Warum wird in Hannover fast das reinste Hochdeutsch gesprochen, hat das mit der Geschichte zu tun?

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Bevor Hannover zum Sprachvorbild wurde, war Sächsisch (Dresden) hipp. Ja richtig gehört. Das war zu Goethes Zeiten. Aber Preußen wurde seinerzeit immer mächtiger und Sachsen war ein gehasster Feind, mit dem man Krieg führte. Es war natürlich klar dass das beste Deutsch in Preußen gesprochen wurde und sächsisch doof sein musste. 

Übrigens würde ich sehr anzweifeln, dass die Sache mit Hannover überhaupt stimmt. Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.

http://www.haz.de/Nachrichten/Kultur/Uebersicht/Nicht-das-beste-Hochdeutsch-in-Hannover

ellenna22 
Fragesteller
 17.01.2017, 08:36

vielen herzlichen Dank für deine ausführliche Antwort! Der Link, den du mir geschickt hast, hat mir sehr geholfen:) 

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STIMMT ja NICHT: Hannover hat, was die meisten Deutschen kaum glauben mögen, einen EIGENEN Dialekt: "hannöversch"! Die beiden großen Tageszeitungen veröffentlichen regelmäßig kleine Geschichten in dieser etwas seltsamen "Sprache". Ich versuche nun schriftlich darzustellen, welche Eigenheiten hier bestehen: Man s-tolpert über den s-pitzen S tein und beim A, sowie beim Ei lässt sich nur aus dem Sinnzusammenhang erkennen, was gemeint ist.Beispiel: Wenn jemand von einem Schwäön spricht, KANN es sich entweder um einen Schwan (Wasservogel) ODER ein Schwein handeln.... Da Hannoveraner höfliche Menschen sind, sprechen sie mit "Auswärtigen" natürlich hochdeutsch und NUR untereinander im Dialekt.

ellenna22 
Fragesteller
 17.01.2017, 21:20

haha, dankeschön für deine nette Antwort :)

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in Hannover ist nix verloren gegangen....

die anderen haben sich was angewöhnt ;-)

ellenna22 
Fragesteller
 15.01.2017, 17:13

ja...und warum gerade in Hannover? :)

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Yodafone  15.01.2017, 17:15
@ellenna22

die sind zu faul,einen Dialekt zu lernen...

wozu auch...funktioniert ja so auch

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ellenna22 
Fragesteller
 15.01.2017, 17:24
@Yodafone

ich dachte, es gibt einen geschichtlichen Hintergrund, denn auf jede Frage gibts ja eine Antwort. Man kann nicht bloß sagen: " funktioniert..."

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abibremer  22.01.2017, 16:34
@ellenna22

VIELLEICHT weil die Stadt geographisch ZWISCHEN den Extremen liegt: Küstendeutsch gegen die süddeutschen "Sprachkatastrophen" bairisch, württembergisch\badensisch, Ost (sächsisch) west(ruhrpöttisch)

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OlliBjoern  15.01.2017, 19:19

Es ist etwas verlorengegangen. Das Hochdeutsche ist keine Erfindung der Gegend um Hannover, es wurde dort früher ein niederdeutscher Dialekt gesprochen.

Man sieht das z.B. auf alten Fassaden (vor allem in Hameln, was zwar nicht direkt Hannover ist, doch in der Nähe liegt).

Dieser Dialekt wurde vom Hochdeutschen weitgehend verdrängt. Dennoch findet man bis heute spezielle "Hannoveraner" Ausdrücke, die es in südlichen Teilen Deutschlands so nicht gibt.

z.B. "ramenten" und "Ramenteköster"

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Hochdeutsch ist sozusagen der "Dialekt". Wir haben uns nur aus irgendeinem Grund das als "richtiges Deutsch" ausgesucht.

ellenna22 
Fragesteller
 15.01.2017, 17:19

meine Frage ist: warum richtiges Deutsch  in Hannover und nicht in einem anderen Bundesland (wie Tirol z.B.)?

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Du hast Recht: es ist etwas verlorengegangen. Das Hochdeutsche ist keine Erfindung der Gegend um Hannover, es wurde dort früher ein niederdeutscher Dialekt gesprochen.

Man sieht das z.B. auf alten Fassaden (vor allem in Hameln, was zwar nicht direkt Hannover ist, doch in der Nähe liegt). Auf dem Rattenfängerhaus steht zum Beispiel:

"ANNO 1284 AM DAGE JOHANNIS ET PAULI WAR DER 26. JUNI - DORCH EINEN PIPER MIT ALLERLEY FARVE BEKLEDET GEWESEN CXXX KINDER VERLEDET BINNEN HAMELN GEBOREN - TO CALVARIE BI DEN KOPPEN VERLOREN."

Man sieht an Wörtern wie "Piper" ("Pfeifer"), "binnen" (buten/binnen), "to" (zu), "bi" (bei) eine norddeutsche Lautung, und das Fehlen der Hochdeutschen Lautverschiebung (p > pf/f) (t > z).

