Spanisch 1. 3. Person Singular gleich?

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Hallo,

dass du hier gleiche Endungen hast, liegt einfach an der regelmäßigen Lautentwicklung die das Lateinische zum Spanischen durchlaufen hat. Im Latein waren die Endungen noch für alle Personen verschieden. Die 1. Singular endete in diesen Zeiten (das Condicional gab es noch nicht, aber dessen Endungen sind auf die des Imperfekts zurückzuführen) auf -m und die 3. Singular auf -t. Dummerweise sind diese beiden Endkonsonanten verstummt und im Spanischen auch aus der Schrift verschwunden. Dass die Verben im Präsens auf einen Vokal enden, liegt ebenfalls an dem verschwundenen -t, während das -o bereits im lateinischen Präsens die regelmäßige Endung war - auch "es" ist also ganz regelmäßig aus "est" entstanden.

Ähnlich ist auch die ursprüngliche Endung -nt in der 3.Plural im Spanischen nach dem t-Schwund zu -n geworden.

Hoffe, das beantwortet deine Frage.

LG

bailandoxaqui  25.07.2023, 17:15

Das ist sehr hilfreich. Latein ist wirklich interessant. Mal schauen. Nächstes Schuljahr hat es meine Tochter in der spanischen Sekundarstufe. Da werd ich öfter mal reinblättern.

Aber auch wenn Spanisch von Anfang an um Endungen wie Vokal + nt bereinigt war, ist die Frage, wann das eigentlich entstand. So einen Switch von heute sprechen wir Latein, morgen Spanisch, hat es ja nicht gegeben. Du hattest ja auch den Begriff Lautwandel mit angegeben.

Das klassische Latein war ja eine Kunstsprache, die sich relativ früh aus dem gesprochenen Latein entwickelte und dieses in ein sehr enges Korsett fasste und nur selten aktualisiert wurde. Das gesprochene Latein entwickelte sich über die Jahrhunderte weiter und als die Unterschiede zu groß waren und das Volkslatein dann parallel zum Latein niedergeschrieben wurde, nannte man es zur Unterscheidung Romanisch.

Die Frage ist also auch, inwieweit das schon im gesprochenen Latein sich so eingebürgert hatte und erst mit der neuen Sprache (und dafür verwendeten zunächst freien Orthographie) dann schriftlich festgehalten wurde.

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verbosus  25.07.2023, 18:56
@bailandoxaqui

Hallo, dank des Vesuvausbruchs im Jahre 79 n.Chr. sind uns viele Graffiti in Pompeii und Herculaneum erhalten geblieben. Das Interessante daran ist, dass viele Leute so geschrieben haben, wie sie auch gesprochen haben. So fehlt zum Beispiel in einigen Inschriften bereits hier das Endungs-t der 3.Person Singular! Auch gibt es weitere Quellen für das sogenannte Vulgärlatein (= das von den einfachen Leuten gesprochene Latein), die uns ebenfalls Hinweise darauf geben, wie sich das gesprochene vom geschriebenen Latein unterschieden hat. Diese Quellen erlauben zusätzlich die Datierung bestimmter Veränderungen, sodass wir also davon ausgehen dürfen und können, dass sich viele der Lautveränderungen bereits in Vor-romanischer Zeit ergeben haben. Etwa gibt es viele Belege für den lautlichen Zusammenfall von v und b - na, kommt dir das bekannt vor ... ? Und wenn ich mich richtig erinnere, hat bereits im 4. oder 5. Jahrhundert jemand - ich glaube es war ein nordafrikanischer Autor (Augustinus ?) . sinngemäß gesagt: Oh, die glücklichen Spanier, für die "bibere" (= trinken, beber) "vivere" (= leben, vivir) bedeutet.

