßnahmen von Wissenschaftlern stammten, welche die Effekte von Atomwaffen intensiv studiert hatten und durchaus wussten, wovon sie reden. Sich unter den Schultisch zu ducken wird einem natürlich nichts nützen, wenn sich die Explosion so nah ereignet, dass die Druckwelle das ganze Schulgebäude abräumt. Aber dann hat man eh keine Chance. Doch es würden natürlich erheblich mehr Opfer von der unmittelbaren Explosion verletzt als direkt getötet. Das ist schon einfach durch die Geometrie gegeben, weil man in größerem Umkreis verletzt werden kann und sich in diesem größeren Umkreis mehr Personen aufhalten. Und diesen weiter entfernten Leuten, die eine potentiell bessere Chance haben, kann der "duck & cover"-Drill eine ganze Menge bringen. Man hat es erst vor wenigen Jahren bei dem Meteoriten in Tscheljabinsk wieder gesehen. Die Leute sahen erst einen hellen Lichtblitz, dann gingen sie alle ans Fenster, um zu gaffen, und dann kam die Druckwelle, schlug die Fenster ein und das Ende vom Lied waren zichtausende durch Duck & Cover leicht vermeidbare Opfer mit Schnittverletzungen und kaputten Augen durch Glassplitter.

Allerdings wurden ab den 1950er Jahren dann schwere Fusionswaffen eingeführt ("Wasserstoffbomben"), und das waren in der Regel zugleich schwere radiologische Waffen, die zichtausende von Quadratkilometern mit tödlichem Fallout überzogen wie der Castle-Bravo-Atomtest, weil der größte Teil der extrem gesteigerten Sprengkraft nämlich nicht direkt aus relativ "sauberen" Fusionsreaktionen stammte, sondern aus den mittelbar durch deren Neutronenflut gewonnenen "fast fission" eines Mantels aus abgereichertem Uran. Und dieser Prozess setzte nun mal unendliche Massen extrem radioaktiver Spaltprodukte frei. Da nützt es dann halt nicht viel, der einen oder anderen Schnittwunde oder Verbrennung zu entgehen, wenn man anschließend keinen Fallout-Bunker hat und sich in den folgenden Tagen oder Wochen im Freien oder in einem Haus mit abgedecktem Dach und zerbrochenen Fenstern eine tödliche akute Strahlenvergiftung zuzieht.

https://www.youtube.com/watch?v=NLtTMbWPbXY

Ich weiß nicht, in welchen Zivilschutz-Publikationen Zeitungspapier erwähnt wird und was man damit eigentlich tun sollte (Behelfs-Klopapier im Bunker?) aber die entsprechenden Broschüren sind online abrufbar, da kannst du ja einfach mal nachschauen.

Da der Kalten Krieg nicht heiß wurde war ein Schutz vor Radioaktivität nicht notwendig!

Allerdings gab es Verhaltensbroschüren und Filme bei einem Atomangriff mit zum Teil skurrilen Ansagen.


SturerEsel  20.05.2022, 07:44

Duck and cover...! Ohrwurm.

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Die haben allerhand probiert, außer einer dicken Stahlbeton- oder Bleiverkleidung bringt das alles kaum bis nichts.

Wahrscheinlich war Tinte damals bleihaltig und man hat gehofft, dass mit nassem Papier zumindest etwas abgehalten werden würde.