"Wer sine Tunge nicht tömen kann, un Oebel red’t von Allemann, deselbe weete tau aller Frist, dat öhne min Hus versparret is."

Kein hochdeutsches "z" (Zunge, zähmen), sondern norddeutsches "t" (Tunge, tömen). Vergleiche sogar mit Schwedisch "tunga" und "sina" (seine) "min"/"mina" (mein/meine).

Fehlen der hochdeutschen Diphthonge: sine, Hus (seine, Haus), min.

Dieser Dialekt wurde vom Hochdeutschen weitgehend verdrängt. Dennoch findet man bis heute spezielle "Hannoveraner" Ausdrücke, die es in südlichen Teilen Deutschlands so nicht gibt.

z.B. "ramenten" und "Ramenteköster"

Hochdeutsch ist wohl etwas weiter östlich entstanden (z.B. Sachsen-Anhalt). Es hat vor allem durch Luthers Bibelübersetzung große Verbreitung gefunden. Hochdeutsch hat sich stark im Hannoveraner Gebiet durchgesetzt (welches ja immerhin an den Entstehungsraum des Hochdeutschen angrenzte).

OlliBjoern  15.01.2017, 19:45

Frau Wikipedia weiß noch mehr zu der modernen Geschichte:

"Die Sprachsituation änderte sich seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Oberschicht der Großstädte Hannover und Braunschweig die Schriftsprache zu einer Umgangssprache ausbaute und das Niedersächsische aufgab."

Das heißt, das Hochdeutsche ist noch gar nicht so furchtbar lange "die" Sprache Hannovers.

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ellenna22 
Fragesteller
 15.01.2017, 20:31

Lieber OlliBjoern, ich danke dir herzlich für deine ausführliche Antwort! Du hast es mir sehr schön erklärt und ich habe es endlich mal sehr gut verstanden. :) Danke nochmals 

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sauterdaniel  16.01.2017, 21:28

Aber auch in Sachsen-Anhalt ist Hochdeutsch nicht erfunden worden. Ursprünglich hat Hochdeutsch nichts anderes als Süddeutsch (Oberdeutsch) bedeutet. In Norddeutschland wurde Niederdeutsch gesprochen. Entstanden ist das Althochdeutsche und Mittelhochdeutsche in Schwaben, Bayern, Schweiz, Österreich. Diese Sprache kam zu Ende des Mittelalters nach Norddeutschland.

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OlliBjoern  18.01.2017, 22:44
@sauterdaniel

Ja ok, die Sache ist natürlich noch etwas komplizierter als ich oben (etwas vereinfachend) schrieb. Vom Wort her ist "Hochdeutsch" in der Tat "Süddeutsch". Allerdings ist natürlich auch jedem klar, dass wir unter "Hochdeutsch" weder Schwäbisch (Alemannisch) noch Bayrisch verstehen (sondern das Standarddeutsche, das im Ergebnis zahlreicher Normierungen entstand).

Es gab verschiedene "Normungsansätze" des Deutschen. Luther war ja lediglich der Startpunkt, es gab z.B. J.C. Gottscheds "Deutsche Sprachkunst" von 1748, dieser nahm das (damalige) Meißnische Obersächsisch zum Vorbild (das es heute in der damaligen Form auch nicht mehr gibt).

Diese Variante war vor allem ostmitteldeutsch und ostfränkisch geprägt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Standarddeutsch#Geschichte

Das steht unter "Normungsansätze im 17.–18. Jahrhundert"

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sauterdaniel  18.01.2017, 23:17
@OlliBjoern

Ich wollte nur verhindern, dass der Eindruck entsteht, Luther habe unsere Sprache erfunden. Und davor ... war das dunkle Mittelalter.
Aber die ursprüngliche Bedeutung von Hochdeutsch ist halt sehr interessant. Heutzutage suggeriert das Wort "Hochdeutsch" immer etwas gehobenes. Oberklasse halt. Und das niedere Volk redet breiten Dialekt. Da stecken Wertungen drin. Manche Leute sagen deshalb lieber "Standarddeutsch". Heutzutage hab ich das Gefühl, dass Hochdeutsch von den Hamburgern dominiert wird. Ich sag nur: Nöö, Jungs, nich, Tschüss, ... 

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OlliBjoern  18.01.2017, 23:46
@sauterdaniel

Klar, Luther hat das Hochdeutsch auch nicht wirklich alleine erfunden. Da es halt recht mühsam ist, die ganze Historie des Hochdeutschen hinzuschreiben (vermutlich kann man ein ganzes Buch darüber schreiben), benutzt man halt manchmal solche Vereinfachungen. :)

Ich wollte halt vor allem sagen, dass die Dialekte keine Aufspaltungen des Hochdeutschen sind, sondern dass das Hochdeutsche eine (von vielen) Varianten des Deutschen war, die standardisiert wurde, und die nachträglich über die bereits vorhandenen Dialekte "drübergelegt wurde", und die manche Dialekte z.T. ersetzt/verdrängt hat.

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