Warum ist das deutsche Schulsystem so einfach?
Hallo.
Ich habe ein paar Fragen zum deutschen Schulsystem. Ich als selbst fauler Schüler werde mit noch mehr Schülern konfrontiert, die sich über mehrere Klassenarbeiten in einer Woche aufregen, da — gerade die schlechteren — dafür den ganzen Tag lernen müssen. Trotzdem haben wir relativ wenige Hausaufgaben und fast nie größere Projekte — wie Referate —, die so viel Zeit in Anspruch nehmen können, dass wir nicht rechtzeitig ins Bett gehen können. (Man kann sich nämlich trotz Vereinen etc. immer gut einplanen.) Das verbindet uns.
Man muss noch dazu sagen, dass ich in die 10. Klasse eines (eigtl. Elite-)Gymnasiums in Baden-Württemberg (angeblich ein schwieriges Bundesland) gehe.
1. Gerade im asiatischen Raum (als Beispiel sei hier Kasachstan genannt) werden — v. a. Schüler(-innen) von sogenannten IB-Schulen (International Baccalaureate) — mit so vielen Projekten konfrontiert, dass sie gar keine Zeit mehr für sich haben. Dies beinhaltet vor allem Essays und andere Hausarbeiten, die professionell zu Hause am Computer angefertigt werden müssen. Hier in Deutschland wissen wir (zumindest ich und meine Klasse) nicht einmal, was ein Essay ist (ja!). Warum ist das so? Jetzt werden wir mit 15 Jahren zum ersten Mal einen wissenschaftlichen Bericht verfassen müssen und der nächste kommt dann bestimmt wieder nach einer Ewigkeit. Und wie würden eigentlich die Betroffenen — gerade die Eltern — darauf reagieren, wenn ihre Kinder bis tief in die Nacht wachbleiben müssten, um Sachen für die Schule zu erledigen? Das gäbe bestimmt einen Riesen-Aufstand oder? Wieso protestiert man in solchen asiatischen Ländern nicht und weshalb muss dieser einzige Weg für Leute, die in diesen Staaten geboren sind, eine Universität in anderen, besseren Ländern zu besuchen, so schwer sein? Hier besuchen doch die größten Deppen die Uni.
2. In Polen z. B. wird von der Regierung ein Plan mit (meist ~5) Pflichtlektüren für jedes Schuljahr vorgegeben, z. T. mit sehr gehobenen, philosophischen Werken. Dazu kommt des Öfteren noch eine persönliche Auswahl des Lehrers an fakultativen Lektüren, die allesamt zu Hause gelesen werden müssen, da auch Klassenarbeiten über diese geschrieben werden. Hier lesen wir eine, vielleicht zwei Lektüren im Jahr und die Klassenarbeiten, welche wir über jene schreiben, sind meistens so ausgelegt, dass man nicht mal die Handlung des ganzen Buches kennen muss (bspw. Interpretationen einer/-s einzelnen Szene/Kapitels), sodass viele Schüler (auch ich) sie gar nicht wirklich lesen. Wie kann es sein, dass uns Deutschen nicht mal die Weltliteratur unserer deutschen Schriftsteller beigebracht wird?
3. Den Stoff, der uns bspw. in Mathematik in der 10. Klasse vermittelt wird (in dem Fall etwas komplexere Funktionen, wie „f(x) = x^6 — x^3“), kennen viele meiner Kontakte im Ausland, die auf vergleichbare Schulen gehen, bereits aus vorigen Schuljahren. Warum sind wir so zurückgeblieben im weltweiten Vergleich, was die Lehrpläne angeht?
Ich flehe um Antworten!
Danke :)
9 Antworten
Wow warte, nicht jeder "Depp" kann hier auf eine Uni gehen. Abitur (oder gleichwertiges) ist verpflichtend. Außerdem muss man das Studium auch erstmal beenden können. Hier am KIT(Exzellenzuni) wird jeder für den Studiengang Informatik zugelassen aber sehr wenige schaffen ihn dann auch. Durchfallquote von einer Klausur von mir letztes Semester war mehr als 50% und das muss man sich erstmal vorstellen. Aber bei dem Schulsystem gebe ich dir recht. Ich habe mein Abitur auch in BW gemacht und fand das Niveau eigentlich okay, hatte nie wirklich gelernt gehabt. Es war nie so dass ich mich mal eine Woche hingesetzt und für eine Arbeit gelernt hatte, sondern einfach nur einen Tag davor alles angeschaut und das hat immer gereicht,(war so 2/3 er Schüler).
Ich habe einen Freund der Medizin studieren will, hat in Biologie(Leistungskurs) 15 Punkte und kommt aber wegen Mathe beispielsweise nicht in Medizin, die Frage ist was hat Mathe mit Medizin zu tun?
