waren die Menschen im Mittelalter wirklich so muskulös?

10 Antworten

Kann man pauschal nicht sagen. Die meisten Menschen im Mittelalter waren deutlich kleiner als die Menschen heute und unter den armen Leuten dürften einige "skinny" gewesen sein, weil sie mangelernährt waren.

Aber es gab auch Ausnahmen - zum Beispiel dürften die meisten englischen Langbogenschützen recht muskulöse, breitschultrige und wahrscheinlich sogar überdurchschnittlich große Männer gewesen sein.

Dabei spielten zwei Faktoren eine Rolle. Die erste hatte was mit Genetik und Ernährung zu tun. In der Genetik eines Menschen ist eine bestimmte Größe angelegt. In meiner Familie sind z.B. alle Männer sehr groß - kein Wunder, sowohl mein Großvater mütterlicherseits wie auch der väterlicherseits waren fast zwei Meter groß, dazu haben meine Neffen von ihrem Großvater mütterlicherseits auch Größe mitgekriegt. Aber mein Vater war nur 176 cm groß. Er hatte aber ziemlich große Hände und Füsse - und das deutete darauf hin, dass in seinen Genen mehr als 176 cm angelegt waren (deswegen dann auch der 190 cm lange Sohn und die Enkel mit 194 und 198 cm). Nur hat er die nicht erreicht - er war 1918 geboren und hat als Kind die 20er Hungerjahre mitgemacht.

Und nun zurück zu den englischen Bogenschützen. Im Mittelalter waren in England alle Gemeinden verpflichtet, ihren Jungs das Bogenschießen beizubringen. Und so ungefähr alle halbe Jahre kam ein erfahrener Bogner vorbei - und der suchte die besonders begabten Jungs aus undnahm sie mit. Sie landeten dann in speziellen Lagern, wo sie trainiert wurden.

Nun sind Rechnungsbücher von diesen Lagern erhalten und sie weisen aus, dass die Jungbogner sehr gut versorgt worden. Sie bekamen regelmäßig Fleisch (damals für arme Leute nicht normal), sie bekamen Eier, Fisch, natürlich auch Gemüse - also abwechslungsreiche Kost und davon genug. Dementsprechend wuchsen die voll aus und erreichten ihre genetisch angelegte Höchstgröße. Außerdem konnten sie bei der Ernährung Muskeln aufbauen. Trainiert waren sie auch und später, wenn sie dann als Bogner in der Armee dienten, ging's weiter mit guter Ernährung und Training. Die waren wirklich die Elite der damaligen Zeit, gleich nach den Rittern, die ebenfalls schon als ganz junge Männer ausgesucht und trainiert worden waren.

Und in der Schweiz zum Beispiel hat man schon sehr früh Armbrüste entwickelt und Armbrustschützen ausgebildet, die dann in aller Welt kämpfen. Zum Beispiel ist es bis heute und schon seit Jahrhunderten Tradition, dass der Papst von Schweizer Soldaten bewacht wird.

PS: die englischen Langbogner brauchten die Kraft aber auch. Die Bogen, die z.B. in Agincourt benutzt wurden, hatten zwischen 35 und 40 kg Zuggewicht und wurden teilweise in 10er Frequenzen - also 10 Pfeife pro Minute - geschossen.

Pangaea  04.11.2018, 21:03

Wow, da habe ich in kurzer Zeit sehr viel gelernt, danke!

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FrauBeckmesser  04.11.2018, 21:13
@Pangaea

<grinst> Was man im Lauf der Jahre so an Wissen sammelt ...
Ich hatte einen wundervollen alten Freund (leider im August letztes Jahr gestorben), der sich als Historiker mit Langbogen befasst hat. Für den habe ich teilweise Ausstellungskataloge und solche Sachen übersetzt, außerdem habe ich eine Neuauflage eines seiner Bücher (und das gilt als Standardwerk für englische Langbögen) Korrektur gelesen. Dabei ist unweigerlich was hängen geblieben. ;)
Und über den Geno- und Phänotyp (also Auswirkungen von Ernährung auf Größenwachstum) weiß ich als Pferdezüchterin. ;)

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Pangaea  04.11.2018, 21:30
@FrauBeckmesser

Das kenne ich. Bei Übersetzungen lernt man immer eine Menge. Ich habe zum Beispiel mehr über Hüftgelenksersatz gelernt als ich je wissen wollte ...

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Die Leute hatten damals eine andere Art "Kraft" als die Bodybuilder von heute. Wenn man einen hart arbeitenden Menschen ohne Kleidung gesehen hat, dann wurde natürlich deutlich dass er kein Schwächling war. Aber seine Muskeln waren nicht definiert. Du kannst dir solche Menschen heute noch auf Papua Neuguinea ansehen oder hart arbeitende Menschen auf den Philippinen. Von denen sieht niemand aus wie ein Bodybuilder, aber sie sind sehr stark. Es steckt viel mehr in ihnen als man auf den ersten Blick sieht.

Ganz anders sahen die Wikinger aus. Sie waren schon damals sehr groß weil sie sich vollkommen anders ernährten als der Rest Europas. Sie aßen fast nur Fisch und ernährten sich so von allerbestem Eiweiß. Dazu kam dass die Wikinger bereits als Kinder anfingen zu Rudern. Als Erwachsene konnten sie tagelang rudern und das sah man ihnen auch an. Irgendwann sind die Wikinger bei einem Sultan zu Gast gewesen und weil es an diesem Tag sehr warm war, liefen sie alle mit freiem Oberkörper herum. Da ist dem Sultan die Kinnlade herunter geklappt und er ließ sich zu den Worten hinreißen, dass diese Männer die Besten waren, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Diese Kerle sahen vermutlich genau so aus wie die Teilnehmer von einem Bodybuilder Wettbewerb.

Die waren alle relativ dünn und durchtrainiert, aber nicht im sinne von bodybuilding, sondern wie z.b Triathleten, kletterer etc

Naja, viele haben körperlich gearbeitet, die waren schon um einiges kräftiger. Allerdings nicht so Bodybuilderstyle, sondern halt einfach kräftig. Und wenn man sich mal anschaut: so eine Ritterrüstung hat um die 30 kg gewogen, das musste erstmal stemmen.

Nicht die Proteine, sondern die Übung macht es!

Hallo! Zunächst waren die Menschen deutlich kleiner. Habe mal in einem Museum Ritterrüstungen gesehen. Die waren auf Sockeln etwa so groß wie ich ohne und ich messe 1,78

Früher waren Menschen im Schnitt wirklich muskulöser viel viel mehr körperlich gearbeitet wurde

Dir einen schönen Tag

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Viele Jahre Bundesliga Gewichtheben/Studium