Wie definiert sich ein "dienstlicher" Umgangston in der Familie?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Als dienstlichen Umgangston würde ich eine Kommunikation definieren, die komplett frei von Gefühlen, Emotionen und Zuneigung ist und sich auf rein sachlicher Ebene bewegt.

Das Ziel hierbei ist meist die Abarbeitung bestimmter Pflichten und die Einhaltung von bestimmten Terminen, die nicht primär dem Spaß dienen, sondern das Ansehen mehreren sollen und der Pflichterfüllung dienen. Repräsentieren quasi.

Das Individuum wird weniger als Mensch mit persönlichen Ecken, Kanten, Wünschen und Individualität wahrgenommen, sondern eher als funktionales Rad im Gesamtgetriebe.

Hierarchien oder Patriarchen bedarf es nicht unbedingt. Der sachliche Tonfall und die Auferlegung rein sachlicher Aufgaben reichen schon aus, um ein beruflich anmutendes Klima zu erzeugen, in dem Leistung gefordert wird und weniger persönliche Emotionen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – mehrere Semester Psychologie, Erfahrung m. psychisch Kranken
rotesand 
Fragesteller
 02.12.2023, 22:39

Vielen Dank, das kommt hin.

Mir wurde neulich gesagt, dass der Umgangston bei meinem Opa im Rückblick sehr dienstlich gewesen sei - mit Herz zwar, aber sehr dienstlich.

Du hast es gut geschildert, wie der Umgangston daheim war. Und repräsentieren war ein Dauerthema, ich sage nur Sakkos, Hemden und Opel Senator.

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Rosenmary  02.12.2023, 22:43
@rotesand

Geradlinig, normiert ohne Raum für Extravaganzen, Schlendrian oder eigene Vorstellungen.

Es wird ein Auftrag erteilt, auf bestimmte Art zu leben, alle erforderlichen Mittel (Essen, Kleidung, Dach über dem Kopf, Bildung...) werden zur Verfügung gestellt und dann nach Schema F gelebt, um nach außen gut dazustehen und Erfolge zu erzielen.

Das Gegenteil davon wäre Kuscheln, tiefgehende persönliche Gespräche, Individualität und Extravaganzen respektieren usw

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rotesand 
Fragesteller
 02.12.2023, 22:54
@Rosenmary

Ja, das kommt hin. Die Mittel wurden reglementiert bzw. es war nur gut, was das Wohlgefallen fand - alles andere wurde zerredet, lächerlich gemacht oder durch Nichtbeachtung künstlich zerstört.

Der Umgangston war sehr freundlich, gefällig und höflich, aber er war sachlich, er glich dem Umgangston in einer typischen deutschen Fernsehserie der 80er. Alles war sehr sachlich.

Es gab zwar tiefgehende Gespräche, aber das war alles politisch, sachlich, gesellschaftlich; irgendwas Seriöses und Gediegenes, wo man den Ruf nicht verlieren konnte und sich Respekt erarbeitete, wenn man damit angekommen ist - man wollte "nicht protzen", aber irgendwie doch (hier mit Wissen) und hoffte, dadurch angesehener zu sein (was aber auch meist geklappt hat). Das Ansehen nach außen war enorm wichtig, es ging fast über alles andere.

Eigene Wünsche und Vorstellungen Anderer, auch in der Familie, wurden nur dann akzeptiert, wenn es nicht anders ging, zum Beispiel als ich in meiner Jugend einen eigenen, als unseriös definierten Musikgeschmack entwickelte und davon nicht abgekommen bin.

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Rosenmary  04.12.2023, 09:29

Dankeschön für den Stern. Melde mich später.

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Hallo rotesand!

Wenn in einer Familie die Verhältnisse hierarchisch sind, kann das zu einem "dienstlichen" Umgangston führen, also von oben herab und im Befehlston von den Mächtigeren zu den Schwächeren.

In anderen Familien wird es manchmal untereinander angemerkt, dass der/die andere gerade einen "dienstlichen Ton" angeschlagen habe, um der Person mitzuteilen, dass sie gerade nicht auf Augenhöhe kommuniziert, und dass das nicht in Ordnung ist.

LG

gufrastella

Da stellt sich einen nur noch die Frage =

will man eine Familie haben, mit der man normal spricht, oder braucht man zuhause einen Kasernenton?

Kenne ich nur bei Soldaten und Führungskräften - die auch Familie als Untergebene betrachten. Der Meinung sind sie hätten auch zu Hause das alleinige Kommando.

Wenn sie die Arbeit nicht in der Betriebsstätte lassen können.