Ständeordnung - 17., 18. Jahrhundert?

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Eine genaue Angabe dazu ist nur möglich, wenn Raum und Zeit angegeben werden, um die es geht und geklärt ist, was mit der Bezeichnung „Ständegesellschaft“ gemeint ist und was nicht,

In Europa hat es eine Ständegesellschaft bis tief in das 19. Jahrhundert hinein gegeben.

Dabei ist ihre Auflösung vielfach nichts schlagartig gewesen, sondern eine langfristige Entwicklung, die in unterschiedlichem Ausmaß und in Graden des Rückgangs ablief. Sie war nicht in jedem Land/Staat genau gleich und gleichzeitig

Mit einer Einteilung in Adel, Geistliche und Bauern ist eine Ständeordnung nicht durchgehend vollständig und richtig beschreiben.

Eine Ordnung mit drei Ständen ist eine im europäischen Mittelalter gebräuchliche Einteilung der Gesellschaft gewesen.

Eine Unterscheidung Lehrstand, Wehrstand und Nährstand ist ein Modell, das eine Dreiteilung (in entsprechender Reihenfolge: Geistliche, Adel und Bauern) nahelegt.

Daneben ist auch eine Betrachtung mit einer Zweiteilung nach Herrschen und Dienen möglich, bei der einfach nach Oben und Unten unterschieden wird: Hohe und Niedrige, Mächtige und Schwache, Obrigkeit und Untertanen, Freie und Unfreie.

In der Dreiständeordnung gibt es:

  • Erster Stand: Klerus (Geistlichkeit)

  • Zweiter Stand: Adel

  • Dritter Stand

Außerhalb der Stände befanden sich unterständische Gruppen. Dazu gehörten die „unbehauste“ ländliche und städtische Unterschicht (Knechte, Dienstboten/Gesinde/Bettler, fahrendes Volk), Fremde, Personen anderer Konfessionen (Religionsgemeinschaften) als das Christentum (z. B. Juden) und Personen mit „unehrlichen“ Berufen (z. B. Scharfrichter/Henker/ Abdecker, Totengräber, Prostituierte).

Beim Dritten Stand gab es die ländliche und die städtische Gesellschaft. In der ländlichen Gesellschaft waren die Bauern Dritter Stand, wobei es Abstufungen zwischen freien Bauern Hörigen und leibeigenen Bauern gab. In den Städten entstand das Bürgertum. Die städtische Oberschichte (Patrizier) bildeten reiche Grundbesitzer, Fernhändler/Großkaufleute und möglicherweise noch einige reiche Handwerker und Gewerbetreibende. Danach kamen Handwerker, kleine Kaufleute/Händler/Krämer, Ackerbürger und weitere Angehörige der Mittelschicht, schließlich die Unterschicht).

Ungefähr seit der Mitte des 18. Jahrhunderts gerieten die Grundlagen der Ständegesellschaft in Bewegung.

Dafür gab es ein Bündel miteinander zusammenhängender Faktoren, unter anderem:

  • die Aufklärung mit ihrer egalitären Dynamik

  • dramatische Bevölkerungsvermehrung

  • beginnende Industrialisierung

  • Aufkommen bürgerlicher Öffentlichkeit

Dies verursachte einen Erosionsprozeß, der die Ständegesellschaft in Frage stellte und letztlich durch eine andere, auf dem Prinzip der Rechtsgleichheit beruhende Gesellschaftsordnung ablöste (Bürgerliche Gesellschaft).

Ansätze zu einem Abbau der Ständegesellschaft hat es teilweise im aufgeklärten Absolutismus gegeben, so z. B. unter Kaiser Joseph II. im Habsburgerreich in den 1780er Jahren, wo aber bald darauf viel davon wieder zurückgedreht wurde.

