Warum sind Studentenverbindungen so negativ angesehen?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo,

es hängt viel von der Aktivitas ab.

Ich war in einer farbentragenden, nichtschlagenden Verbindung. Im Gegensatz zu den Vorurteilen, die grassierten, traf ich auf eine bunte Mischung von Studenten aller Fachrichtungen mit einem breiten Spektrum politischer Ansichten, die sich trotz unterschiedlicher Charaktere tolerierten und eine harmonische Gemeinschaft bildeten. Man kochte und aß gemeinsam - jeder trug etwas dazu bei, ohne daß nachgerechnet wurde, wer mehr oder wer weniger geben oder tun konnte. Studentische Traditionen wurden gepflegt, aber nicht über alles andere gestellt. Alles ging mit einem Augenzwinkern und in rheinischer Leichtigkeit vonstatten.

Niemand wurde zu etwas gezwungen, es gab keine Machtspielchen, auch nicht gegenüber Neulingen. Die Füxe wurden nicht wie Untergebene oder Diener behandelt, sondern von Gleich zu Gleich.

Ich bin schon seit Jahrzehnten Alter Herr resp. Philister und habe auch Generationen in meiner Verbindung erlebt, die die Traditionen bierernst nahmen und sich sehr konservativ gaben. Ein besonders peinliches Erlebnis war ein Landesvaterstechen in der Öffentlichkeit, das eine scharfe Rüge seitens des Philisteriums nach sich gezogen hatte und nicht mehr wiederholt wurde.

Ja, wir haben damals dem Alkohol reichlich zugesprochen - dazu hätten wir aber keine Verbindung gebraucht - doch so gut wie niemand hat sich danebenbenommen auch jenseits der Ein-Promille-Grenze und die meisten haben mit der Sauferei aufgehört und ihr Studium ordnungsgemäß abgeschlossen. Geblieben sind Erinnerungen an eine Freiheit, die heute kaum ein Student mehr erleben kann, an eine wunderbare generationenübergreifende Gemeinschaft, an Traditionen und Lieder, wie sie in der Feuerzangenbowle beschrieben sind (im Buch, nicht im Film).

Allerdings können die Strukturen, die eine Verbindung bietet, auch mißbraucht werden, wenn sie in falsche Hände geraten. Das ist bedauerlich und beschämend, aber kein Grund, Verbindungen in Bausch und Bogen zu verdammen.

Im 19. Jahrhundert waren Verbindungen übrigens Vorläufer der Demokratie und alles andere als rechts oder konservativ.

Herzliche Grüße,

Willy

Okayokay727 
Fragesteller
 27.01.2024, 14:55

Mega, das ist auch der Eindruck den ich bisher habe

1
Willy1729  27.01.2024, 15:00
@Okayokay727

Das Verbindungsleben kann Dir zu einer wunderbaren Studentenzeit verhelfen. Du darfst nur nicht vergessen, rechtzeitig vor dem Examen ernsthaft zu lernen und rechtzeitig vor der Leberzirrhose mit dem Saufen aufzuhören. Dann wird diese Zeit unvergeßlich und die schönste in Deinem Leben sein.

Vor allem: Locker bleiben und den Humor nicht vernachlässigen.

0
Willy1729  05.02.2024, 13:03

Vielen Dank für den Stern.

Willy

0

Es ist sicher falsch, alle Studentenverbindungen über einen Kamm zu scheren. Wobei ich weniger zwischen Burschenschaft und Studentenverbindung unterscheiden würde - ich denke es gibt auch "extreme" Studentenverbindungen, die keine Burschenschaften sind.

Ansonsten kommt es ganz auf den Einzelfall an.

Ein kritischer Aspekt könnte aber der Gemeinschaftsaspekt sein: Es gibt Aspekte, durch die sich eine Studentenverbindung auszeichnet, die verbindend untereinander wirkt. Gleichzeitig wird eine Abgrenzung zu anderen gezogen. Das ist etwas, was auffällt und nicht mehr so ganz in die heutige Gesellschaft passt. Wie stark der elitäre Gedanke ausgelebt wird, ist dann wieder Einzelfallabhängig. Wobei mich ein elitäres Gedankengut - also dieses "wir sind besser als andere" - immer stört, egal, ob das von Schule, Universität oder sonstiger Gruppe ausgeht.

