Tunneleffekt einfach erklärt?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Das ganze lässt sich im wesentlichen mit der Schrödingergleichung und dem Model eines Potentialtopfes erklären.

Wenn man die Schrödingergleichung aufstellt ergibt sich als Lösung zunächst eine Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Kern, was auch logisch ist. Allerdings ergibt sich nach dieser Gleichung eine Exponentiell abfallende Aufenthaltswahrscheinlichkeit in der Barriere, welche zum einen von der Höhe der Barriere sprich Energie abhängt als auch von der Dicke der Barriere. Da die Exponentialfunktion nie 0 wird, wird die Wahrscheinlichkeit zwar immer kleiner, allerdings gibt es auch nach der Barriere eine Aufenthaltswahrscheinlichkeit größer als 0. Sofern also eine wesentliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit außerhalb der Barriere besteht wird sich das Teilchen auch dort aufhalten können.

Mit den Phänomenen der klassischen Physik ist das nicht erklärbar, im wesentlichen entspricht es aber dem, dass man einen Ball gegen eine Wand schleudert. Dieser Ball kann die Mauer nicht zerstören aber er kann quasi auf der anderen Seite auftauchen. Da das im Makroskopischen nicht auftritt, klingt das unlogisch und falsch aber es ist nunmal so. Der einzige Weg es zu Begreifen ist über die Mathematik die dahinter steckt, auch wenn diese auf den ersten Blick unlogische Aussagen trifft.

greenshop 
Fragesteller
 15.09.2020, 14:52

Vielen dank!

Ich glaube ich habe es verstanden.

Meine Frage: Es gibt eine Aufenthaltswahrscheinlichkeit von etwas über 0 außerhalb des Kernes. Diese Aufenthaltswahrscheinlichkeit nimmt mit dem abstand vom Mittelpunkt ab. Das heißt da die wahrscheinlichkeit nie bei exakt null ist, das Alpha Teilchen den Kern verlassen kann indem es quasi aus dem Kern teleportiert wird. Heißt dass aber auch dass die Wahrscheinlichkeit nie bei 100 liegen kann?

0
PeterKremsner  15.09.2020, 14:57
@greenshop

Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit nimmt nur in der Barriere ab. Sprich solange die anziehende Kraft in wesentlicher Stärke wirkt. Danach bleibt sie wieder konstant.

Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit muss sich in Summe natürlich auf 100% addieren was natürlich in Summe besagt, dass das Teilchen nicht auf einen einzigen Punkt mit 100% Wahrscheinlichkeit fixiert ist. Das entspricht im wesentlichen auch der Aussage der Heisenbergschen Unschärferelation.

1
greenshop 
Fragesteller
 15.09.2020, 14:59
@PeterKremsner

Was ist mit barriere gemeint? Alles was außerhalb des Kerns istß Würde dass nicht bedeuten dass Teilchen unendlichweit teleportiert werden können, da die wahrscheinlichkeit nie Nunll ist?

0
PeterKremsner  15.09.2020, 15:08
@greenshop

Mit Barriere ist eine Energiebarriere gemeint.

Nehmen wir an ein Teilchen braucht nach der klassischen Physik eine Energie von mindestens 1MeV um durch diese Barriere zu kommen. Sprich die Barriere ist 1MeV hoch nach der klassischen Physik kann also ein Teilchen mit 100keV diese Barriere nicht durchdringen.

Teleportiert wird das Teilchen nicht in engerem Sinne es durchquert hald die Barriere obwohl es das nicht könnte. Im Modell des Potentialtopfes beschreibt man das Problem nur bis zum Ende der Barriere. Eine Ausdehnung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit auf ein unendlich großes Gebiet wäre ja nicht möglich da die Summe der Wahrscheinlichkeiten 1 sein muss. Sprich das Teilchen kann sich nur in einem bestimmten Gebiet aufhalten.

Im Potentialtopf wird das ganze durch Harmonische Funktionen beschrieben sprich Sinus und Cosinus und in der Barriere durch eine Abnehmende Exponentialfunktion.

Das was im wesentlichen passiert ist, das Teilchen taucht auf der anderen Seite der Barriere auf und wird dann durch die Elektrostatischen Kräfte weggeschleudert.

