Wie lief eigentlich damals ein NATO-Alarm ab?

2 Antworten

Ja, es läuft nicht alles rund auf diesem Planeten.

Ich lese Deine detaillierten Ausführungen mit allen erdenklichen Fachkürzeln und bekomme den Eindruck, dass Du wesentlich mehr wissen müsstest als meine Wenigkeit.

Jedenfalls habe ich in den 1980er Jahren nie einen Alarm mitbekommen. Wenn, dann wurde in den Medien spekuliert - etwas wirklich gewusst hat aber eigentlich nie jemand.

Mag sein, dass da auf hoher Befehlsebene mit unseren Leben gespielt wurde. Aber vielleicht ist es auch besser so, wenn wir das gar nicht erst erfahren. Denn auch das könnte wieder dazu führen, dass sich die Völker gegenseitig die Köpfe einschlagen - natürlich grundlos.

Torben50 
Fragesteller
 21.10.2017, 07:15

Hi Electrician, also was unterhalb des Bataillons passiert, ist ja mehr oder weniger bekannt. Aber wie laufenen die Vorbereitungen ab Brigade ab - das ist ja das Entscheidende. Angenommen: Satellitenaufklärung zeigt große Truppenmassierungen auf dem Gebiet der DDR. Die 1. polnische Armee hat in den Raum Neubrandenburg verlegt. Überall sirrt es und rote Lampen blinken hektisch auf - so stellt man sich das als Laie allgemein vor. Die NATO hat mehrere Alarmrotten in der Luft, auf der anderen Seite ebenfalls große MiG-Geschwader. Beide Seiten hüten sich den ersten Schuss abzugeben. Bundeskanzler Kohl sucht das Gespräch zu Honecker, doch der Osten blockt sämtliche Gesprächsbereitschaft ab (ich mach's mir einfach und mache den Warschauer Pakt einfach mal zum bösen Buben). Der BGS an der Zonengrenze ist übernervös...vereinzelt soll es bereits Schusswechsel mit DDR-Grenzern gegeben haben. Es ist nicht bekannt, ob NVA-Aufklärer bereits in das Territorium der BRD eingedrungen sind. Geht ja auch gar nicht, dazu hätten sie erst einmal die Mauer einreißen müssen, Selbstschussanlagen ausstellen und Antipersonenminen entschärfen.

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electrician  21.10.2017, 07:43
@Torben50

Hmmm...

Da habe ich nie drüber nachgedacht und ich musste das auch nicht. Ich habe den Wehrdienst verweigert und brav meine 20 Monate Ersatzdienst sinnvoll verbracht.

Hätte ich mir damals Deine Gedanken gemacht, dann wäre ich wahrscheinlich am Zivildienst vorbeigekommen und monopoly-mäßig ("gehe nicht über Los") direkt in der Klapse gelandet...

Ich weiß nicht, wofür Du die Antworten benötigst. Aber ich persönlich stelle mir solche Fragen heute nicht mehr - das ist über 30 Jahre alte Vergangenheit und heute nicht mehr relevant.

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Nomex64  21.10.2017, 08:08
@Torben50

"Es ist nicht bekannt, ob NVA-Aufklärer bereits in das Territorium der BRD eingedrungen sind. Geht ja auch gar nicht, dazu hätten sie erst einmal die Mauer einreißen müssen, Selbstschussanlagen ausstellen und Antipersonenminen entschärfen."

Bei dem Satz musste ich herzhaft lachen. Es haben sich eigentlich zu jeder Zeit Aufklärer zwischen der Grenze und dem ersten Zaun befunden, dazwischen waren ja 10-50m Abstand. Und da hat der BGS selten was mit bekommen. Es wurden genug Leute über die Grenze geschmuggelt. 

In dem Video: https://www.youtube.com/watch?v=hB1aOUlnu5Q siehst du die offenen Aktivitäten, vieles fand im Verborgenen statt.

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Torben50 
Fragesteller
 21.10.2017, 09:52
@Nomex64

Ja, das mag ja sein aber halt kein gepanzerter Spähtrupp. Gut, meine Bemerkung ist vielleicht nicht "so" clever und reflektiert zugegeben. Aber wo können dann Panzerzüge, Panzerkompanien in breiter Formation vorstoßen. Kanalsiert über die paar Grenzübergänge? Nei, ich denke, dass die Zonengrenze dann erst einmal niedergerissen oder mit Sprengladungen eingeebnet werden müsste, um mit Kampfpanzern in Bataillons-/Regimentsstärke, etc. durchzustoßen.

