Warum sollte ich mich im Leben anstrengen?
Hi Leute,
nächste Frage:
Ich habe ein überdurchschnittlich gutes Abitur gemacht, studiere jetzt sehr erfolgreich an einer angesehenen Universität ein typisches Fach, sodass ich später mal schön viel Geld verdienen kann. Leider habe ich aber überhaupt keinen Spaß daran, in der Uni zu sitzen und mich mit langweiliger Theorie auseinanderzusetzen (liegt nicht am Fach) und vor den Prüfungen ewig Zeug lernen zu müssen, das mich gar nicht interessiert. Auch obwohl es bisweilen sehr gut läuft nicht. Die Aussicht, noch ca. die nächsten 50 Jahre von morgens bis abends hart zu arbeiten, mir von Leuten die ich nicht mag an's Bein pinkeln zu lassen und alles andere in meinem Leben vernachlässigen zu müssen, begeistert mich auch nicht gerade. Und was habe ich davon? Ich darf nach 10 Stunden Arbeit anstatt mit der Straßenbahn eventuell mal mit einer schicken teuren Limousine nach Hause fahren und schlafe nicht in einer kleinen Wohnung sondern in einem tollen Haus mit riesen Garten.
Wenn ich ganz ehrlich bin, werde ich durch Luxus eigentlich nicht viel glücklicher. Meine Eltern sind relativ wohlhabend und ich habe eigentlich immer mehr als ich bräuchte. Den größten Spaß habe ich aber immer mit Freunden und die kosten gar nichts. Auf einen schicken Urlaub irgendwo auf einer fernen Insel im teuren Hotel lege ich auch keinen Wert. Lieber fahre ich mit meinen besten Freunden in ein Ferienhaus nach Holland.
Ich werde gewissermaßen durch die Leistungs- und Erfolgsgesellschaft, die Erwartungen meiner Eltern und die eigene Gier nach Anerkennung dazu getrieben, mein ganzes Leben zu machen, was ich gar nicht will!
Viel lieber würde ich zum Beispiel irgendwo stressfrei als Eisverkäufer arbeiten und jeden Tag genug Zeit haben um machen zu können, was ich will, ohne immer höher klettern zu wollen auf der Karriereleiter.
Eigentlich hat aber fast jeder das selbe Problem wie ich. Ich kenne fast keinen Menschen, der den Mut hat sich über diese Zwänge hinwegzusetzen.
Sehe ich das ganze zu eng? Ist der klassische Weg im nachhinein vielleicht doch der bessere (ich bin ja erst gute 20 Jahre alt)? Habt ihr Motivationstipps?
Grüße
15 Antworten
Die beiden wesentlichen Zielstränge im Kleinbürgertum sind Geld-Verdienen (Arbeit) und eine präsentierbare Beziehung/ Freunde (Familie). Menschen, die sich eigene Lebenskonzepte kreieren und sich von anderen Ideen/ Vorstellungen magisch angezogen fühlen, werden häufig als "verrückt" oder "exzentrisch" misstrauisch begutacht, von einigen als Sehnsuchtsbilder (bewundernd) imitiert, um doch wieder in die ursprünglichen beiden Ziele zurückzufallen und im Kampf darum unterzugehen. Strebt man ausschließlich exzentrische Idyllen an, die sich als "erfolgreich" präsentieren lassen, wird man das wichtigste im Leben nie erhalten: man stirbt, ohne je gelebt zu haben.
Geld induziert kein Glück, keinen Sinn, hilft allerdings, in Freiheit leben zu können. Viele Menschen müssen sich in ungerechten Arbeitsverhältnissen "versklaven", von einer Arbeit zur nächsten Verpflichtung hetzen, ohne dass ihnen diese Sinn oder Freude bereitet - um materiell zu überleben. Diese verzehrt einige Menschen so sehr, dass sie sich sukzessive paralysieren lassen und sich ihr aus Sklavenverhältnissen erzieltes Geld in Betäubungsmittel wie inhaltlich billigen Soap-Serien, überteuertem Fast-Food, geistlosen Zeitschriften usw. verschwenden, um den anderen Teil ihres Lebens zu ertragen. Wiederum andere streben hohe Positionen an und fragen sich, warum sie nicht glücklich sind, wo sie doch Geld, Status und Ehre erreichten. Ebenso traurig. Die Arbeit ist wichtig und spiegelt Charaktereigenschaften des ausführenden Individuums wider. Man sollte wählen, was in einem brennt und lieber auf Status und Geld verzichten; allerdings wird man es durchaus ehren lernen, wenn man am Existenzminimum lebte. Geld bedeutet durchaus Freiheit, sollte aber nicht übermäßig verdient werden, wenn man seine Freiheit vollständig für dieses aufopferte.