1
greenshop 
Fragesteller
 15.09.2020, 15:09
@PeterKremsner

Sie haben sich den Titel für den Community-Experten in Physik echt verdient!

Sehr weiter geholfen!

0

Die klassische Physik beruht auf den Prinzipien von Ursache und Wirkung und von Kräften. Sie würde sagen: Es gibt eine starke Kernkraft, die ursächlich dafür ist, dass Hadronen von ihr unausweichlich zusammengehalten werden, wenn sie einen bestimmten Abstand (~10^-15m) unterschreiten. Für Wahrscheinlichkeiten, die etwas anderes zulassen würden, ist in der klassischen Physik kein Platz.

Dies widerspricht jedoch den real gegebenen Beobachtungen beispielsweise des Alphazerfalls, den es nach der klassischen Physik so nicht geben dürfte.

Deshalb rechnet die Quantenphysik auf eine bestimmte Art mit einer von 0 verschiedenen Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Alphateilchen ausserhalb des Bereichs der starken Wechselwirkung, und kann so den tatsächlich ja stattfindenden Alphazerfall durch diesen "Tunneleffekt" erklären und sogar voraussagen, wieviele Teilchen einer Substanzmenge in einer bestimmten Zeit zerfallen werden.

Ohne ihn würde es sogar den Protonen in der Sonne schwerfallen, zu fusionieren, und wir wären jetzt nicht hier, um uns darüber den Kopf zu zerbrechen.

greenshop 
Fragesteller
 15.09.2020, 14:44

Erstmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben mir eine Antwort zu schreiben!

Jedoch möchte ich nocheinmal sicher gehen dass ich es verstanden habe:

Also es gibt den Kern mit einer starken Kernkraft. das Alphateilchen bildet sich im Kern. Diese alpha teilchen bewegt sich im Kern. Bewegt sich dass Alphateilchen auf den Abstand von (~10^-15m) dann kann es aus dem Kern "rausgehen". Wieso geht dies aber nicht in der klassischen Physik? Ist der Aufenhaltspunkt eines Alpha Teilchens nu in Quantenphysik so berechen bar?

0
michael0371  15.09.2020, 16:45
@greenshop

In der klassischen Physik wird das Alpha-Teilchen ganz mechanistisch von der starken Kernkraft festgehalten, die ja die stärkste Elementarkraft ist. Es würde sich nach klassischer Sichtweise nicht mal mehr bewegen, da es ja "mit aller Gewalt" festgehalten wird.

Die Kraft der Gluonen (die Teilchen, die die starke Kraft vermitteln) nimmt mit größer werdendem Abstand der Hadronen voneinander zu. Es ist, als wenn das Alphateilchen an einem Gummiband hängend versuchen würde, den Kern zu verlassen. Je weiter es kommt, desto stärker wird die Kraft, die es festhält. Um dennoch erklären zu können, weshalb ab und an ein Alpha-Teilchen entkommt, benötigt man den Tunneleffekt.

Diesen kann es in der klassischen Physik nicht geben, da sie eben auf unseren alltäglichen makroskopischen Erfahrungen ausgeht. Ein Ball, der an ein Gummiband gebunden ist und auf eine Mauer zufliegt, landet eben einfach nicht plötzlich schlupps-die-wupps auf der anderen Seite. In der klassischen Physik ist so etwas wie der Tunneleffekt einfach nicht vorgesehen, ganz einfach weil man ihn, bevor man sich den Atomkern und seine Bestandteile genauer angesehen hat, niemals beobachten konnte.

Im Bereich der Atomkerne haben wir jedoch eine völlig andere Welt, und benötigen andere Modelle um diese zu beschreiben. Ein solches Modell ist die Quantenmechanik, die so etwas wie den beobachtbaren Tunneleffekt durch eine Funktion der Aufenthaltswahrscheinlichkeit erklären kann. Sie sagt uns nicht, weshalb das alles so ist, wie wir es beobachten, aber sie lässt zu, dass wir es berechnen können. Das unterscheidet vielleicht die Quantenmechanik von den klassischen Theorien: Sie sagt uns nicht, warum, sondern erlaubt und Prognosen und Berechnungen des zukünfigen Verhaltens eines quantenmechanischen Systems.

