Warum können viele Wing Tsun Kämpfer nicht kämpfen?
Hallo,
ich habe jetzt schon sehr oft mitbekommen, dass Personen die Wing Tsun trainieren oft von entweder untrainierten Leuten oder durchschnittlichen Kampfsportlern verprügelt werden in einem Intensiven Sparring (von dem sie auch wussten das es Intensiv wird).
Und offenbar nicht wissen wie ein Kampf funktioniert und von dem "chaos" und der Geschwindigkeit den ein Kampf so an sich hat überrascht sind.
Aber wie kann es sein, das eine so alte Kampfsportart so unfassbar uneffektiv ist?
Vom Prinzip her muss sie ja eigentlich gut sein, sonst hätte sie es ja niemals so lange gegeben. Liegt es an den modernen Trainingsmethoden? Oder warum sind alle Wing Tsun Kämpfer gegen die ich je bekämpft habe oder gesehen habe nicht Kampfbereit?
Und ich bin nicht außerordentlich talentiert, sondern nur ein durchschnittlicher Kickboxer mit ein paar Bodenkampf Kentnissen. Übersehe ich vielleicht etwas am Wing Tsun?
Danke.
5 Antworten
Das ist eine gute Frage, die nicht ganz einfach zu beantworten ist. Also erstmal muss man festhalten dass es stimmt: Wing Chun ist absolut keine effektive Form des Nahkampfes.
Wer sich mit Kampfsituationen auskennt kann dir auch schnell sagen woran das ganze liegt.
Erstens das Offensichtlichste: Wing Chun hat keinen sportlichen Vergleich.
Das wird zwar von Praktizierenden oft als Vorteil verkauft ("Wir trainieren nicht für den Kampf nach Regeln sondern für die Straße!" und so weiter), heißt aber faktisch einfach nur das es keinen Test gibt ob das was man da eigentlich macht wirklich funktional ist. Sicher es gibt dann immer mal jemanden der dir erzählt wie er damit auf der Straße irgendeinen Gewalttäter abgewehrt hat aber 1. weißt du nicht wie viel von der Geschichte überhaupt stimmt und 2. weißt du selbst wenn auch nicht, ob das abgewehrte Gegenüber überhaupt ein brauchbarer Kontrahent war.
In Kampfkünsten mit sportlichem Wettkampf hingegen hast du den eindeutigen Beweis ob eine Technik gegen ein gut trainiertes Gegenüber anwendbar ist oder eben nicht.
Das ist grundsätzlich ein Problem von vielen traditionellen Kampfkünsten. Aber speziell bei Wing Chun kommt noch was anderes hinzu. Wing Chun sieht aus, als hätte jemand versucht auf Basis realer Kampftechniken das am wenigsten nützliche System zu entwickeln das möglich ist. Striking Stile unterliegen fast immer gegen Grappling Stile was zum Großteil darauf zurückzuführen ist, dass es in der Nächstdistanz kaum möglich ist effektiv zu schlagen. Wing Chun allerdings fokussiert sich sehr auf die Nächstdistanz, besteht aber fast ausschließlich aus Striking Elementen. Das ist so in der Praxis kaum umsetzbar. Während also Stile wie Aikido sich zwar drastisch ändern würden wenn man realen Kampf trainieren würde (Es würde dann wohl dem Judo oder Griechisch-römischen Ringen ähneln) aber im Kern noch erkennbar wäre, müsste Wing Chun quasi all seine Kernprinzipien auflösen um zu einem effektiven System zu werden und würde dann eher dem Kickboxen ähneln.
https://www.youtube.com/watch?v=-YJBqU-ygvs&t=98s
Dieses Video auf dem einer der bedeutendsten Wing Chun Meister Chinas gegen einen einarmigen Boxer kämpft, verdeutlicht noch einmal was ich meine.
Aber wie kann es sein, das eine so alte Kampfsportart so unfassbar uneffektiv ist?
Vom Prinzip her muss sie ja eigentlich gut sein, sonst hätte sie es ja niemals so lange gegeben.
Die Frage ist schwieriger zu beantworten, weil die meisten Menschen eine völlig falsche Vorstellung davon haben, was eine "alte" Kampfkunst ist.
Ich verdeutliche das mal anhand der "ältesten" uns bekannten Kampfkunst dem Ringen:
Wir haben Jahrtausende alte Überlieferungen von Ringkämpfen auf der ganzen Welt. Die ältesten stammen meines Wissens nach aus dem alten Ägypten, dann kamen China, Indien und Griechenland usw. quasi jede Kultur kennt irgendeine Art von Ringkampf. Allerdings hatten diese Kämpfe in der Regel völlig andere Regeln als die Ringkämpfe die wir heute kennen. Sprich: Sie ähnelten einfach nur dem was wir heute als Ringen kennen, also sind wir uns sicher das Ringen der älteste Kampfsport der Welt ist. Wenn wir aber nur die Ähnlichkeit und die Prinzipien des Kampfstils zu Grunde legen, müssten wir konsequenter Weise feststellen, dass auch Affen und tatsächlich fast jedes andere Wirbeltier eine Art "Ringen" betreibt. Demnach müsste Ringen also mehrere hundert millionen Jahre alt sein, weil du es auf den letzten gemeinsamen Vorfahren aller Wirbeltiere zurückführen müsstest.
