Welches Intervall ist dissonanter?
Welcher Intervall ist dissonanter? Die große Terz (rot) oder die große Dezime (gelb)?
Die große Dezime ist zwar um eine Oktave größer als die große Terz und müsste somit minimal dissonanter sein als die große Terz, aber:
Das mathematische Verhältnis der großen Terz liegt bei 5:4 und das der großen Dezime bei 5:2 und letzteres ist ja weniger komplex, und müsste somit weniger dissonant sein.
Das Verhältnis 5:3 gibt es in Form der großem Sexte, aber ich wüsste nicht, dass irgendein Intervall, das kleiner als eine Oktave ist, das Verhältnis 5:2 hat. Ist das also so eine Art *besonderes* Intervall?
1 Antwort
Der Mathematiker Euler hat für den Konsonanzgrad von Intervallen eine Formel entwickelt, den gradus suavitatis. Den kann man für alle Intervalle angeben.
https://math-edu.de/Mathegarten/Mathe_Musik/Klassifizierung_von_Konsonanzgraden_nach_Euler.htm
Große Terz 4:5 -> kgV=20 -> G(20)=2*(2-1)+1(5-1)+1=7
Große Dezime 2:5 -> kgV=10 -> G(10)=1*(2-1)+1(5-1)+1=6
Die große Dezime ist also um einen Euler-Grad konsonanter als die große Terz.
Das Intervall, das kleiner als eine Oktave ist und das Verhältnis 5:2 hat, wirst Du nicht finden, da 5:2 größer als eine Oktave (4:2) ist.
Im Satz ist eine Dezime super häufig, wesentlich häufiger als Terz über Bass.
Beim Basso continuo ist es Standard keine Terz sondern eine Dezime zu spielen. Das brummt nicht so.
Meist du damit Akkorde?
Ich dachte eher an Zweiklänge und Melodien mit großer Dezime, wo man diesen Intervall auch klar hören kann.
Da kenn ich nur ein Stück, das eine Dezime in der Melodie hat: Im kühlen Keller sitz ich hier. Der "Keller" ist eine.
Dabei setzt du die perfekte 5:4 Terz voraus, die selten benutzt wird 🤷
Zudem ist halt die Frage- wie hat Euler seine Berechnung kontrolliert? An seinen Hörgewohnheiten. Das Problem ist offensichtlich.
Kleine Abweichungen vom idealen Verhältnis hören wir als Schwebung, aber die ändert auch nicht den Gesamteindruck vom Grad der Dissonanz, solange sie klein bleibt.
Ich finde es klasse, dass Euler die Fragestellung überhaupt mathematisch angegangen ist und das Ergebnis sogar den Erwartungen entspricht.
Das ist kein Problem, sondern das ist das Maß der Dinge, dem man mit seinem Modell gerecht werden muss. Realitäts-Check bestanden!
Dass seine Formel ein Maß für die Komplexität eines Bruches beschreibt, ist ja nicht zu bezweifeln. Nur ob dieses Maß wirklich das bestmögliche Maß ist.
Mit heutigem Verständnis von Schall und den technischen Möglichkeiten hätte ich eine Funktion wie sin(4x)+sin(5x) geplottet und mir angeschaut, wie schnörkelig sie ist. Wobei ich dann immer noch nicht sagen könnte, wie man die Schnörkeligkeit mathematisch greift: Zählt man Bäuche oder Wendestellen oder eine Abweichung von einer Idealform oder wie lange es dauert, bis eine Form wiederkehrt? Das letzte wäre dann wieder so etwas wie das kgV.
@zalto
Okay, krass. Aber hätte ich mir fast denken können. Ein 2:3 Intervall ist auch konsonanter als ein 4:3 intervall, obwohl die 4 lediglich das Doppelte von 2 ist. Aber auch das macht offensichtlich einen Unterschied.
Die große Dezime wird, glaub ich, für sich genommen sehr selten verwendet.