"Sprachen haben 0,0 mit Logik zu tun" -stimmt ihr der These eines Bekannten zu?

6 Antworten

Sprachen haben gewöhnlich einen rationalen und durch strenge Gesetzmäßigkeiten erklärbaren Kern, aber dazu kommen jede Menge Sonderregeln, schräge Vögel und idiomatische Wendungen, die diesem Kern widersprechen. Da Widersprüche die Logik kaputtmachen, sind also alle Sprachen zu irgendeinem Grad unlogisch.

Die Widersprüche zu den allgemeinen Regeln ergeben sich oft als Reste einer älteren Sprachstufe, in denen die Regeln noch anders waren — das klassische Beispiel ist die Konjugation des Wortes sein im Deutschen, die keinen Regeln folgt, aber dafür noch Erinnerungen an die Bronzezeit mit sich herumschleppt. Eine andere Möglichkeit ist Sprachveränderung, und da kann man wieder innere Entwicklungen (z.B. Lautver­schie­bungen) von äußeren Einflüssen (Beeinflussung durch andere Sprachen unter­schei­den). Gleichzeitig gibt es aber auch Bestrebungen der Sprecher, die Sprache „re­gel­mäßiger“ zu machen, indem schräge Vögel der Mehrheit angepaßt werden. Dazu ein paar Beispiele:

  • Früher hatten starke Verben im Singular und Plural des Präteritums verschiedene Vokale (ich band aber wir bunden). Das betraf alle starken Verben, aber in einigen davon fielen durch Lautverschiebungen die beiden Vokale zusammen. Am Ende des Mittelalters fanden die Sprecher das offenbar zu verwirrend und verwendeten nur noch einen Vokal fürs ganze Präteritum, meist den der alten Singular-Formen.
  • Dadurch entstand aber ein neues Problem: Der Konjunktiv wurde nämlich von al­ters­her mit dem Vokal des Plurals gebildet, und den gab es jetzt gar nicht mehr im Indikativ. Meistens paßte sich der Konjunktiv an den neuen Vokal an (wenn ich bände, nicht **bünde), aber in einigen Fällen nicht: ich stünde, vom alten Para­dig­ma ich stand, wir stunden.
  • Ein anderes Beispiel: Es gab einmal im Deutschen eine kleine Gruppe von Verben, die die 1 P Sg im Präsens mit der Endung -n (aus älter -m) bildeten; im Lauf der Zeit starben einige davon aus, andere paßten sich der Mehrheit an (ich bin ist der letzte Überlebende). Noch im Mittelalter sagte man ih tuon für ‘ich tue’, und bis heute ist das Verb in mancher Hinsicht ein Sonderfall, mit dem Infinitiv tun (statt wie erwartet **tuen oder **tuhen) und dem unerklärlichen Präteritum ich tat.

Nun gibt es Sprachen, die wirklich weitgehend regelkonform funktionieren, ein Bei­spiel ist Türkisch, da kann man fast alle Formen eines Verbs oder Substantivs bilden, ohne Stammformen gelernt zu haben; die paar vorhandenen Tücken lassen sich laut­lich oder historisch leicht erklären. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Sprachen, bei denen man sich vorloren vorkommt, wenn man irgendeine Regel aufstellt, denn in der Praxis taugen die Regeln nur wenig; manche Sprachen des Kaukasus sind von diesem chaotischen Typ.

Da ich diese aber nicht kann, bringe ich ein etwas moderateres Beispiel, nämlich Alt­griechisch. Da kann jedes Verb so ungefähr 300 Formen bilden, und dann nochmals 200 durch die vielen Partizipia in allen Deklinationsendungen. Um diese Formen alle bilden zu können, braucht man so ca. 8 Stammformen, und muß dann noch mit zahl­reichen Sonderformen und Ausnahmen zurechtkommen, ganz zu schweigen davon, daß manche Verben sowieso total anders konjugieren als der Rest.

Allerdings zeigt der Blick auf die Geschichte, daß Sprachen immer wieder Phasen von radikaler Vereinfachung durchlaufen. Denn wenn sich durch das Gefummel der Jahr­hunderte genug Inkonsistenzen angesammelt haben, fährt die Sprechergemeinschaft mit dem Rasenmäher drüber. Im Deutschen passierte das zuletzt ca. 1400–1550. Auch modernes Griechisch hat eine drastisch vereinfachte Verbstruktur mit nur zwei fort­geführ­ten Stammformen.

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik

Nein.

Der Großteil der Grammatik ist logisch, aber nicht alles. Genauso ist es bei der Schreibweise.

Nein - manche Sprachen sind recht logisch aufgebaut - andere weniger, aber wenn Sprachen keine Logik hätten wäre es unmöglich, sie auch nur einigermassen zu lernen .

Demzufolge wäre dann

https://de.wikipedia.org/wiki/Sprachwissenschaft

keine Wissenschaft oder wie? Das dürften Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenchaftler (meiner Ansicht nach berechtigt) anders sehen.

Ohne eine innere Logik in der Sprache wäre eine Verständigung mit diesem Hilfsmittel nicht möglich.

Nein, man kann mit Logik in Sprachen schon weiter kommen.