Welche Rolle spielten die Pharaonen in der ägyptischen Außenpolitik?

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Okay, ich gehe dann einmal davon aus, dass alle Epochen gemeint sind, in denen es einen Pharao und ein unabhängiges Ägypten gab... also grob 3000 v.u.Z bis 30 v.u.Z.

Pharao als Alleinvertreter

Als Monarch war der Pharao ohnehin schon die wichtigste Person zur Vertretung des Staates nach Außen. Er vertrat Ägypten und sprach die Herrscher anderer Großreiche (Hatti, Assur) in seiner Korrespondenz als gleichgestellte Brüder an, die Herrscher kleiner Territorien und Stadtstaaten als Diener und Söhne.

Dazu kommt, dass die Verteidigung des Landes gegen äußere Feinde explizit als heilige Aufgabe des Königs gesehen wurde, die auch einen wichtigen Teil zur Legitimation seiner Herrschaft beitrug.
Und dazu kommt noch die Tatsache, dass Fernhandel und Import wichtiger Güter oft als Staatsmonopol gehandhabt wurden: es waren vor allem staatlich organisierte Expeditionen (die dadurch nominell unter dem Befehl des Pharao standen), die in andere Länder reisten um dort Luxusgüter wie Zedernholz, Gold, Weihrauch und ähnliches einzukaufen (oder zu erpressen... die Grenze zwischen Raubzug, diplomatischer Mission und Handel waren zum Teil sehr fließend.)

Quellen

Die Quellenlage zur ägyptischen Außenpolitik ist besonders in der älteren Zeit sehr problematisch. Meistens haben wir nur die offiziellen Berichte des Pharao, wie zum Beispiel die Semna-Stele des Sesostris, die heute im Museum in Berlin steht. Und das ist halt ägyptische Propaganda und entsprechend bezüglich des Wahrheitsgehalts mit Vorsicht zu genießen. Laut der offiziellen Texte waren der Pharao und seine Armee stets den Völkern der Fremdländer weit überlegen. Einige böse Schurken leisten Widerstand, werden besiegt, der Rest fällt dem Pharao zu Füßen und bringt bereitwillig allerlei Schätze als Tribut... so läuft das laut der offiziellen Quellen. Dass die Realität oft anders aussah ist ja wohl klar...

Dagegen haben wir aus der Zeit Echnatons am Ende der 18 Dynastie einen ganz besonderen Schatz: die Amarna-Letters, eine Sammlung diplomatischer Korrespondenz in Keilschrift. Wer sich für die Außenpolitik dieser Epoche interessiert findet hier einige grandiose Details... ob sich daraus jedoch auf die Verhältnisse in anderen Epochen schließen lässt bleibt fraglich.

Realität versus Ideal

Die Rolle des Pharao als Alleinherrscher ist natürlich ein Ideal. Wie die Macht hinter den Kulissen verteilt war ist eine ganz andere Frage. Ob ein bestimmter König wirklich den nächsten Feldzug geplant, mit anderen Herrschern Briefe ausgetauscht und Handelsbeziehungen gepflegt hat, bleibt meistens unklar. Genauso gut könnte seine große Königsgemahlin die Korrespondenz führen (bei Teje gibt es darauf konkrete Hinweise), ein General kümmert sich vielleicht um die Feldzüge (zum Beispiel Horemheb unter Tutanchamun) und tüchtige Vizekönige, Verwalter und Provinzherrscher kümmern sich um den Warenaustausch, die Tributzahlungen und die Verwaltung der Grenzposten.

Also kurz: Offiziell hatte der Pharao immer die Kontrolle, aber inoffiziell konnte die Entscheidungsmacht auch bei seiner Familie oder bei den Bürokraten gelegen haben... das war bestimmt auch je nach König und Epoche unterschiedlich.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Grundstudium Ägyptologie und Geschichtswissenschaft