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Ich kann dir schildern, wie so ein Alarm bei "mir" ablief: Die Alarmierung kam irgendwann,  im oder außer Dienst. Während der dienstfreien Zeit musste ich innerhalb von 1 Stunde arbeitsfähig auf meiner Dienststelle erscheinen, dann wurde die pers. Ausrüstung verpackt, verladen, dann gab es für die Besatzungen ein Briefing, in dem der Flugbetrieb zum Auflockerungsraum geregelt wurde, dann ging es zum Flieger, und etwa 50 Hubschrauber verließen den Fliegerhorst, um sich im Gelände zu verstecken. Wenn die Verfügungsräume alle Verbindungen hergestellt hatten, und Arbeitsbereitschaft gemeldet haben, war der Alarm zuende, Dann wieder ein Briefing,  das das Rückkehren der Flugzeuge regelte, abladen, einräumen, feddisch.

Alles nur eine wilde Rödelei.

Torben50 
Fragesteller
 21.10.2017, 09:56

Hi Wiki01, besten Dank für Deine Schilderung. Natürlich bei den Heerefliegern ist das sicherlich sehr speziell. Was konnte denn ein Auflockerungsraum für die PAHs sein? Ein Waldgebiet mit vielen Lichtungen? Ich weiß nicht, wie es bei Euch mit der Gefechtsbereitschaft war? Auch eine Art Alarmrotte ständig aufgetankt und aufmunitioniert in Bereitschaft?

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Torben50 
Fragesteller
 21.10.2017, 10:50
@Torben50

Wiki01,
ich hätte da übrigens noch eine Frage bzgl. der Einsatztaktik bzw.
Waffenbedienung HOT der PAHs. Angenommen eine Rotte PAHs fliegt im Konturflug über ein Waldgebiet. Auftrag: Aufklärung und selbstständige Bekämpfung von fdl.
Spähpanzern. PAH 1 klärt einen Zug T-64 KPz auf. Frage an Rottenführer:„Hostile TANGO-64 near XY – Koordinaten – Question: engage?“ Antwort Rottenführer: „Ready to engage!“ Der Pilot konzentriert sich also darauf, in der Schwebe die Kampfposition für den „Gunner“ – den Bordschützen – zu halten. Der Bordschütze/Waffenoffizier (ich kenne die offizielle Bezeichnung nicht) behält die ganze Zeit über das Hartziel in der Optik, schaltet die Waffenanlage der HOT frei, irgendwelche grünen Lampen leuchten, Übereinstimmung bestimmter Visiermarken, HOT wird ausgelöst, Bordschütze korrigiert den Flug des HOT-Lenkflugkörpers, Einschlag – Pilot muss sofort abdrehen und ab durch die Mitte.


You Tube:

Panzerabwehrhubschrauber BO105 PAH 1 verschießt LFK HOT

und

Classix: Panzerabwehr aus der Luft - Bundeswehr

Hier ist
leider nicht zu sehen, was im Cockpit geschieht:

Halt,
hier wird es ja angegeben: Optik und Visiersteuerungsanlage – Missile Ready – der rote Knopf anscheinend zum entsichern oder abfeuern (?) – Schwarm löst sich kurz vor dem Einsatzraum, jeder Kommandant geht allein auf Jagd – Pirschflug i.d. Nähe des Stellungsraumes, 3m Höhe zum Boden – Beobachtungsposition knapp unter den Baumwipfeln, freies Schussfeld f.d. Lenkflugkörper – rote Zielmarke, „Fertigmachen zum Schuss. Linke Rampe.“ „Ziel aufgefasst!“, sofort nach der Schussabgabe in Beobachtungsposition (dachte eigentlich, der müsste bis zum Treffer i.d. Schussposition bleiben) – sichtbarer Abschuss anscheinend das kritische Element, hohe Gefährdung durch Feindaufklärung. Andere PAHs des Schwarms greifen i. Feuerkampf ein. 17 Sekunden Flug der HOT bis zum 4.000 m entfernten Ziel. HOT soll jede bekannte Panzerung durchschlagen – damals wohl noch keine Reaktivpanzerung beim Warschauer Pakt -

Sorry,
gehört nicht zum Thema, bin halt nur neugierig.

