Warum fand in „The Good Doctor“ kein echter Autist Platz in der Hauptrolle?

4 Antworten

Weil das Ganze nicht nur ein Problem ist, welches man in Filmen/Serien mit autistischen Charakteren finden kann.

Schau dich mal um. Wie oft befragen Leute lieber Ärzte, Erzieher oder die Eltern von autistischen Kindern/Personen, anstatt uns/die Autisten selber?

Oft genug. So oft, dass es ein Problem ist. Ein Muster, welches man erkennen kann.

Viele Leute denken, wir Autisten wären nicht die Experten unserer eigenen Behinderung/Neurodivergenz. Viele denken, irgendjemand anderes könne unseren Autismus besser schauspielern. Ja, das klingt schon brachial bescheuert, nicht?

Wer bitteschön könnte Autismus (oder andere Behinderungen, Entwicklungsstörungen) bitteschön besser Schauspielern, als wir Autisten?

Wer könnte eine Behinderung o.Ä. besser schauspielern, als die Personen, die damit ihr ganzes Leben lang, jede einzelne Sekunde ihrer Existenz, verbringen?

Niemand - Genau.

Ich muss dann auch immer z.B. an Kinder denken, die einen früher nachgeäfft haben, weil die autistischen Verhaltensweisen ja "so funny" waren. Es ist nichts anderes, nur, dass es eine erwachsene Person macht, die ein Schauspieler ist. Wie soll ich das nur verständlich erklären? Es wird einem Schauspieler, der nicht autistisch ist, niemals so gut gelingen, einen Autisten zu spielen, wie einem autistischen Schauspieler.

Und ich finde, dass wir nicht denken sollten "Oh, ja, mag stimmen, aber ist ja nicht so wild, solange es immer noch halbwegs korrekt ist".

Like, nooo????? (Sorry.)

Man kann nicht einfach "so tun, als wäre man Autist" (oder eben "schauspielern"), ohne, dass es extrem respektlos rüberkommt.

Oder das Argument, dass z.B. Anwälte oder Ärzte oder so in Filmen/Serien in echt keine Anwälte etc. sind. Ich weiß, dass du das weißt (glaube ich), aber für jeden, der es nicht weiß: Ein Anwalt o.Ä. zu sein oder nicht zu sein verändert auch nicht deine gesamte Neurologie. Selbiges gilt für Homosexualität o.Ä. Und selbst bei Homosexualität: Wäre es nicht selbst dann trotzdem besser, die Rolle an einen homosexuellen Schauspieler zu geben? Ich kann doch nicht die Einzige sein, die denkt, dass das die einzig logische und verständliche Richtung ist.

Und wie du auch korrekterweise angesprochen hast: Es gibt genügend autistische Schauspieler.

Das Problem liegt daran, dass es die meisten Menschen nicht ernst nehmen, weil sie ernsthaft denken, irgendjemand anderes als eine autistische Person, könnte Autismus schauspielern.

Ich hasse solche Verallgemeinerungen. Ja, viele von uns Autisten können nicht schauspielern - Auch wegen all dem Drumherum. Aber viele allistische und neurotypische Menschen können auch nicht schauspielern. Die Autisten, die nicht damit klarkommen, werden auch keine Schauspieler sein (zumindest nicht lange, nicht erfolgreiche). Ich werde niemals Schauspielerin sein. Weil ich mit dem ganzen Drumherum nicht klar käme. Aber das weiß ich bereits.

Okay, ich glaube, ich habe nun endlich herausgefunden, weshalb genau mich (und wahrscheinlich auch einige andere Autisten) das so sehr stört:

Da ist dann jemand, der tut für einen speziellen Zeitraum so, als hätte er das gleiche durchgemacht wie du, als hätte er all den Ableismus und all die Ungerechtigkeit, die Unverständnis, all die Einsamkeit, die Isolation, die Angst und all die Probleme durch deine Behinderung/Neurodivergenz uvm. erlebt, die du dein ganzes Leben schon am eigenen Leibe spüren musstest und noch bis zu deinem Lebensende spüren müssen wirst und ... wird dafür bezahlt. Wird dafür gelobt. Wird dafür gefeiert.

