Simultankontrast, Entstehung und erklärung?

1 Antwort

Das Thema kurz und einfach abzuhandeln ist unmöglich.

Warum ist das Auge bestrebt, Unterschiede (in den Farben) zu erkennen? Weil da, wo es im Bild Unterschiede gibt, Bedeutung verborgen ist. Die meisten Unterschiede (in punkto Farbe, Helligkeit, Textur) sind minimal und verlaufen langsam. Da wo sich abrupt etwas ändert, ändert sich etwas in der Umwelt, beispielsweise endet ein Tisch, eine Stufe, ein Weg. Wenn ein Organismus Objekte oder Bedeutungsvolles erkennen möchte, muss er abrupte Änderungen erkennen können. Wenn man abrupte Unterschiede in verschiedenen Größenordnungen erkennen kann, erhält das visuelle System eine Art Konturmap (eine Skizze, ähnlich einer Strichzeichnung) mit Kanten, die in der realen Welt eine Bedeutung haben. Orte, an denen sich Änderungen nur langsam und kontuierlich ergeben, sind unwichtig und bedeutungslos.

Im Prinzip unterschätzt jeder die Schwierigkeit der Wahrnehmung, weil wir von der Leichtigkeit und Schnelligkeit, mit der wir etwas wahrnehmen, getäuscht werden. Die computational tasks, die Rechenoperationen, die das Gehirn durchführen muss, um irgendetwas zu erkennen (egal in welchem Sinneskanal) sind im Gegenteil sehr komplex und nur unter vielen Zusatzannahmen des Gehirns lösbar. Die festverdrahteten Annahmen über die Beschaffenheit der Welt kann man recht gut mit Hilfe von (optischen und anderen) Täuschungen erkennen.

depressedcat 
Fragesteller
 10.01.2017, 11:34

Danke, ist es dabei jedoch nicht eher hinderlich wenn man Farben aufgrund von anderen Hintergründen etc anders wahrnimmt?

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Shiftclick  10.01.2017, 11:44
@depressedcat

Ich bin jetzt absichtlich nicht genauer auf die Farben eingegangen. Im schwarzweissen Bereich funktioniert es ja ähnlich. Die meisten Tiere können keine (oder nur wenig) Farben sehen und nachts kommen wir prima ohne Farbensehen zurecht. Wir lassen uns täuschen von der Einfachkeit, ein rotes Auto oder einen roten Apfel als Rot zu erkennen. Wer denkt, das wäre einfach, muss nur mal probieren, ein Auto oder einen Apfel in Photoshop freizustellen. Diese intelligenten Tools sind so 'dumm', dass man meistens jedes Detail oder jede Farbgrenze von Hand (mit dem wahrhaft intelligenten 'Auge') nachzeichnen oder verbessern muss. Wenn man einen roten Apfel oder ein rotes Auto durch einen Trinkhalm betrachtet, dann erkennt man, dass es aus Millionen verschiedenen Rots besteht. Nur weil das visuelle System (vorher) erkannt hat, dass es sich um ein Auto oder einen Apfel handelt, 'sehen' wir EINE Farbe (weil eine der hardwaremäßig festverdrahteten Annahmen über die Welt die ist, dass sich Dinge nicht ständig und plötzlich ändern sondern konstant bleiben [Ausnahmen, Wolken oder ein Fluß]). Während sich das rote Objekt bewegt, ändern sich ständig die Lichtverhältnisse (z.B. wenn das Auto entlang einer Allee oder in einer Straßenschlucht fährt). Wir 'sehen' nicht etwa die Wellenlänge der Farbe, die das Auto aussendet, sondern eine Konstruktion des Gehirns, nach einer sehr komplizierten Kalkulation: da fährt ein rotes Auto und Autos haben (in der Regel) überall EINE Farbe und diese ändert sich nicht, obwohl ständig andere Daten ins Auge gelangen. Auch eine Digitalkamera muss einen Weißabgleich vornehmen bevor sie ein Bild auf die SD-Karte schreibt, auch sie 'registriert' keine Lichtwellenlängen sondern kalibriert den Input aufgrund plausibler Annahmen (beispielsweise: die hellste Stelle im Bild wird ja wohl Weiß sein [egal was für ein schmutziges Grau oder Gelb oder Blau da vorliegt]).

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