Motivieren musst Du Dich selbst - in einer Studienfachwahl, die Dir Freude bereitet. Ich kann mir gar nicht vorstellen, für etwas zu lernen, was mir keine Freude bereiten würde; ich muss mich ergriffen fühlen, gut sein, um andere anstecken zu können. Du wirst Deinen Beruf kaum nutzbringend umsetzen, wenn Du Dich als leistende Maschine laufen lässt, aber nicht mit Eifer, Intensivität und v.a. Überzeugung bewegen willst. Wenn ihr wohlhabend seit, empfehle ich Dir ein Urlaubssemester mit Reisen, um Dir ein Bereich zu suchen, der Dir gefällt. Das Streben nach Arbeit hilft Dir nicht, wenn Du Dich daraunter verzehrst und womöglich am Berufsanfang unter Burnout erkrankst. Vielleicht gefällt Dir eine neue Sprache, ein Land mit anderen Mentalitäten, ein Beruf, in den Du Sinn projizieren kannst, Literatur, Kunst oder Musik ?
Man sollte sich von der Sucht lösen, anderen gefallen zu wollen, für andere zu leisten - man lebt für sich. Nur so kann man andere begeistern, anstecken; anderen helfen, Kraft für andere motivieren.
Die Aussicht, noch ca. die nächsten 50 Jahre von morgens bis abends hart zu arbeiten
Das wirst du so oder so machen müssen. Da gibt es kein Weg vorbei.
mir von Leuten die ich nicht mag an's Bein pinkeln zu lassen und alles andere in meinem Leben vernachlässigen zu müssen, begeistert mich auch nicht gerade.
Das trifft fast jedem zu. Fast alle haben "Chefs", die sie sich unterordnen müssen. Da wirst du nur schwer vorbeikommen.
Beispiele: Die Restaurants - oder so wie du es sagst, die Eisverkäufer dieser Welt - müssen sich z.B. den Finanzamt & den EFSA (die europäische Behörde für Lebensmittel) unterordnen. Auch den Kunden muss man sich zum Teil unterordnen. Die Geschäftsführer haben die Investoren, und von den "normalen" Arbeitern brauchen wir nicht zu reden.
Es geht darum: Wenn man studiert und gute Abschlüsse hat, arbeitet man später in den höheren Positionen. Da pinkelt einem genauso die Chefs ans Bein, jedoch kannst du diese an deinen Mitarbeiter weitergeben - als ein einfacher Arbeiter kann man es nicht. Noch dazu wird man weniger bezahlt.
Ausserdem gibt es weniger Uni-Absolventen auf dem Markt als die Arbeiter - die Jobs sind sicherer, und man bekommt auch schnell wieder welche, falls man doch entlassen wird.
Und stell dir nun den "Worst Case" vor: als ein Arbeiter - egal wie intelligent - ist man dumme Menschen untergeordnet, die durch das ganze Studium durchgeschummelt haben müssen, weil sie so unglaublich unterbelichtet sind. Das betrifft zwar den oberen Etagen auch, ist jedoch unwahrscheinlicher, dass einem soetwas passiert.
Ganz ehrlich: Wenn man ein Restaurant eröffnen möchte, weil man "unabhängig" sein möchte (obwohl das wie gesagt nicht ganz stimmt), braucht man Geld. Wenn man Eltern oder sonstige hat, die in dich investieren, ist es super. Aber wenn nicht, muss man selbst Geld sparen. Und das geht viel besser, wenn man mehr verdient, als es notwendig ist.
Natürlich hast du recht - Luxus, also Geld macht nicht glücklich. Aber zu wenig Geld macht unglücklich.