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bailandoxaqui  25.07.2023, 19:09
@verbosus

Hehehe, das mit bibere und vivere ist ja wirklich cool. Das spanische h ist ja auch eine Hommage an das lateinische Anfangs-f, das dort dann überblasen wurde (ff wie im Original des Cantar del mío Çid, > h) und aus der Aussprache verschwand: facĕre > f(f)açer > hacer.

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verbosus  25.07.2023, 19:46
@bailandoxaqui

Allerdings ist der Wandel f -> h eine regional begrenzte Entwicklung, das ist nur im Kastilischen und im Gascognischen passiert - vermutlich unter Einfluss des Baskischen. In anderen romanischen Sprachen ist das f- erhalten geblieben - wenn man von der Entwicklung fl- -> ch- im Portugiesischen absieht. Und dann gibt es ja noch ein paar "h", die aus dem Latein im Spanischen überlebt haben (haber, habitación ...) und die lustigen h-, die einen Diphthong am Wortanfang verhindern sollen, die es aber so im Latein nie gegeben hat (etwa hueso zu vlat: osso und huevo zu vlat.: ovo) Tatsächlich ist das h wohl schon vor unserer Zeitrechnung im gesprochenen Latein verstummt, so macht sich Catull über jemanden lustig, der sich unsicher ist, welche Wörter in gepflegter Aussprache mit h gesprochen werden und welche ohne. Diese Person hat dann vorsichtshalber auch solche Wörter mit h gesprochen, die nie eines hatten! Ein weiterer Hinweis auf das stumme h: In lateinischer Dichtung wird "h" niemals als Konsonant gezählt, sondern bleibt für die Messung von Längen und Kürzen unberücksichtigt.

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bailandoxaqui  30.07.2023, 11:06
@verbosus

Ich wusste nicht, dass das teilweise schon vorher bestand. Bei der Entwicklung zum Spanischen ging es etwas hin und her.

Spanisch bzw. Kastilisch hatte sich ja damals im äußersten Norden Spaniens entwickelt, da zunächst fast die gesamte iberische Halbinsel durch die muslimische Invasion besetzt war.

Kastilisch entwickelte sich als Behelfssprache zwischen den Fronten, wo jeweils unterschiedlichste romanische Dialekte gesprochen wurden. Kastilisch war eine Koiné-Sprache, die von allen anderen Iberern verstanden wurde und in den rückeroberten Gebieten zum Einsatz kam.

Es war sozusagen das modernste Romanisch, die aus den rückeroberten Gebieten sprachen eine Uralt-Version des Romanischen namens Mozarabe (arabisiertes Romanisch).

Gerade der Galicische, Leonesische, Aragonische und baskische Einfluss waren dort vorhanden, aber Baskisch (Euskadi) selbst hatte mit dem Latein nichts zu tun.

Das Witzige ist ja auch, dass Spanisch dann durch Alfonso X. und die Verlegung des Hauptstadtsitzes nach Toledo, wo es zuvor zur Vermischungen mit dem in der Zeit stehengebliebenen mozarabischen Romanisch gab, die Unterscheidung von b und v und die Aussprache von f statt h vorübergehend wiederbelebt wurde.

Während der Norden (Altkastilien) dann f zunächst vermutlich beidlippig /ɸ/ aussprach, geschah dieser Wandel im Süden (Andalusien) über j /x/ (huelga -> juerga). Ebenso wurden b und v im Norden wie Süden nicht weiter unterschieden. Bis das Kastilische aus Toledo (norma toledana) später nachzog.

Es gab also eine erste Entwicklung hoch im Norden, eine Vermischung inkl. Rückschritt, was den Sprachwandel anbelangte, in der Mitte und eine weiterentwicklung im Süden der iberischen Halbinsel, wo das neueste Spanisch aus dem Norden im Rahmen der Wiedereroberung ankam und auf eine kommunikationsfreudige Bevölkerung traf, von der aus Amerika besiedelt wurde.

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Die 1. und 3. Person sind normalerweise leicht auseinanderzuhalten.