Wie nennt man das?
Ich habe früher immer gedacht “ Aber du bist doch ein Autist dich kann man nicht lieben und du wirst nie genug sein können “. Ich dachte das man Autisten nicht lieben könnte, weil es sind ja Autisten. Also wie die Nazis es von den Juden dachten, nur das ist selbst Autist bin. Wie nennt man das? Ist das schon rechts ?
Ich weiß selbst das es dumm war und bin nicht stolz darauf.
4 Antworten
Der korrekte Begriff lautet hier, um genau zu sein: internalized ableism.
Das haben leider viele, die neurodivers sind und/oder behindert. Es ist nicht schwer, das zu entwickeln, da wir von klein auf beigebracht bekommen, dass anders (behindert/neurodivers) zu sein etwas Negatives ist. Dass man damit defekt, weniger wert sei. Dass man alles daran setzen müsse, seine Neurodivergenz/Behinderung zu überkomnen/kaschieren/unterdrücken. Deshalb sage ich, man kann nicht in Frieden behindert/neurodivers sein.
Es wird gesagt, man solle dagegen ankämpfen, sich nicht damit identifizieren und damit lernen viele Kinder schon früh, dass ihre Neurodivergenz/Behinderung etwas Negatives ist, was von vielen nur "akzeptiert" werden wird, solange sie aktiv ihre gesamte Energie darin hineinstecken, besagte Neurodivergenz/Behinderung zu überkommen/kaschieren/unterdrücken.
Was selbstverständlich alles nicht stimmt bzw. totaler Blödsinn ist.
Aber so kann eben unter anderem internalized ableism entstehen. Ich würde sogar behaupten, die Anzahl an Autisten, die darunter leiden/litten ist deutlich größer, als die, die noch nie damit zu kämpfen hatten.
Ich selbst hatte solche Gedanken früher auch gehabt (primär als ich 12-20 war) und manchmal kommen sie auch heute noch hoch. Ist halt ein schwerer Prozess.
Internalized ableism bedeutet ja wortwörtlich, dass du den Ableismus verinnerlichst und damit gegen dich selbst anwendest. Du hegst somit also selber ableistische Ansichten gegen dich selbst. Während ableism (bzw. Ableismus/Behindertenfeindlichkeit) bedeutet, dass dies von außen kommt.
Und da Ableismus meist sehr schwer zu erkennen ist (insbesondere für Außenstehende, aber selbst für Betroffene direkt manchmal), ist es auch alles andere als leicht, gegen internalized ableism vorzugehen.
Ein weiteres Mindset, welches Menschen mit internalized ableism auch haben können, ist z.B., zu denken, sie hätten einen Nachteilsausgleich o.Ä. nicht verdient. Dass sie sich nur anstellen und dass es nicht so schlimm sein könne. Dass sie ohne Unterstützung die selben Leistungen erbringen müssen, wie ihre neurotypischen/nicht-behinderten Mitmenschen.
Und die Tatsache, dass du nun nicht mehr so denkst, bzw. versuchst, nicht mehr so zu denken, nennt sich Selbstliebe. Zumindest würde ich es spontan darunter verbuchen.
Oh, und leider dachten die Nazis damals ebenfalls, dass wir nicht liebenswert seien. Juden, Dunkelhäutige, Homosexuelle, Transsexuelle und ja, auch Behinderte und darunter auch nicht zu wenige Autisten wurden von den Nazis damals ebenfalls ermordet.