Je nachdem, wie die Verbindung aufgebaut ist, könnte auch Hierarchisierung und Machtstrukturen eine Rolle spielen: Das Individuum könnte an seiner eigenen, freien Entfaltung gehindert werden. Manche Rituale sind sicherlich destruktiv... Auch bei manchen Trink-Spielen stellt sich dann z.B. die Frage: Wie würde jemand wahrgenommen werden, der eben kein Alkohol trinken möchte?

Und am Schluss: Dieses Konzept der Lebenslangen Verpflichtung muss man auch wollen. Natürlich, vieles was eine Studentenverbindung bietet funktioniert nur dadurch, dass sie von den alten Herren unterstützt wird.

Das kann man ja nicht an einer einzigen Verbindung festmachen, sondern daran, was im allgemeinen darüber bekannt ist.

Googel das mal - da kannst Du sehen, was es (auch heute noch) für Verbindungen gibt, mit sehr merkwürdigen Aufnahmeritualen usw. - da wundert es dann nicht mehr unbedingt, dass die Allgemeinheit davon nicht unbedingt viel hält...

Okayokay727 
Fragesteller
 27.01.2024, 14:15

Ja, absolut. Ich rede nur von meiner eigenen bisherigen Erfahrung , und diese stimmt mit dem meisten was im Internet stimmt kaum überein. Es ist so , als wäre von Anfang an eine bestimmte Agenda dahinter

1
verreisterNutzer  27.01.2024, 14:19
@Okayokay727

Na, das denke ich eher nicht, aber - vllt. nicht hier bei uns - in den USA z.B. kann man jährlich gucken, was da wieder für schwere "Unfälle" bis hin zu Todesfällen vorgekommen sind, nur auf Grund solcher Rituale pp....das kann man natürlich als "voreingenommen" betrachten, aber wie soll man es auch anders beurteilen, als durch Informationen von dritter Seite...?

1
Okayokay727 
Fragesteller
 27.01.2024, 14:36
@verreisterNutzer

ja stimmt, aber ich sag mal so. Die schwarzen Schafe sind halt am lautesten, und machen eher die Runde, auch wenn es die wenigsten sind .(mir fällt leider grad kein gutes Beispiel ein). Ich wiederhole mich. Burschenschaften neigen zu rechtsextremitäten, rassismus , Gewalt… in meiner Verbindung haben wir intern die Regel, dass man nichts mit solchen Verbindungen zu schaffen haben darf.

Ist meiner Meinung nach jetzt auch nicht schlimm, weil ich will sowieso nichts mit solchen Leuten zu tun haben.

1
verreisterNutzer  27.01.2024, 14:41
@Okayokay727

Oha, da gibt es viele Beispiele...und dank dem Internet und weil man alles in sekundenschnelle um den ganzen Erdball jagen kann...na ja, aber es "interessiert" halt auch mehr, wenn mal wieder jemand "hingerichtet" wurde, als wenn jemand etwas Gutes getan hat, "Mord und Totschlag" ist interessanter, als zu gucken, wo gerade in der letzten Wochen wieder welche Vereinigung Bäume gepflanzt hat usw....je lauter und "schlimmer" etwas ist, desto mehr Interesse weckt es...

0

In meinen Augen ist jede Art einer Verbindung, egal ob Burschenschaft, Studentenverbindung, Vereine oder auch Chöre, immer individuell zu sehen. Für mich ist es da immer wichtig hinter die Kulissen zu gucken und nicht auf die Plakate.

Ich glaube, dass die Studentenverbindungen oder Burschenschaften, egal wie sie betitelt werden, deshalb einen bitteren Ruf haben, weil es Einige darunter gibt, die versuchen mit militärischer Disziplin ein geordnetes Leben in die Gesellschaft zu bringen und unter Umständen zu Äußerungen und Mitteln greifen, die in die Minderheitendiskrimierung gehen oder sogar in Rssismus enden.

Ein Beispiel, es gibt Bewegungen, in denen nur Männer sein durfen, sollte dort jemand ein schwules Leben leben, wird er ausgeschlossen und unter Umständen sogar verachtet und in der Zukunft gemobbt. Ähnlich wie bei den Zeugen Jehovas. Ein solches Verhalten ist für mich nicht zeitgemäß und darf für mich nicht sein.

Wenn ein solches ritualisiertes Handeln und Tun in einer Bewegung stattfinden, wird das oft verallgemeinert und dann auf jegliche verbindungen gemünzt. Das ist glaube ich ein Grund dafür, dass dererlei Bewegungen einen negativen Ruf haben.