Daran Schuld ist das Bildungsministerium. Fördern zu wenig, wenn ich schon von früh auf an Informatik interessiert bin, sollte das gefördert werden und nicht anderer Schrott wie Musik oder Bildende Kunst.
Mit Musik, Kunst (oder gar Sport — zumindest auf so einem Niveau!) hast Du völlig recht.
Das KIT ist jedoch eine besondere Uni, das weißt Du ja. Und selbstverständlich braucht man ein Abitur, dieses wird einem jedoch bewusst hinterhergeworfen (um einen anderen Beitrag zu zitieren).
Danke für die Antwort.
Und an den Auswahlkriterien der Uni ist die Schule schuld? Äpfel mit Birnen
Das ist natürlich gewollt, dass alle ihren Abschluss schaffen. Das Abi und Co. wird dir mittlerweile bewusst hinterher geworfen. Die wollen ihre Quoten.
Deshalb gibt es auch so schwachsinnige Dinge wie Gesamtschulen oder Werkrealschulen, damit es garantiert alle schaffen.
Es will sich niemand mehr eingestehen, dass er für gewisse Schularten einfach zu schlecht ist. Diese Leute sind heute nicht zu schlecht, sondern "besonders begabt".
Oh, auch ein interessanter Aspekt: das „Abi für jeden“.
Die Frage ist nur, wofür brauchen die die Quoten? Aber tatsächlich, auch dass niemand zu seinem Mangel an intellektuellen Fähigkeiten stehen will, ist nochmal ein guter Grund für diese hinterhergeworfenen Abschlüsse. Du hast mir ein wenig die Augen geöffnet :D
Vielen Dank!
Es findet aber bei uns weniger Auslese statt. Unser System ist durchlässig: wer es auf diesem Weg nicht schafft (aus welchem Grund auch immer), dem stehen aber noch andere Wege offen, z.B. Zweiter Bildungsweg.
Bei uns kann auch jemand was werden, wenn er eine Teilleistungsstörung hat. Warum soll jemand kein Abitur machen, wenn er außer Rechtschreibung aber alles kann?
An unserer Schule braucht niemand Angst zu haben, dass er körperlich bestraft wird. (Psychisch sollte auch nicht sein, dass das anders ist, ist mir auch klar.)
In Deutschland wird weniger Wert auf Aufsagen und Abfragen gelegt, sondern auf kreative Gedankengänge.
Wir hatten mal eine studierte Deutsch-Praktikantin aus Vietnam, die festgelegte Sätze gut konnte, aber schnell ins Schwimmen kam, wenn die Sätze vom Regelwerk abwichen.
Stimmt.
Uns unterscheidet tatsächlich dieses kreative Einbinden von dem systematischen Auswendiglernen von Allgemeinwissen. Dies hat natürlich auch seine positiven Seiten und sollte ebenso im Ausland gefördert werden. Dennoch sollte — meiner Meinung nach — es z. B. möglich sein, dieses Wissen schneller zu vermitteln, sodass wir international mithalten können. Aber tatsächlich: auch Dein Beispiel mit der Rechtschreibung als einzige Schwäche beim Abitur und somit nicht Grund für kein Abi ist ebenfalls etwas sehr gutes an unserem System. Ich habe nicht daran gedacht.
Danke sehr für die Antwort, die mir auch Positives an unserem System darstellt, wonach andere weltweit träumen.
Dir fällt das alles leicht anderen weniger.
Und wir lernen hier an den Schulen schon zu viel schrott
Mag sein, dass mir das leichter fällt.
Ich kenne Leute, denen es noch leichter fällt oder die sogar an der Realschule verzweifeln. Dass wir an Schulen zu viel Schrott lernen, war mir klar. Warum das so ist, war ja schließlich meine Frage.
Aber danke.
Ja unser Schulsystem ist das schlechteste deshalb sind wir auch eine Industriesupermacht.
Du warst nie dort und was man dir sagt ist bestimmt übertrieben. In einer Doku hat Mal so ein Superschüler aus Shanghai gesagt Mathe auf dem Gymnasium ist genau das gleiche als zu Hause.
Mag sein, dass man Übertriebenes hört.
Wenn man sich jedoch die offiziellen Lehrpläne der Regierungen weltweit anguckt, sieht man jedoch einen deutlichen Unterschied und das ist ein Fakt; da hat sich niemand persönlich dazu (übertrieben) äußern können, es war ja die Regierung selbst. Gerade die Aussage Deines Superschülers könnte untertrieben gewesen sein. Und wenn unser Schulsystem so gut sein sollte — wieso schneiden wir dann in den ganzen Studien als Staat so schlecht ab?
Trotzdem danke für Deine Antwort.
Regionale Schulen in SH https://de.wikipedia.org › wiki › Regionale_Schule