Das gleiche trifft auf andere Kampfkünste zu. Kampfkünste werden immer auf das entsprechende Regelwerk optimiert. Mittlerweile helfen uns dabei vor allem Videoaufnahmen von Kämpfen, die wir auswerten können. Und wenn es. wie im Falle von Wing Chun, kein Regelwerk gibt? Dann ist stille Post angesagt. Jeder der es erlernt ändert das was er macht so ab, dass es gerade zu seinen Bedürfnissen passt und fehlende Dokumentationsmöglichkeiten der Vergangenheit tun ihr übriges um eine Vereinheitlichung des Kampfstils unmöglich zu machen.
Kurzgesagt gibt es keine wirklich uralten Kampfkünste. Das Kung Fu das du heute lernst hat kaum etwas mit dem Kung Fu zu tun das antike Kriegermönche genutzt haben, ebenso wie das Jiu Jitsu das du heute lernst wenig mit dem Jiu Jitsu feudaler Samurai zu tun hat. Menschen werden heute viel größer und stärker als zu der Zeit in der diese Kampfkünste entstanden sind, was das Aufbringen von anderen Kräften im Kampf ermöglicht. Moderne Kriegsführung hat Kampfkunst als solche im Militär irrelevant gemacht durch die Entwicklung hochtechnologisierter Waffen.
Wenn Wing Chun also tatsächlich schon vor Jahrhunderten betrieben wurde, hat das was du heute siehst naturgegebener Maßen nichts mit diesem antiken Wing Chun gemeinsam außer dem Namen.
Aber wie kann es sein, das eine so alte Kampfsportart
Wing Tsun ist - anders als z. B. Boxen oder Kickboxen - kein Kampfsport.
Alex
Ist Kampfkunst generell nicht fürs tatsächliche Kämpfen ohne regeln gedacht?
Nein. Bei Kampfkünste geht es darum, sich vor einem feindlichen Angriff zu schützen. Die effektivste Methode dafür ist zum Beispiel, einem Konflikt aus dem Weg zu gehen, also die Flucht.
Wing Chun ist nicht dafür gedacht, einen 10-Runden-Kampf zu absolvieren..
Wie kommst Du zu der Ansicht? Machst Du WT und kannst mitreden, oder ist das nur "hörensagen" weil Du das Wunschdenken Anderer aufnimmst?
Ich bin aufgrund der Aussage sicher, das Du noch nie einen WT-Kämpfer in voller Aktion gesehen hast.
Ich habe gegen 3 unterschiedliche gekämpft mit sehr wenig Regeln und mit MMA Handschuhen und Ellbogenschonern, damit die auch greifen können und voll durchziehen mit Ellbogen. Da ist mir aufgefallen, das die nicht mit echtem Kampfdruck klar kommen und die Versuche Techniken zu machen nicht geklappt haben. Alle drei betreiben seit mehreren Jahren WT, deshalb die Frage. Wie stehst du dazu?
Ich finde es sehr eigenartig das es immer solche "Wertungen" gibt. Du kannst beurteilen was die 3 (von Hunderten) wann, wie und bei wem gelernt haben. Und Sparring ist nett, hat aber mit der Realität nichts zu tun wenn es um Leib und Leben geht.
Ich lese hier immer wieder das z.B. Karate nichts taugt..... Da ich mehrfach, auf der Strasse (nicht im Turnier) mich wehren musste, kann ich das nicht bestätigen. Und bei WT ist das nicht anders. Ich kenne gute WT-Kämpfer vor denen ich Respekt habe, denn die wissen genau was sie können.
Zudem mag ich solche Kämpfe als, sorry dafür:"Schwanzvergleich", nicht.
Es geht um Selbstfindung, Respekt, Achtung und nicht um "Wer haut wen am besten um.... "
Der Grund dafür, warum es solche Kämpfe gibt, ist weil Kämpfen und Adrenalin einfach Spaß macht, es geht nicht darum zu gucken wer den größeren Lümmel hat xD. Kombinationen reinbringen, Gegner lesen, ausweichen etc. machen einfach unfassbar viel Spaß und das Gefühl was dabei entsteht ist einf geil.
Ansichts- und Geschmacksache. Ich brauche das nicht......
Also ich lernte jahrelang Wing Tsun und ich kanns nicht bestätigen.
In meiner Vergangenheit vorallem in der jugend gab es viel gewalt in meinem Leben. Also in Straßenkämpfen war ich sehr erfahren. Auch gegen mehrere usw.
Und dann kam ich eben ins Wing Tsun. Teilweise auch um mich unter kontrolle zu halten. Das lernt man dort eben auch. "Der beste Kampf ist der, der nie stattfindet" war einer der lieblingssätze meines Trainers.
Dennoch. Im Wing Tsun lernst du fähigkeiten wie du einen Kampf EXTREM schnell beenden kannst wenn du es richtig anwendest.