Das ist eine traurige Realität und noch trauriger ist die Tatsache, dass wir uns tief im Inneren kein Stück von solchen kranken Ansichten distanziert haben. Die Gesellschaft tut gerne so, aber wirklich ernst meinen und auch entsprechend agieren tun die meisten nicht. Sonst könnten sehr viele Dinge auf dieser Welt und selbst hier in Deutschland gar nicht erst geschehen. (Darüber hinaus wird auch heute noch psychische und nicht selten auch körperliche Gewalt bei uns Autisten - in Therapien, z.B. ABA-Therapy - unter dem Deckmantel der scheinheiligen Hilfe gutgeheißen. Es wird gesagt, man wolle uns doch nur helfen, uns nur aufs spätere Leben vorbereiten, dabei geht es nur darum, uns zu verbiegen - Ganz egal, was die Konsequenzen auch sein mögen. Tief im Inneren, wenn wir mal wirklich zum Kern der Sache kommen, hat sich kaum etwas wirklich verändert, was das angeht. Und wie viele Menschen riskieren wortwörtlich den Tod ihrer eigenen Kinder, solange es in deren Augen auch nur einen klitzekleinen Hoffnungsschimmer gibt, der Autismus ihrer Sprösslinge können verschwinden? Zu viele. Lass mich das ganz direkt sagen: Wir Autisten dürfen nicht leben. Also klar, dürfen wir schon. Nur wir dürfen uns halt nicht zu autistisch verhalten und wir sollen alles können, was neurotypische Leute können. Ich könnte noch weiter darüber labern.)
Sich in solch einem System als behinderte/neurodiverse Person nicht selbst klein zu reden, eben nicht in diesen internalized ableism zu verfallen, ist fast schon ein Ding der Unmöglichkeit. Insbesondere in dieser kapetalistischen Gesellschaft, in der du direkt (mal direkt, mal weniger direkt oder unterbewusst) als weniger wert angesehen wirst, wenn du z.B. nicht arbeiten kannst.
Ich meine: Dieses System, beinahe die gesamte Welt, ist so ausgelegt, dass dir quasi gesagt wird "Oh, upps, an dich haben wir gar nicht gedacht, als wir X/Y/Z bauten/einführten etc. Uppsi, na ja, Pech gehabt, ne? Du bist jetzt auch nicht wichtig genug, um das mal zu ändern. Neee, du, muss ja auch net jeder nach deiner Pfeife tanzen, ne? Musste dich halt zusammenreißen."
Du bemerkst das als autistische Person halt jeden Tag, bei selbst den kleinsten Dingen. Zumindest tue ich das. Das ist halt sehr schnell keine kleine Unannehmlichkeit des Alltags mehr, sondern du bemerkst, dass niemand (leichte Übertreibung) an dich denkt, dass sich niemand (leichte Übertreibung) für dich interessiert und dass du besser nic-
Während ich das hier schreibe, geht übrigens gerade die Sirene auf dem Dach direkt nebenan los. Ja. Was für ein Zufall. Es tut weh. Wow. Mistding. Man hätte längst dafür gesorgt, dass das irgendwie leiser gemacht werden kann o.Ä. (Kein Plan, Alternativen halt, gäbe bestimmt ein paar Möglichkeiten, wenn man es ernstnehmen würde. War für die Feuerwehr/Krankenwagen. Also von daher.) So vieles wäre anders, würde man wirklich versuchen, uns Autisten (und anderen Behinderten, aber ich kann nur bei Autismus mitsprechen) zu sagen: "Wir haben auch an euch gedacht, natürlich! Ihr seid hier auch willkommen und wir würden euch gar nicht anders haben wollen". (Nicht wortwörtlich, aber du verstehst schon. Im Kern halt.)
Um meinen Satz von vorhin zu beenden: ... nicht existieren solltest.
Also ja. Internalized ableism. (Gibt auch z.B. internalized racism etc.)
Das ist ein Mangel an Selbstwertgefühl. Das haben viele. Z. B.:
- Mich kann niemand lieben. Ich bin dick.
- Mich kann niemand lieben. Ich bin hässlich.
- Mich kann niemand lieben. Ich bin dumm.
- Mich kann niemand lieben. Ich bin zu klein.
- Mich kann niemand lieben. Ich habe zu grosse Füsse.
- Mich kann niemand lieben. Ich habe keine Geschwister.
- Mich kann niemand lieben. Ich bin zu schüchtern.
- Mich kann niemand lieben. Meine Eltern sind arm.
- ...
Hätten die Nazis über Juden (und andere Menschen... ) "nur" gedacht, dass man diese nicht lieben kann, wäre das ja eher harmlos gewesen. Die haben sehr viel schlimmeres gedacht und gemacht und dein Vergleich hinkt.
Für mich klingt deine Aussage nach Selbstzweifeln und Selbsthass.
klingt wie die Stimme mancher Eltern..