Wenn man eine Wohnung hat, eine Frau, ein/mehrere Kind/er, und feststellt, dass man finanziell knapp dran ist, und sich sonst nichts mehr leisten kann, und es passiert einem etwas - steckt man schon in finanzielle Schwierigkeiten. Aber dann ist es zu spät, um sich eine bessere Ausbildung und somit für bessere Bezahlung zu kümmern. da kommt man nicht mehr hinaus. Als Uni-Absolvent sollte dir das Geld genügen, um sich dieses leisten zu können.
Glücklichsein hat oft - wie auch hier - mit dem Gefühl der Sicherheit zu tun.
Wenn du es sicher nicht willst, dann ist es okey. Aber wenn du diese Entscheidung triffst, lannst du es später nur schwer ändern.
Es ist immer besser, die Möglichkeit zu haben, mehr zu verdienen und sich dann für den bescheideneren Weg zu entscheiden als dass du von Anfang an den bescheideneren Weg eingeschlagen hast und auf einmal mehr verdienen willst.
Geld sollte auch aus meiner Sicht nicht der einzige Motivationsgrund für ein Studium sein. Man sollte auch studieren, weil einem das Thema gefällt und begierig darauf ist, mehr zu erfahren.
Du hast bereits das wichtigste beantwortet, das, was im Leben wirklich wichtig ist. Die richtigen Zimmerer gehen zunächst 7 Jahre auf Wanderschaft. Sie dürfen in dieser Zeit für ihrer Arbeiten kein Geld annehmen, sondern nur für Unterkunft und Verpflegung arbeiten. Was meinst Du, haben diese Menschen über den wirklichen Sinn des Lebens mitbekommen?
Warum meinst Du, haben die Manager in den USA die Bedeutung eines Jahres Auszeit erkannt? Ich bin erst den Weg gegangen, den Du beschreibst. Wollte Karriere machen, musste aber erkennen, dass mein Gewissen stärker war als dieser Wunsch. Bin ausgestiegen. Habe zunächst versucht den wirklichen Weg zu erforschen. Wollte ihn dann verwirklichen und bin schwer auf die Nase gefallen, weil ich zu hilfsbereit bin und mich für andere aufgeopfert habe. Ich musste erkennen, dass man zunächst an sich selbst denken muss, bevor man sich anderen zuwendet, deshalb lehre ich: "Gebt nur von eurem Überfluss."
Glaube mir, ein fröhlicher Eisverkäufer wird von der Schöpfung mehr geliebt und gibt der Schöpfung mehr, als ein normiertes graues Männchen. Und was hindert Dich, wieder in die alten Gleise zurück zu kehren, wenn Du es erkennen solltest. Aber dann wirst Du es mit neuen Erfahrungen und einem neuen Blickwinkel tun. Und ich denke, dass wäre für unsere Gesellschaft sehr hilfreich.
Ich schreibe auch heute noch Bücher, mache Erfindungen und organisiere weltumspannende Dinge, aber eines lasse ich mich nicht mehr: Stressen. Nichts ist so wichtig, dass es sich zu stressen lohnt. Du weißt, ich meine diesen ungesunden Stress, den Du ja auch in Deiner Frage andeutest. - Und wenn Du diese Leichtigkeit gelernt hast, fallen Dir Dinge viel mehr zu, denn das ist es, was die Natur möchte - die Leichtigkeit (nicht zu verwechseln mit Oberflächlichkeit.
Ich glaube, Du brauchst zwei Dinge:
- Eine Auszeit, um zu Dir selbst zu kommen
- Eine Beratung, die Dir hilft, eine Lebensaufgabe zu finden, die Dich wirklich ausfüllt.
Es geht im Leben nicht darum, irrgendwas zu tun, um schön viel Geld zu verdienen, sondern darum, die eigene Berufung zu erkennen und ihr zu frönen. Das wird bestimmt nicht Eisverkäufer im Central Park sein, aber wenn Dir das vorübergehend Spaß macht...
Ich würde Dir raten, beim Arbeitsamt eine Abiturientenberatung mit Eignungstest zu machen - denn offenbar macht Dir Dein jetziges Studium keinen Spaß. Wenn Du noch ein paar Monate warten kannst, findest Du auf meinem neuen Beratungsportal Fragebögen, die Dir helfen, Deine Lebensaufgabe zu finden. http://psychotraining.beepworld.de
Du kannst mich auch gerne persönlich kontaktieren.