Für ein Sparring ungeeignet. Da man mit diesen Techniken den gegner einfach schnell ausknockt und das auch böse enden kann.
Diese Dinge sind aber auch nur für den ABSOLUTEN ernstfall und eben nicht fürs Sparring.
Die Konter die du dort lernst können ziemlich schnell zerstören. Wie gesagt wenn sie richtig angewendet werden.
Ungefährlich ist diese Kampfkunst keinesfalls. Aber wie ich sagte. Die gesamte Philosophie dahinter verbietet einen ernsten kampf quasi wenn es NICHT um eine bedrohliche Situation geht.
Und sorry, aber Sparring ist eben keine Lebensgefahr.
Kein Thema.
Ich betone es aber nochmal. Es KANN extrem gefährlich sein. Nur wendet man diese Techniken im grunde niemals an.
Die sind einfach zum vernichten da falls es mal nötig sein sollte. Und da gibts wirklich einige.
Im Ernstfall stirbt das gegenüber wenn es frontal aufs gesicht zuschlägt und seinen eigenen Hals nicht schützt.
Nur um mal einen Konter zu nennen der sehr SCHNELL geht und eben super gefährlich ist.
Ich habe noch eine Frage zum WT. Ich habe selbst auch mal 3 Probetrainings gemacht und mir ist aufgefallen, das es keinen Kontakt gab, nicht mal leichtkontakt. Daher jetzt meine Frage: Glaubst du, dass ein WT Kämpfer, die von dir genannte Techniken wirklich in einer Extremsituation umsetzten kann, wenn er nie den echten Druck und die Angst von einem Kampf erfahren hat? Ich persönlich glaube, das nicht der Styl das problem ist, sondern die Trainingsmethoden, denn keiner von den WT Kämpfern mit denen ich ein ohne Regeln Sparring gemacht habe mit MMA Handschuhen, Ellbogen-Schienbeinschoner ist mit Druck klar gekommen und damit ins Gesicht getroffen zu werden und direkt danach low kicks, knie etc. Also zusammengefasst, Druck. Wie siehst du das?
Bei den "normalen" Schülern kannst du da recht haben.
Viele damals im unterricht haben NIE wirklich gekämpft in ihrem Leben.
Ich war da durch meine Straßenkämpfe ein ganz anderes Kaliber.
Deswegen hat der Trainer auch oft genug nur mit mir trainiert. Ist länger geblieben usw.
Also es kommt stark drauf an. Jemand der aber wing Tsun kann UND das richtige Kämpfen kennt. Ist quasi immer bewaffnet.
Diese Moves sind nicht zum kampf gewinnen da, sondern um SCHNELL den kampf zu beenden.
Wie gesagt. In einem Schaukampf oder sparring oder sogar im Ring kaum anzuwenden.
Aber wenn jemand draußen auf mich losgeht... naja dann lande ich vermutlich im knast wenn ich wirklich kämpfen muss.
Schade das es kein Vollkontakt Wing Tsun gibt, hätte das dann aufjedenfall mal ein paar Jährchen gemacht. Wäre schön wenn es WT mal im Vollkontakt gibt und man das so wie bei KUDO mit stark ausgeprägten Kopf und Halsschonern etc. löst. Denke dann hat WT ernormes potenzial.
Naja, mein trainer hat genau so mit mir trainiert wenn wir eben zu zweit waren.
Aber das ist nix für den normalen unterricht. Da ging man gerne mal mit übelsten schmerzen nach hause.
Wird aber schwer sein da einen Trainer wie meinen zu finden. Was er mir beibrachte war sicher nicht alles "legal" und ich bin mir auch nicht sicher ob davon wirklich alles 100% aus dem Wing Tsun kommt.
Gut möglich das er da bisschen gemischt hat.
https://youtu.be/upwyWKzozII?si=NHrOPVa0DNhuAHj-&t=60
Hier ist natürlich aus nem Film aber achte mal drauf wie quasi ALLES ein gegenangriff ist.
So ist Wing Tsun wenn es richtig angewendet wird. Jeder angriff des gegner tut IHM weh.
Gibt es überhaupt Offensive im Wing Tsun oder ist das nen purer Counter Striking Styl?
Grundlegend purer Konter.
Die Philosophie ist ja das DU nicht angreifen willst.
Es gibt höchstens mal angriffsphasen unmittelbar nach einem konter oder eventuell auch während dem angriff des anderen.
Eben zeitgleich.
Deswegen ist es alleinstehend vielleicht eben auch nicht das beste. Ich kenne halt auch den angriff zu gut.
Kombiniert man beides gehts ab wie Sau^^
Jede traditionelle, fernöstliche "Kampfkunst" war eher Religion als Sport. Und jede davon steckt voll mit Regeln. Es gibt welche, bei denen es keine Beinarbeit, bei anderen keine Schläge, sondern nur Würfe gibt + Aikido ist praktisch nur ausweichen.
Ist Kampfkunst generell nicht fürs tatsächliche Kämpfen ohne regeln gedacht?