Was können wir mit den ca 97% unserer DNA machen, die so unschön als Junk-DNA bezeichnet wurden?
4 Antworten
Introns und andere nicht-codierende Bereiche der DNA haben mehrere wichtige Funktionen, auch wenn sie keine Proteine codieren.
Regulation der Genexpression
Sog. Enhancer oder Silencer sind nicht-codierende DNA-Sequenzen und können die Transkriptionsrate von Genen beeinflussen, indem sie als Bindungsstellen für sog. Transkriptionsfaktoren dienen. Die sorgen dafür, dass ein oder mehrere Gene mehr oder weniger häufig abgelesen werden.
Promotoren und regulatorische Elemente sind bestimmte nicht-codierende Abschnitte und steuern, wann und wie stark ein direkt benachbartes Gen abgelesen wird.
Alternatives Spleißen
Introns ermöglichen alternatives Spleißen, wodurch aus einer einzigen Gensequenz mehrere verschiedene Proteine entstehen können. Das ermöglicht viele Genprodukte aus nur einem Gen. EIn bekanntes Beispiel sind die Gene, die für die Antikörper (IgD) codieren.
Schutz vor Mutationen
Introns und andere nicht-codierende Bereiche wirken oft als Puffer gegen schädliche Mutationen, indem sie verhindern, dass Mutationen direkt in protein-codierenden Regionen auftreten. Ähnlich einem Schwarm als Schutz für das Individuum.
Evolutionäre Bedeutung
Nicht-codierende DNA enthält oft konservierte Sequenzen, die wichtige evolutionäre Funktionen haben. Einige dieser Bereiche sind essenziell für die Zellregulation und Entwicklung. Sie bieten Platz für genetische Innovationen, z. B. durch das Einfügen neuer regulatorischer Elemente oder das Entstehen neuer Gene.
Rolle in der Chromosomenstruktur und -stabilität
Telomere (die Enden der Chromosomen) bestehen aus nicht-codierender DNA und schützen die Chromosomen vor Funktionsverlust da bei jeder Zellteilung in normalen etwas DNA am Chromosomenende verloren geht.
Zentromere (wichtige Strukturen für die Zellteilung) bestehen ebenfalls aus nicht-codierender DNA.
Transposons und andere mobile Elemente
Ein großer Teil der nicht-codierenden DNA stammt von springenden Genen (Transposons), die zur genetischen Diversität beitragen und manchmal neue regulatorische Funktionen übernehmen können.
Die etwa 20.000 Gene,
lieber BrainFog,
d.h. die Bereiche des Erbguts, auf denen die direkten Baupläne für Proteine verzei-chnet sind, machen nur einen winzigen Teil des menschlichen Genoms aus. Es sind ganze 98 Prozemt der Gene, die keine Bauanleitungen für Proteine enthalten!
Lange wurden diesen 98 % der nicht-codeierten Regionen keine Funktion zuge-schrieben und man bezeichnete sie als "Junk", also "Müll" bzw. "Schrott." Inzwi-schen weiß man jedoch, dass die "Junk-DNA" wichtige Aufgaben erfüllt, etwa bei der Genregulation. Die Wissenschaft nimmt inzwischen an, dasses im Laufe unserer Evolution Veränderungen in den nicht-codierten Abschnitten, d.h. Verände-rungen der Junk-DNA, gewesen sind, die dazu beigetragen haben, uns auf einzig-artige Weise zum Menschen zu machen.
Dies deutet darauf hin, dass die Grundlage für die Evolution des menschlichen Gehirns genetische Mechanismen sind, die sehr viel komplexer sind, als bisher angenommen. Zumal die Forscher bisher den Bereich der Junk-DNA meist ausge-klammert und sich auf die proteincodeierten Gene konzentriert hatten, die etwa nur 2 Prozent unserer gesamten DNA ausmachen.
Forscher der Universität Lund, Schweden, stellten nun heraus, dass eine identifizier-te Region in der Junk-DNA bei Schimpansen deutlich länger ist, als bei Menschen. Diese längere Version schaltet bei Schimpansen ein Gen namens ZNF558 ab, das beim Menschen hingegen aktiv ist und eine wichtige Rolle für die Hirnentwicklung spielt. Unterdrücken die Forscher dieses Gen in den gezüchteten menschlichen Stammzellen, entwickeln sie sich ähnlich wie die Schimpansen-Stammzellen. Die neuen Erkenntnisse zur Junk-DNA könnten dabei helfen, zu erklären, warum einige genetisch bedingte Störungen und Krankheiten, wie z.B. psychiatrische Erkrankun-gen, nur beim Menschen vorkommen.
Forscher der Charité sowie der Universität Leeds in Großbritannien konnten erst-mals für eine Tumorerkrankung des Menschen nachweisen, dass wiederholt auf-tretende Abschnitte im Genom, sogenannte LTRs (long terminal repeats), als Krebs-treiber für das Hodgkin-Lymphom, einem Lymphdrüsenkrebs verantwortlich sind. In der Zeitschrift "Nature Medicine" vermuten sie, dass aktivierte LTRs auch bei der Entstehung anderer Krebsarten eine Rolle spielen.
