Wie geht ihr mit prahlenden Eltern auf Elternabenden um?

4 Antworten

Von Experte paulklaus bestätigt

Mir wird mein hervorragender Klassenlehrer der 7./8. Klasse (Schuljahre 2003/04 und 2004/05) ewig in Erinnerung bleiben: Er hat mehrfach bei Elternabenden die Eltern wegen solcher und ähnlicher Sachen aus dem Zimmer "geworfen", als seien es störende Schüler. Er weiß das auch noch und redet als davon, wir haben immer noch als mal Kontakt.

Ansonsten definierten sich Eltern bei uns damals über dicke Autos (erst musste jeder nach deren Lesart den VW-Passat Kombi haben, danach den VW-Sharan ... wir hatten "nur" einen 1990er Opel Senator B 3.0i 24V, immerhin neu gekauft, und es gab Eltern die meinten, wir hätten keine Kohle wegen dem über zehn Jahre alten Auto), Urlaube der Familie, Skifahren, teure Markenkleider (ich kann mich erinnern, dass eine Mutter ca. 2001 damit prahlte, sie würde ihrem Sohn teure Jacken mit über 200 D-Mark kaufen können, im Gegenzug bedauere sie "arme Teufel", die das nicht könnten und deren Kinder), Sportarten und Erfolge ("meiner hat mehr Tennis-Erfahrung als deiner"), Musikunterricht, so was in der Art. In der Pubertät gab es ein Kräftemessen der Eltern dahingehend, welches Kind schon einen "Partner" hatte und welcher den "coolsten" Partner aus der "besten" Familie habe. Man kann sich vorstellen, wer dann der Loser war und wer der Winner, das war unschön.

Das allerdings bekam man auch in der freien Wildbahn mit, etwa beim Warten irgendwo, wenn man als Schüler wo wartete und zufällig auch die Eltern anderer in der Nähe standen und sich unterhielten.

Kommentiert habe ich so was nie, da war ich als Jugendlicher auch zu "brav" dazu und nicht so der Revoluzzer-Typ - außerdem waren bei uns zumindest die "Seriösen" so erzogen worden, Erwachsenen nicht ins Wort zu fallen und nicht mit ihnen zu reden, wenn wir nicht gefragt worden sind (Jahrgang 1990/91). Ich habe mir nur meinen Teil gedacht und fand dieses Geklemme einfach nur bescheuert.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

paulklaus  25.09.2023, 18:04

Da werden Erinnerungen (als Lehrer !) wach !!! : - (((

1
rotesand  25.09.2023, 18:14
@paulklaus

Man muss allerdings sagen - an der Grundschule (1997 bis 2001) war das alles völlig egal. Schlimm war nur die Realschule.

Im Mai hatten wir Klassentreffen und da zeigte sich eines: In meiner Abschlussklasse haben es die "coolen Stars" von damals zwar in verschiedene Industriejobs oder den Mittleren Dienst in der Verwaltung geschafft, aber ich als der damalige Larry, den auch Lehrer oft gedemütigt haben, kam mit der bezahlten Mercedes E-Klasse (kein AMG, sondern ein normaler 200er - also die zutiefst seriöse Version) - in einer gehobenen Stellung, als angesehener Bürger und Mann des öffentlichen Lebens meiner Wahlheimat, Ehrenamtler, ehemaliger Gemeinderat, früherer ehrenamtlicher Geschäftsführer einer Vereinsstiftung und Schöffe. Ich habe mit alledem nicht geprahlt, nicht groß über mich geredet, mehr zugehört und die Leute kannten meine Vita teilweise, aber ich weiß, dass ich derjenige war, auf den viele aufblickten.

Damals war ich der bildungsferne Loser, dem man seine provinzielle und einfache Herkunft anmerkte, der die angesagten Kleidungsmarken nicht mal dem Namen nach kannte, der in der Hauptsache mit der Familie oder Freunden verkehrte, der nie einen Fuß in die teuren Hotels auf den Dörfern gesetzt hatte, der nie im Ausland oder im Skiurlaub war und zur bekannten Keksmischung "Belvedere" nicht "Bell-we-der", sondern in Lautschrift "Bel-ve-de-re" gesagt hat, weil ich nicht wusste, wie man das ausspricht und alle lachten im Chor. Ich höre heute noch die beleidigenden Spottreime.