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wiki01  21.10.2017, 11:19
@Torben50

Was konnte denn ein Auflockerungsraum für die PAHs sein?

Jedes Gelände eignet sich prinzipiell als Auflockerungsraum, weil ein geübter Pilot einen PAH in jede Niesche oder Lichtung quetschen konnte, die etwa 15 Meter Platz ließ.

Auch eine Art Alarmrotte ständig aufgetankt und aufmunitioniert in Bereitschaft?

Unnötig, weil alle Luftfahrzeuge bei der BW immer vollgetankt sind. Gleich nach einem Flug wird das vom Bodenpersonal erledigt. So ist ein Flugzeug sofort einsatzfähig. Wenn es einen Alarmstart gab, war ich in weniger als 1 Minute in der Luft, mit einem nicht ganz der Vorschrift entsprechendem Anlassverfahren für die beiden Triebwerke. Aber es galt ja, den Platz verlassen zu haben, bevor die Raketen einschlagen.

Aufmunitioniert war ein PAH in der Zeit, in der ich ihn angelassen habe.

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wiki01  21.10.2017, 13:30
@Torben50

Ich kann jetzt nur schwer eine Frage finden. Was mir auffällt: Die Kampfgespräche an Bord und zwischen den PAH finden nicht in Englisch statt.

Die Annäherung an einen Stellungsraum findet natürlich so tief wie möglich statt. Dann geht der Hubschrauber in Beobachtungshöhe. Das wäre beim PAH so hoch, dass Rotor und oberer Teil des Hubschraubers aus der Deckung herausragen, beim deutschen Tiger schaut außer der kugelförmigen Optik nichts aus der Deckung, der französische Pedant muss mit dem gesamten Hubi über die Deckung, weil dessen Optik in der Nase sitzt.

Der Kommandant (das ist der links sitzende Pilot) deblockiert die Waffenanlage, meldet dies dem rechts sitzenden Piloten. Wenn der Kommandant ein bekämpfbares Ziel aufgeklärt hat, meldet er es dem Piloten. Daraufhin richtet der Pilot die Flugzeuglängsachse auf die Ziellinie aus (+- 3°), der Kommandant verbindet mit einem am Waffenarm befindlichen Schalter die Hubschrauberlängsachse fest mit der Visierlinie (Sightline on). Jetzt dreht sich der Hubschrauber ohne weitere Steuereingabe des Piloten automatisch mit der Visierlinie mit. Kurz vor der Schussabgabe hebt der Pilot den Hubschrauber soweit aus der Deckung, dass die Abschussrampe hindernisfrei ist, der Kommandant zählt den Abschuss herunter (3-2-1-Feuer) und der Pilot senkt den Hubi wieder soweit ab, dass nur die Optik über die Deckung ragt. Der Feuerknopf ist im Haltegriff ganz links am Rahmen auf der Kommandantenseite.

Nachdem die HOT explodiert ist, meldet der Pilot seinem Kommandanten, dass der Lenkdraht abgesprengt ist, der Kommandant gibt die Verbindung der Längsachse des Hubi wieder frei, und befielt in aller Regel Stellungswechel.

Die mögliche Bedrohung des PAH durch feindl. Rohrwaffen bei der Möglichkeit, auf Höchstschussweite kämpfen zu können, erachte ich als niedrig, weil keine Rohrwaffe 4 km gezielte Reichweite hat, und man davon ausgehen kann, dass ein feindl. Panzerkommandant durch seine Periskope während der Fahrt ein so kleines Ziel nicht aufklären kann. Feindliche Flugabwehrsysteme sind durch den eingebauten Radarwarner gut zu erkennen, und zu unterscheiden zwischen Rundsuch- und Zielfolgeradar. Die Idee war eben mit dem guten alten PAH, dass man mit ihm über eigenem Gebiet operiert.

Der Kampfwertsteigerung der Kampfpanzer durch Reaktivpanzerung begegnete man auf der Lenkflugkörperseite mit Tandemgefechtsköpfen, bei der der erste die Reaktivladung auslöst, und der zweite dann durch die Panzerung schlägt.

Es gab in meiner Zeit keine Panzerung, die der HOT (kampfwertgesteigert) widerstehen konnte. Reiner Panzerstahl müsste schon stärker als 80 cm sein.

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