1
michael0371  15.09.2020, 16:48
@michael0371

Zu der "von 0 verschiedenen Wahrscheinlichkeit": Manche Teilchen gewinnen sozusagen die Lotterie und finden sich plötzlich und unerwartet ausserhalb des Atomkerns. Die Schrödingergleichung geht jenseits des Potentialwalls asymptotisch gegen 0.

1
michael0371  15.09.2020, 17:00
@michael0371

Wenn man möchte, könnte man bildlich auch davon sprechen, dass die Schrödingergleichung jenseits des Potentialwalls die Wahrscheinlichkeit beschreibt, mit der das Gummiband reisst, so dass das Teilchen entkommt.

In der klassischen Physik reissen Gummibänder, die eine Elementarkraft repräsentieren, jedoch genausowenig, wie man erleben wird, dass die Gravitation (die ja die schwächste Elementarkraft ist) mal eben kurz für ein paar Sekunden Pause macht.

1

Kleines Beispiel: Du möchtest einen Ball über einen Hügel befördern. Dazu muss er zuerst den Hügel hinauf, bis seine potentielle Energie so hoch ist, dass er ihn überwinden kann. Dann rollt er auf der anderen Seite einfach hinab.

Im Kern ist es so ähnlich. Das Alphateilchen benötigt eine bestimmte potentielle Energie, um die Anziehung vom Kern zu überwinden ("über den Berg zu kommen") und sich dann von ihm zu entfernen. Diese Energie hat es jedoch nicht. Trotzdem schießt es aus dem Kern. Da kann man mit herkömmlicher Physik nicht erklären.

In der Quantenmechanik ist das Alphateilchen jedoch ein Quantenobjekt. Und ein Quantenobjekt hat keinen festen Ort, sondern befindet sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an jeweils einem Ort. Die wird durch die Wellenfunktion beschrieben (eine Lösung der Schrödinger-Gleichung). Und für ein Alphateilchen mit einer eigentlich zu geringen Energie ist diese Wellenfunktion eben nicht nur im Kern, sondern auch außerhalb positiv. Bedeutet, dass es für das Teilchen eine geringe (von 0 verschiedene) Wahrscheinlichkeit gibt trotzdem außerhalb des Kern zu sein.

Der Ball ist hinter dem Berg, obwohl er nicht darüber gerollt ist. Er ist drunter durch getunnelt

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – 2 Jahre LK beim besten Lehrer
greenshop 
Fragesteller
 15.09.2020, 20:07

Wie weit entfernt vom Atomkern kann es denn sich befinden?

0
KaramellFighter  15.09.2020, 20:16
@greenshop

Rein theoretisch? Überall. Die Wellenfunktion ist nicht örtlich begrenzt. Da sie jedoch außerhalb des Kerns sehr schnell annimmt, ist es am wahrscheinlichsten, dass das Teilchen gerade so weit vom Kern entfernt ist, dass es sich mit seiner Energie dort aufhalten kann

1

Das liegt an der Unschärferelation. Der Ort des Alphateilchens ist durch seine Wellenfunktion nicht scharf definiert, mit einer entsprechend geringen aber von Null verschiedenen Wahrscheinlichkeit ist es nicht innerhalb des Potentialwalls sondern außerhalb. Wenn die ganze Wellenfunktion zerfällt, so wirkt sich diese Wahrscheinlichkeit aus und das Teilchen ist tatsächlich außerhalb.

greenshop 
Fragesteller
 15.09.2020, 14:46

Vielen dank!

Dies ist nun die dritte Antwort in der "von Null verschiedenen Wahrscheinlichkeit" benutzt wird. Können sie mir erklären was damit gemeint ist? Von Null verschiedenen Wahrscheinlichkeit heißt ja dass ide Wahrscheinlichkeit bei Null ist.

0
PeterKremsner  15.09.2020, 14:59
@greenshop

Nein von 0 verschiedene bedeutet, dass sie jedenfalls größer als 0 ist, da die Wahrscheinlichkeit nicht negativ werden kann.

Mathematisch geschrieben gilt:

0 <= P <= 1

und bei der Aussage von 0 verschieden P > 0

1
hologence  15.09.2020, 14:59
@greenshop

nein, die Wahrscheinlichkeit ist größer null, nicht gleich null.

2