Machtposition im Mittelalter?

4 Antworten

Das kommt ganz drauf an in welcher Zeit genau du gerade bist. Im Frühmittelalter war zum Beispiel im Frankenreich der König die höchste, aber nicht unbedingt die mächtigste Position, denn die Hausmeier der Merowinger wurden schließlich mächtiger als die Könige, so dass der Papst im Jahre 751 ein Machtwort sprach und den Hausmeier Pippin III. zum König ernannte.

Mächtiger als ein König war später im Heligen Römischen Reich nur der Kaiser, der von den Kurfürsten gewählt und vom Papst gekrönt wurde. Während der Zeit des Investiturstreits stritten sich Kaiser und Papst um die wahre Macht im Reich (es ging darum, wer das Recht hatte, Bischöfe einzusetzen). Papst Gregor VII. demostrierte seine Macht äußerst deutlich, als er Kaiser Heinrich IV. exkommunizierte und ihn zwang, vor Canossa (mitten im Winter barfuß und im Büßerhemd) drei Tage lang um Vergebung und Wiederaufnahme zu betteln.

Als Grobe Hierarchie unter den weltlichen Herrschern kannst du dir folgende Rangordnung für den Adel im Mittelalter und in der frühen Neuzeit merken (die aber nicht immer und überall gültig war):

Kaiser --> König / Fürst --> Herzog --> Marquis / Landgraf  --> Graf --> Baron / Freiherr.

Bei den kirchlichen Herrschern sah und sieht die Rangfolge so aus:

Papst --> Kardinal --> Erzbischof --> Bischof.

Die Äbte eines Klosters konnten überdies ebenfalls großen kirchlichen Einfluss und Macht ausüben, weshalb sie ebenfalls nicht unerwähnt bleiben sollten.

Es war noch etwas komplizierter. Im katholischen System lag nämlich das Primat bei der Kirche und der Papst stand über allen Königen und Kaisern weil er die Deutungshocheit hatte im Rechtsystem das faktisch auf christlichen Werten aufbaute,die dann gedeutet wurden(manchmal bis sie ins Gegenteil verkehrt wurden, aber deswegen ist die Deutungshochheit wchtig und nicht das eigentliche Recht). Da blieb die Kirche eine eigene Hierarchie, die neben der weltlichen existierte. D.h. so ein Kardinal war nicht faktisch Führer eines Landes, diese Kompetenz lag bei der weltlchen Macht, aber er war dann eben ein sändiger Vertreter und Bewahrer der Macht der Kirche und des Papstes. Das ist so ähnlich wie eine Bundesbehörde, die sich nicht direkt in das Regieren der Länder einmischt, ausser es gibt Probleme oder es muss eine Situation gesteuert werden, die für den ganzen Bund relevant ist. Vertreter so einer Bundesbehörde kann nicht ohne weiteres in die Regierung des Landes eingreifen aber er spricht eben auch im Namen des Bundes.

MarkusKapunkt hat ja dankenswerter Weise bereits ausführlich die adlige einschließlich der geistlichen Hierarchie geschildert und mit Recht auch auf zeitliche Unterschiede im Mittelalter hingewiesen.

Ich möchte noch etwas ergänzen, und zwar speziell zum Thema "Herrschaft" im Heiligen Römischen Reich.

Der Kaiser bzw. der König stand an der Spitze der adligen Hierarchie. Er vererbte seine Stellung nicht, sondern wurde von den weltlichen und geistlichen Fürsten des Reiches gewählt. Im 14. Jahrhundert wurde eine feste Anzahl an Wählern festgelegt, und zwar vier weltliche und drei geistliche Fürsten. Sie standen unterhalb des Kaisers/Königs an der Spitze des weltlichen und geistlichen Adels und wurden als Kurfürsten bezeichnet.

Der hohe Adel im Reich setzte sich aus solchen Adligen zusammen, die ihr Land vom Kaiser/König bzw. Reich zu (erblichem) Lehen nahmen. Das waren weltliche und geistliche Personen:

  • Kurfürsten,
  • dann die Gruppe der Fürsten; Herzöge, Markgrafen, Landgrafen,
  • schließlich noch Grafen und Freiherren (Reichsritter);
  • Erzbischöfe (sofern sie keine Kurfürsten waren), Bischöfe und Reichsäbte und Reichsäbtissinnen, die alle zu den Fürsten zählten;
  • daneben gab es einige Reichsstädte bzw. Reichsdörfer, die ebenfalls nur dem Reich bzw. dem Kaiser untertan waren.