Ich wurde nie dafür bezahlt, autistisch zu sein. Die allerwenigsten Autisten werden dafür bezahlt. Und ich glaube, das ist das, was mich am meisten daran stört. Wir Autisten dürfen selten wirklich zu 100% wir selbst sein, so autistisch sein, wie wir wollen. Wir werden in sehr vielen Situationen und Lebenslagen zum Masking gezwungen, darauf konditioniert, so neurotypisch zu wirken, wie nur möglich, gegen unseren Autismus, unsere autistischen Verhaltensweisen anzukämpfen (siehe z.B. Verhaltenstherapie) und dann kommt ein allistischer/neurotypischer Schauspieler daher und darf uns nachmachen und alle finden es toll.

Aber Autismus im echten Leben wird nicht halb so sehr gefeiert. Autismus im echten Leben wird generell immer noch als negativ angesehen. Oder zumindest noch immer schlechter als Neurotypismus.

Wenn ich noch etwas länger überlege, könnte ich sicherlich noch mehr darauf eingehen und weitere Punkte ansprechen, doch ich mache hier mal Schluss.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin diagnostizierte Autistin (Keine Selbstdiagnose)👽

No1Halima2  24.04.2025, 06:32

@Zitruseulchen

Dein (und auch mein) Leidensweg in allen Ehren (ich bin kein Autist, aber HB):

Deine Argumentation ist verständlich, aber trotzdem bullshit.: Es werden ja auch keine echten Pädophilen, keine echten Serienkiller, keine echten Psychopathen und keine echten Behinderten in Serien eingesetzt - schonmal weil neben der korrekten Darstellung Schauspiel auch bedeutet, stundenlang die gleiche Szene zu spielen, mit VIELEN Menschen und Lichtern zusammen zu arbeiten, den Regisseur zu folgen… und das Ganze dann noch als Serie doppelt dann nochmal auf. Das wäre eine Zumutung für den Autisten und auch für die ganzen anderen am Set beteiligten Leute. Und dass die Serie gut recherchiert und von Freddy Highmore hervorragend gespielt ist, kann man durchaus sagen.

Statt pissig zu sein, solltest du lieber feiern, dass dieses Thema samt dem Leidensweg und den Schwierigkeiten und Diskriminierungen mal thematisiert wird und die schauspielerische Leistung von Highmore anerkennen! Das ist nämlich alles andere als einfach, dass so stringent umzusetzen!

Leland2010  13.04.2025, 11:59
Ich kann doch nicht die Einzige sein, die denkt, dass das die einzig logische und verständliche Richtung ist.

Da wirst du nie alleine bleiben, genau so denke ich auch.

Und wie du auch korrekterweise angesprochen hast: Es gibt genügend autistische Schauspieler

Leider jedoch nicht so weit verbreitet.

Aber Autismus im echten Leben wird nicht halb so sehr gefeiert. Autismus im echten Leben wird generell immer noch als negativ angesehen

Autismus ist immerhin keine Krankheit sondern eine Neurologische Entwicklungsstörung und das Verstehen andere nun mal nicht. Dies heißt nicht dass wir Autisten nicht das können, was andere können. Erst vor kurzem hat mir jemand erzählt dass er Autisten hasst, weil ein Schüler aus seiner Klasse mit Autismus und ADHS (ebenfalls wie ich) ein Mädchen sexuell belästigt hat. Er hat es direkt mit seinem Autismus in den Zusammenhang gestellt. Was die Leute nun mal nicht verstehen ist, dass Autismus eine Spektrum Störung ist, was bedeutet, dass jeder Autist individuell ist.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und ebenfalls ein Lob von mir dass du dir die Mühe gemacht hast diesen Text zu verfassen.

Es heißt ja Schauspieler, weil sie spielen, etwas zu sein

Genauso sind die wenigsten homosexuellen Charaktere tatsächlich von homosexuellen gespielt

Oder phychisch kranke Charaktere von tatsächlich psychisch kranken

Es ist eben nur eine Serie/ein Film und keine Dokumentation


Sovereignyx 
Beitragsersteller
 02.02.2025, 13:43

Da geb ich dir natürlich teils recht. Allerdings geht es in so ziemlich jeder Folge um Diversität und Gleichberechtigung. Ich hätte es ehrlich gesagt einfach um ein vielfaches passender gefunden, wenn tatsächlich ein Autist in der Hauptrolle gesteckt hätte. Ich könnte mir nämlich durchaus vorstellen, dass es gerade auch leidenschaftliche SchaupielerInnen in der Branche schwer haben Fuss zu fassen. Es wäre aus meiner Sicht einfach die logische Schlussfolgerung gewesen, dass auch ein Autist diese Rolle bekommen hätte. Aber wie auch immer! :)

