Wenn man Anatta erkannt hat, ist das doch keine Ich-Störung, oder?
Weil irgendwie ... "Zum einen kann hier eine reine Störung der Ich-Umweltgrenze vorliegen, wie z. B. bei der Depersonalisation, wo sich die jeweilige Person von sich selbst entfremdet fühlt, oder einer fehlenden Fähigkeit, das eigene Ich als von der Umwelt abgegrenzt wahrzunehmen."
Wenn man erkennt/erlebt, dass das Ich eine Illusion ist, ist das dann eine Ich-Störung? O.o
4 Antworten
mendrup hat deine Frage ja schon sehr gut beantwortet.
Ich wollte noch kurz hinzufügen, dass ich "beide Seiten" aus eigener Erfahrung kenne. Also sowohl "Depersonalisations-Erfahrungen" ( in meiner Jugend ), wie auch ( später ) Erkenntnisse zu Anatta.
Das eine hat nur oberflächlich betrachtet mit dem anderen zu tun.
Das "Ich" an sich ist ja KEINE Illusion. Nur, die Annahme, dass dieses Ich beständig ist, durch nichts bedingt oder verursacht wird !
Diesen feinen, aber wichtigen Unterschied übersehen aber viele. Und, das kann dazu führen, dass die "Anatta-Lehre" in die Nähe wirklich schwerwiegender psychischer Störungen gerückt wird...
Wenn es dich interessiert, habe ich hier einen Vortrag von Yuka Nakamura, die sowohl Meditations-Lehrerin als auch Psychologin ist: "Selbst oder Nicht-Selbst ? Die Wichtigkeit einer flexiblen Sichtweise" ( 27 Minuten ):
https://www.youtube.com/watch?v=-CCv75xf7AU
Liebe Grüße: Manu
Na ja, Gegenfrage: "Wo ist eine Rose ?"
Sie entsteht, bildet Knospen, blüht auf, verblüht wieder....
Wir finden das ganz normal. Aber: wo ist "DIE ROSE" ?
Ich habe nie behauptet, dass eine Rose ein Ich besitzt oder ein Rose-sein.
Das wollte ich damit auch nicht sagen. Es war nur ein "Vergleich" zu deiner ( hypothetischen ) Frage: "Wo sollte dieses Ich denn dann sein?" = nämlich weder "nirgendwo", noch "irgendwo".
Die Frage nach dem "Ich" ist falsch gestellt. Genau wie die Frage nach der "Existenz" anderer Dinge...
Sorry, wenn meine Antwort dann "falsch rüber kam" ! Ich habe deine Antwort darauf auch erst heute morgen gelesen. Ich bin eben nicht so oft am PC...
Für die überwältigende Mehrheit ist "Anatta" ein bloßer Name/Begriff.
Hinsichtlich "unseres Ichs" unterscheiden wir die "Fessel" sakkāya-ditthi von asmi-mana, das erst auf der Arhat-Stufe schwindet.
Die im ICD aufgeführten Diagnosen haben mit geistiger Entwicklung nichts gemein.
Nein, das ist Philosophie.
Das ist ne gute Frage! Wir sehen die Medizin als Erklärungsmodell für die Wirklichkeit, dabei ist sie funktional damit beschäftigt, Probleme zu behandeln. Auch mit dem Körper-Geist-Seele Konzept kann man aus buddhistischer Sicht nicht zufrieden sein. Alles ne Frage der Definition.
Ja, aber Anatta stimmt doch. Es gibt kein Ich. Warum wird das Empfinden dessen dann als Störung und nicht als Erkenntnis eingestuft?
Weil Du bei einer Psychose z.B. keine Wahl hast. Du wirst auf eine Stufe des Erlebens gezogen, in der Du alles auf Dich beziehst. Auch wenn jemand fröhlich lacht, er würde über Dich lachen. Das ist äußerst unangenehm und absolut keine Erkenntnis an sich.
Wir sind frei von einem festen Kern und inkarnieren dennoch nach karmischen Gesetzen, doch die drei Körper sind immer präsent, da besteht kein Zweifel. Wir können nicht einen Aspekt davon herausgreifen und als Wahrheit annehmen. Nirvana ist die Frucht eines Weges. Depersonalisation kommt plötzlich über Dich, und das macht Angst. Du könntest glauben, es gäbe Dich gar nicht.
"Depersonalisation kommt plötzlich über Dich, und das macht Angst. Du könntest glauben, es gäbe Dich gar nicht."
Das ist aber genau das, was die Leute z. B. bei Meditation erfahren können. "Such in deinem Körper mal nach deinem Ich". Es gibt mich nur relativ, in Abhängigkeit zu dem Ganzen. Eigentlich müsste die Vorstellung eines autonomen Ich's die Störung sein. Hier hast du die Erfahrung des "sich nicht abgegrenzt fühlens" von der Umwelt.
Vielleicht besteht der Unterschied auch nur darin, ob einem das Ganze Angst macht und einen belastet.
Eben, es geht um geschickte Mittel, die dem jeweiligen Verständnis entsprechen. Da ist der Holzhammer nicht dabei.
Es ist unumstößlich, dass Du Schmerzen haben wirst, wenn Du versuchst, mit nem Fahrrad durch die Wand zu fahren. Da ist etwas, das es gibt. Aber die Frage ist, mit was ich mich identifiziere. So wie es keinen unveränderlichen, individuellen Kern gibt, ist die Erfahrung von Leid doch real. Und das Leid muss man an der Wurzel ausreißen. Immer der Weg der Mitte, keine Partei.
SUPER Antwort 🙏 !!!
Ich wollte ungefähr das Gleiche schon selbst antworten, hatte aber noch keine Zeit dazu...
Danke, dass du mir die "Arbeit abgenommen" hast !
"Das "Ich" an sich ist ja KEINE Illusion. Nur, die Annahme, dass dieses Ich beständig ist, durch nichts bedingt oder verursacht wird !"
Das ist aber genau das, was ein Ich ausmacht. Dass es eben nicht veränderbar ist bzw. einen festen Kern gibt. Ohne festen Kern gibt es auch kein Ich. Wo sollte dieses Ich denn dann sein?