Wenn man nun fragt: "

wer herrschte über wen?

", so lautet die vielleicht verblüffende Antwort: in der obigen Hierarchie waren alle geistlichen und weltlichen Adligen überwiegend selbständig! Ein Kurfürst oder ein Fürst konnte einem Grafen keine Befehle erteilen, kein Adliger einer Reichsstadt oder einem Reichsdorf. Selbst der Kaiser konnte den geistlichen und weltlichen Adligen keine Befehle erteilen, sondern musste sie zu einem Reichstag berufen und mit ihnen verhandeln, um sein Ansinnen durchzusetzen.

Eine Ausnahme sei erwähnt: die Reichsritter, die im Hochmittelalter vom Kaiser/König als Verwalter von Reichsgütern eingesetzt worden waren und auf seinen Befehl auch Kriegsdienste leisten mussten. In diesem Falle darf man von "Herrschaft" des Kaisers/Königs sprechen. Aber im späteren Mittelalter wurden aber auch die Reichsritter Landesherren ihrer kleinen Länder und handelten ebenfalls ihre Leistungen mit Kaiser und Reich aus.

Für das Heilige Römische Reich war die Tatsache maßgeblich, dass die Adligen gemeinsam, als ein Kollektiv herrschten. Der Herrschaftsmittelpunkt  und damit das Machtzentrum war im Mittelalter zuerst der reisende Hof des Kaisers/Königs, an dem sich mächtige geistliche und weltliche Fürsten versammelten und zusammen mit dem Kaiser/König Entscheidungen trafen, die beurkundet wurden. Der Hof stand im Prinzip jedem Adligen der Region, in dem sich der Hof gerade befand, offen. Allmählich bildete sich die Gewohnheit heraus, alle wichtigen geistlichen und weltlichen Adligen des Reiches: Kurfürsten, Fürsten und die mächtigsten Reichsstädte, an bestimmte Orte des Reiches zu Reichstagen zu berufen. Dort versammelten sich die Adligen und die Städte als sog. "Reichsstände". In der frühen Neuzeit schafften es auch die Grafen, sich zu regionalen "Vereinen" zusammenzuschließen und für ihre Vereine auf dem Reichstag ein kollektives Stimmrecht zu erhalten. Die Reichsstände legten dem Kaiser/König, nachdem er seinen Reichsständen sein Anliegen vorgetragen hatte, ihre Beschwerden vor. Dann wurde verhandelt, schließlich ein Beschluss gefasst, den man "Reichsabschied" nannte. Der Kaiser/König sorgte für die Umsetzung der Beschlüsse im Reich, die Reichsstände in ihren Ländern.

Alle Adligen des Reiches waren dennoch Herrscher, und zwar über die Untertanen ihrer Reichsländer. Aber auch ihre Herrschaft wurde im Laufe des Spätmittelalters eingeschränkt, weil sich nach dem Vorbild des Reiches die weltlichen, ritterlichen Adeligen, die höhere Geistlichkeit und die wohlhabenden Städte das Recht erkämpften, als sog. "Landstände" politisch mitzusprechen. Der Landesherr berief dann seine Reichsstände, beide trugen ihre Anliegen vor und verhandelten. Der Beschluss, der Landtagsabschied, wurde schriftlich festgehalten.

Kurz: Herrschaft im Reich und in den Ländern des Reiches war im Laufe des Mittelalters immer weniger ein Befehlen und Gehorchen, sondern zunehmend ein bürokratischer Akt, so wie wir das heute noch kennen.

MfG

Arnold

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich arbeite als Historiker.

Das Mittelalter zog sich über mehrere Jahrhunderte und die Machtpositionen wechselten stetig.

Eine allgemeine Aussage dazu wirst nicht finden.

Jeder, der sich mit anderen Allianzen Vorteile erhoffte, wechselte.

Wenn im Hochadel jemand sehr viel Macht erlangte, sorgte das immer mal über längere Zeiträume für stabile politische Verhältnisse, dann verlagerte sich das übliche Gezänk halt in die unteren Schichten.

Darüber haben schon Andere ganze Bücher verfasst und ohne einen konkreten Zeitabschnitt lassen sich Machtverteilungen für „das Mittelalter” nicht spezifizieren.