In Frankreich wurde die Ständegesellschaft mit der Französischen Revolution 1789 abgeschafft. Mit der französischen Vorherrschaft unter Napoleon war auch in einer Anzahl von Ländern ein (zumindest teilweiser) Abbau der Ständegesellschaft verbunden. Mit der Restauration kam sie 1815 in gewissem Ausmaß zurück.

Ein langsamer Abbau bzw. eine Aushöhlung der ständischen Vorrechte setzte sich in den bürokratisch-zentralistischen Anstaltsstaaten fort, wenn auch mit langsamen Tempo und mit politisch reaktionären und sozial konservativen Nachwirkungen (Konservatismus).

Die Revolution 1848/9 brachte in einigen Ländern/Staaten einen endgültigen Abbau der Ständegesellschaft, obwohl einige Reste bis zum Ersten Weltkrieg oder sogar bis zur Gegenwart überdauerten (z. B. das Oberhaus des Britischen Parlaments).

In Deutschland war der Beginn der Weimarer Republik (1918/9) ein Einschnitt. Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 enthielt in Artikel 109 die Aussagen: „Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben. Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.“

Im politischen Denken hat es aber zum Teil noch Bestrebungen hin zu autoritären Konzepten eines Ständestaates gegeben, mit Hierarchie und Zuweisung an einem festen Platz in der Gesellschaft.

Albrecht  03.02.2013, 00:31

entscheidende Faktoren bei der Auflösung der Ständegesellschaft waren:

1) allmähliche Aufhebungen der ständischen Privilegien (Vorrechte)

2) schrittweise Durchsetzung rechtlicher Gleichheit, welche die Vielfalt ständischer Privilegien, Gerichtsbarkeiten und Sonderrechte verdrängte

3) staatliche Bauernpolitik, deren Ergebnis eine Aufhebung der feudalen Abhängigkeiten (Bauernbefreiung) war

4) Säkularisation, von der die wirtschaftliche und soziale Stellung der römisch-katholischen Geistlichkeit (Klosterauflösung) und des die kirchlichen Pfründen nutzenden Adels unterminiert wurden (im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation Untergang der Reichskirche 1803)

5) Übergang von landständischer Partizipation (Teilhabe) zu Volksvertretung

Darstellungen in Fachlexika/Nachschlagewerken zu Geschichte bieten Informationen. In meiner Antwort ist herangezogen:

Petr Maťa, Ständegesellschaft 3. Auflösung. In: Enzyklopädie der Neuzeit. Im Auftrag des Kulturwissenschaftlichen Instituts (Essen) und in Verbindung mit den Fachwissenschaftlern herausgegeben von Friedrich Jaeger. Band 12: Silber - Subsidien. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2010, Spalte 870 - 871

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aurata  05.02.2013, 01:40
@LotharPawliczak

Albrecht ist weit besser als Wikipedia, außer er schreibt auch dort ;-)

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Kommt drauf an.Es gab zwar durchaus ein paar Republiken (italienische Stadtstaaten oder auch die Schweiz, wenn ich mich nicht täusche) aber an den meisten Orten wurde die Ständegesellschaft erst nach der franz. Revolution abgeschafft, oder noch später.

Ja die gab es, sie wurde in Deutschland erstmals von Napoleon durchkreuzt, nach den sogenannten "Befreiungskriegen" aber wieder hergestellt, was dann ja auch Restauration zu recht genannt wurde. Sukzessive wurde dann im 19. Jahrhundert die Herrschaft des Adels zurückgedrängt, sie endete aber hierzulande definitiv erst 1918. Mit der Herrschaft des Klerus war es nach Napoleon eigentlich vorbei, denn die Fürsten breiteten sich in der Zeit der Restauration auch auf Kosten der Geistlichkeit aus.

denke mal das gleiche wie lunatic1712, weil man bei der französischen revolution ja immer von den bauern, dem klerus und dem adel spricht. wenige jahre später, wiener kongress etc., da ist auf einmal nicht mehr davon soo die rede...