Ganz vergessen habe ich das nie; ich war der einfache Typ, der deutsche Schlager gemocht hat und lustige Kinderlieder, der gern Zeichentrickserien, Astrid Lindgren Filme und "Forsthaus Falkenau" und "Unser Charly" sah, sonntags mit dem Opa in den Wald ging und in normaler Kleidung von Aldi usw. rumlief - und die anderen waren die "Coolen" mit ihren Superfamilien mit fetten Häusern in der Siedlung am Berg über dem Kreiskrankenhaus, wo zwei neuwertige große Autos vor den Häusern standen, und wir hatten "nur" einen Opel Senator, der schon zehn Jahre alt war. Wenn wir essen gingen, dann im Kaiser oder im Grünen Baum, es gab meist Schnitzel und für mich das Kinderschnitzel, aber so oft gingen wir nicht essen, weil wir lieber daheim aßen und in der Familie waren. Die anderen gingen sonntags geschlossen in die Kirche und die coolen Supermütter bedienten dann beim Kuchenverkauf der Frauengemeinschaft und dann ging es in ein feines Restaurant, wir aßen daheim und waren nicht in der Kirche und die Frauengemeinschaft ... ich glaube, wir wussten gar nicht, dass es so was überhaupt gibt, weil es so unwichtig war.

Ich bekam immer gezeigt, dass ich provinziell und bildungsfern sei, auch von Lehrern, obwohl meine Noten gut waren. Erst ab der achten Klasse wurde ich selbstbewusster, wahrscheinlich auch durch meine erste Freundin Katja und ein paar gute Lehrer und meinen besten Kumpel, dessen Einfluss dann immer stärker wurde - aber ich habe heute den Eindruck, ich blieb mir treu.. nur zur Info ----> eben höre ich bewusst einen alten Song von Andreas Martin. Den Sänger kannte ich schon in meiner Kindheit in den 90ern und ich finde ihn immer noch gut.

Bei den Mädchen bin ich damals sehr gut angekommen, sogar bei den "Coolen", das wunderte mich immer, aber ich war halt wirklich der Typ, mit dem man immer reden konnte, keinen Dünkel hatte und niemanden wegschickte, ich war kein Angeber. Aber das war irgendwie so ambivalent, es war suspekt.

Heuer war ich beim Klassentreffen dennoch der, der was Solides aufgebaut hat und sich alle Jugendträume erfüllt hat gegen sehr rauen Wind. Und darauf war ich irgendwie fast stolz, obwohl es mir indirekt unangenehm war, weil ich immer der ganz einfache Typ von nebenan sein werde, der gern in den Wald geht.

0
paulklaus  25.09.2023, 18:31
@rotesand

1000 Dank für deine laaaange Schilderung, die ich gar nicht zur Genüge würdigen kann, zumal ich seit einem halben Jahrhundert mit Ein-Finger-Such-System tippe.

HERZLICHEN DANK !!

In unserer Abitur-Klasse (Kurse gab's noch nicht.) (1964 - die BEATLES hatten gerade HELP veröffentlicht !!) waren wir ELF (!!!) Schüler. Knapp zwei Jahrzehnte nach Kriegsende hatten die Eltern andere Sorgen als flotte Autos, obwohl zu der Zeit der schreckliche Spruch aufkam: "Haste was, biste was !"

PS: Von den elf leben noch FÜNF (oder sechs - einer "verschollen").

1

Ich kenne sowas gar nicht, lebe aber a) ziemlich ländlich und b) habe ich bisher "nur" Kita-Elternabende absolviert, da ist sowas gar nicht Thema.

Von Experte rotesand bestätigt

Die "Gefahr" bestand bei mir NIE !!! ; - ))))))))))))))))))))))))

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Kontere mit:“ Ich muss eine neue Vitrine für die Nobelpreise kaufen, die bisherige ist voll.