Was hielt Mascha Kaléko selbst davon als weiblicher Kästner bezeichnet zu werden?

2 Antworten

Ich kann leider nichts zu dem konkreten Fall sagen, aber ich vermute, dass solche Vergleiche auch schon damals zu einem guten Teil Marketing waren und auch Lesern (vermeintlich?) helfen sollten, die Autorin einzuordnen.

George R. R. Martin (der Autor der Fantasy-Serie "Das Lied von Eis und Feuer", verfilmt unter dem Titel "Game of Thrones") wurde vor 20 Jahren von Time Magazine als "The American Tolkien" bezeichnet.
Zur Information derer, die sich mit Fantasy-Literatur nicht so auskennen: Martin hat mit Tolkien so ziemlich nichts gemein, außer dass sie dem Genre "Fantasy" zuzuordnen sind.
Aber für die breite Masse (im Jahre 2005) war das offensichtlich genug, um Martin den amerikanischen Tolkien zu nennen.
Dieser Titel hat Marketing-Gewicht, denn Tolkien ist nach wie vor der wahrscheinlich wichtigste oder einflussreichste Autor im Fantasygenre (und war 2005, d.h. relativ kurz nachdem alle drei Teile der Herr-der-Ringe-Filme im Kino liefen. auch Nicht-Fantasylesern ein Begriff).
Außerdem signalisiert es dem Gelegenheitsleser, dass man es hier mit einem Fantasyroman zu tun hat.

Ich vermute, dass es sich bei Kaléko / Kästner ähnlich verhält wie bei Martin / Tolkien: es wird eine (Marketing-)Information an potentielle Leser (d.h. Käufer) vermittelt.
Wie genau der jeweilige Vergleich im Detail zutrifft ist dabei zweitrangig.
In der Regel werden Größen des jeweiligen Literaturzweigs ob ihrer Signalwirkung zum Vergleich herangezogen.

Wie das ein Autor konkret auffasst, hier: Kaléko, darüber kann man natürlich nur spekulieren.
Einerseits ist der intendiert publikumswirksame Vergleich zu prominenten Vertretern der Zunft möglicherweise schmeichelhaft, andererseits mag es den einen oder die andere auch stören, wenn dieser nur dann zutrifft, wenn man sehr oberflächliche Parallelen zieht.
Das hängt sicherlich von der Sichtweise des jeweiligen Autors ab.

Natürlich kann es auf diese Frage keine gute Antwort geben. Es sei denn, es läge eine glaubhafte eindeutige Aussage von ihr dazu vor, die bisher noch nicht bekannt geworden ist.

Man versuchen, sich in sie einzufühlen, was sie mit "ja unter anderem" ausdrücken wollte und was sie nicht aussprechen wollte. Aber wissen kann man es nicht.

Thomas Mann und Gerhart Hauptmann wollten ganz gern mit Goethe verglichen werden, weil sie ganz groß von sich gedacht haben.

Kaleko wollte sicher nicht als Epigonin von Kästner aufgefasst werden; aber gemeinsam hat sie mit ihm das Unpathetische. Aber, während er frech und scharf ist, drückt sie Gefühle aus. Kästner ist geistreich, sie ist geistvoll. - Das ist freilich ziemlich platt gesagt.

Was sie aber gewiss gedacht hat: Merkt ihr etwa wirklich nicht, dass ich etwas ganz anderes sage als er? !!


Albatrosss 
Beitragsersteller
 01.02.2025, 04:45

"Es sei denn, es läge eine glaubhafte eindeutige Aussage von ihr dazu vor" Exakt das ist meine Frage, ob es eine solche gibt. Es gibt ja Briefe zu Lebzeiten nicht veröffentlichte Texte usw von ihr wäre ja nicht ausgeschlossen dass da was steht und das wer weiß also hab ich gefragt

Fontanefan  01.02.2025, 08:20
@Albatrosss

Meine Antwort erfolgte aus dem Grund, dass ich nicht glaube, dass es eine solche eindeutige Aussage geben kann, und das habe ich begründet. Unter anderem mit dem von dir zitierten "ja unter anderem". Das sollte eine Herausforderung an alle sein, die etwas Genaueres wissen, und andererseits ein Hinweis auf die möglichweise bestehende Unmöglichkeit einer Antwort, wie sie im Spruch "Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren" formuliert ist.