Sovereignyx 
Beitragsersteller
 02.02.2025, 14:03
@Sovereignyx

Ich habe auch mal Deepseek gefragt und eine richtige Antwort scheint es da wirklich nicht drauf zu geben:

Die Serie „The Good Doctor“ hat Freddie Highmore in der Hauptrolle besetzt, der selbst nicht autistisch ist. Es gibt mehrere Gründe, warum oft Schauspieler ohne Autismus für Rollen von autistischen Charakteren ausgewählt werden:

1. **Schauspielerische Erfahrung und Flexibilität**: Produzenten und Regisseure bevorzugen manchmal Schauspieler mit umfangreicher Erfahrung, die in der Lage sind, eine breite Palette von Emotionen und Nuancen darzustellen. Highmore hat bereits in verschiedenen Rollen bewiesen, dass er komplexe Charaktere verkörpern kann.

2. **Wahrnehmung von Autismus in der Unterhaltungsindustrie**: Es gibt immer noch Vorurteile und Missverständnisse über Autismus. Einige Produzenten könnten befürchten, dass ein autistischer Schauspieler nicht in der Lage ist, die Anforderungen einer Hauptrolle in einer anspruchsvollen Serie zu erfüllen, obwohl dies oft nicht der Fall ist.

3. **Casting-Prozess**: Der Casting-Prozess in der Unterhaltungsindustrie ist oft sehr wettbewerbsintensiv und komplex. Es kann schwierig sein, autistische Schauspieler zu finden, die die spezifischen Anforderungen einer Rolle erfüllen, insbesondere wenn es um Hauptrollen geht.

4. **Sichtbarkeit und Repräsentation**: Es gibt eine wachsende Bewegung, die sich für mehr Inklusion und Repräsentation von autistischen Schauspielern in der Unterhaltungsindustrie einsetzt. Allerdings ist dies ein langsamer Prozess, und viele Produktionen haben noch nicht ausreichend auf diese Forderungen reagiert.

Es ist wichtig zu betonen, dass es autistische Schauspieler gibt, die hervorragende Leistungen erbringen können und dies auch bereits getan haben. Die Industrie muss sich weiterhin bemühen, mehr Inklusion und authentische Repräsentation zu fördern.

Jetzt mal ehrlich. Du hast dem Schauspieler gerade das grösste Kompliment gemacht. Du dachtest, so rine Darstellung geht nur, wenn man selber Autist ist. Ist er aber nicht. Du selbst schaust doch scheinbar auch gern Filme und Serien, willst dich in die Geschichte reinziehen lassen, dich betroffen oder Glücklich fühlen, wenn bestimmte Dinge passieren. Für solche Rollen gibt es meist grosse Castings. Due Entscheidung über die Hauptrolle fällt meist erst nach Monaten. Da spielen Nuancen eine Rolle, die Chemie der Darsteller, der grosse Plan der Produzenten. Ausserdem ist Schauspielerei eine hohe Kunst, die ihren Ablauf der Dinge in einer Serie nicht durch eine eins zu eins Übersetzung der Realität widerspiegelt, sondern durch zb Verzerrung oder Erhöhung der Ereignisse erreicht. Dafür braucht es eine bestimmte Sorte Schauspieler, die die Sichtweise des Regisseurs umsetzen können. Ich finde gut, dass das so ist und der geeignetste dafür genommen wird.

Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass das ganze Drumherum beim Dreh einem Autisten schnell zu viel werden würde.


Zitruseulchen  02.02.2025, 13:28

Das trifft zwar auf viele Autisten zu, aber Autisten, die damit wirklich nicht klarkommen, sind daher auch keine Schauspieler. Wie der FS bereits korrekterweise ansprach, gibt es einige autistische Schauspieler. Könnten sie (Schauspieler, die offen Autisten sind) damit nicht umgehen, mit dem ganzen Drumherum, dann wären sie keine Schauspieler, denn dann würden sie bei keinem Film mitspielen können.

Sovereignyx 
Beitragsersteller
 02.02.2025, 13:57
@Zitruseulchen

Ja ganz genau so sehe ich das auch. Es geht hier ja auch um einen Menschen mit Autismus der zum Chirurgen ausgebildet wird. Wie merkwürdig und fake wäre das, wenn man von vornerein sagen würde, dass Autisten am Set nichts zu suchen haben wegen dem Licht oder so und dann aber in der Serie jemanden spielt, der genau mit diesem Defizit zurecht kommt. Paradox.