Zur Junk-DNA zählen DNA-Schnipsel, die wiederholt im gesamten Genom vorkom-men und als LTRs bezeichnet werden. Vor Jahrmillionen sind sie von Retroviren zu Tausenden in das Genom des Menschen gelangt. Solche Viren haben die Fähigkeit, ihr eigenes genetisches Material in das Wirtsgenom einzubauen. Sie werden über verschiedene Vorgänge, z.B. DNA-Methylierung, jedoch in der Regel stillgelegt und richten somit keinen Schaden an.
Geht diese Kontrolle verloren, können die zuvor stummen DNA-Stücke angeschaltet werden und Gene in ihrer Nachbarschaft aktivieren, darunter prinzipiell auch solche, die Krebs auslösen. Die Forscher der Charité und der Universität Leeds haben jetzt erstmals für das Hodgkin-Lymphom, einem Lymphdrüsenkrebs beim Menschen, nachgewiesen, dass aktivierte LTRs zur Krebsentstehung beitragen können. Die Forscher wiesen nach, dass aus dem Ruder gelaufene LTRs das Gen für diesen Faktor in Hodgkin-/Reed-Sternberg-Zellen aktivieren und damit das Überleben der Kreszellen sichern.
Hodgkin-/Ree-Sternberg-Zellen sind aber nicht die einzigen Krebszellen, die mit diesem Mechanismus die normale Wachstumskontrolle unterlaufen. Hinweise auf eine Aktivierung dieser LTRs fanden die Forscher auch bei einer anderen Form von Lymphdrüsenkrebs. Außerdem konnten sie zeigen, dass in Hodgkin-Lymphomen nicht nur ein einzelnes, sondern hunderte, wenn nicht gar tausende LTRs überall im Genom aktiviert werden. Die Konsequent dieser Genom-weiten Aktivierung von LTRs ist im Augenblick noch unklar.
Die Forscher spekulieren jedoch, dass solche Aktivierungsprozesse große Auswir-kungen auf die Stabilität des Genoms von Lymphzellen haben könnten und dazu beitragen, dass Krebszellen über einen längeren Zeitraum irreversible genetische Schäden ansammeln. Solche Vorgänge könnten deshalb nach ihrer Ansicht in Zukunft für Diagnose, Verlauf und Therapie dieser unterschiedlichen Krebserkran-kungen von Bedeutung sein.
Danke für diese gute, interessante und wichtige Frage, lieber BrainFog, die ich mit Begeisterung beantwortet habe, vor allem, da sie meinen Horizont bereicherte!
Dann hoffe ich, dass eine weitere Studie der Universität Heidelberg über die winzi-gen Veränderungen im Erbgut, die sich von Generation zu Generation ansammeln, dazu beitragen, bei Dir und dem Genom der Deinen, wie es diese Studie besagt, neue Funktionen "aus dem Nichts entstehen" zu lassen und dabei helfen, Deine Gesundheit und der Deinen glücklich zu entwickeln!
In diesem Sinne, lieber BrainFog - viel Glück und alles Gute!
Mit herzlichen Grüßen!
Regilindis
Die 97% sind veraltet. Es codieren zwar nur etwa 2% der Gene für Proteine, aber der Rest ist deshalb nicht nutzlos.
- Ein Teil der restlichen Gene erfüllt regulatorische Aufgaben, sie steuern den Einsatz von codierenden Genen.
- Es gibt DNA-Sequenzen, in denen eine Mutation reicht um das Individium krank zu machen. Ein Großteil dieser Sequenzen liegt zwischen codierenden Genen. Wenn hier schon eine einzige Mutation eine Krankheit verursachen kann, kann dieser Bereich nicht nutzlos sein.
- 93% des gesamten menschlichen Erbguts werden übersetzt und damit irgendwie genutzt.
- 80% unsereres Erbguts haben nachweislich eine biochemische Funktion.
- ...
Seit der Aufstellung der Behauptung von Junk-DNA wurden Funktionen von großen Teilen dieser entdeckt. Es kann auch gut sein, dass der Mensch gar keine Junk-DNA hat und bei dem letzten Rest die Funktion einfach noch unbekannt ist.
lg
Never touch a running system. Alte Programmiererweisheit.
Vor einiger Zeit gab es Meldungen, dass ein Teil des "Schrotts" so schrottig gar nicht ist, sondern Teil einer komplexen Regulation auf RNA-Ebene, vielleichtauf Basis des alternativen Spleißens.
Also auch wenn nicht 97, sondern nur 90 % Schrott sind, wird es ein schmerzhafter Lernprozess sein, das alles genau zu indentifizieren.
Mag sein, dass die KI da in Zukunft deutliche Fortschritte bringt, aber fehlerfrei dürfte auch die nicht sein. Und dann bleibt die Frage, was erwünscht ist, und was nicht. Was ist denn mit dem Genie, das auch durch fragwürdiges Sozialverhalten glänzt?