Schizophrenie, Spiritualität oder Objektivität. Wo ziehe ich die Linie?
Ich las vor kurzem ein Buch mit einem Segment über Schizophrenie, dort wurde die Grundstörung der Schizophrenie als Verunsicherung des Ich Kerns beschrieben, also der Identität des Betroffenen.
Der Betroffene ist nicht mehr in der Lage, wichtige oder wesentliche Eindrücke von unwichtigen oder unwesentlichen Eindrücken zu trennen.
So ist der Schizophrene konstant der Gänze der alltäglichen Eindrücke ausgeliefert oder zumindest einem größeren Teil als der "Normale" und bekommt (so wie ich das verstanden habe) bewusst Prozesse und Informationen von seinem Unterbewusstsein "eingespielt", die normalerweise durch unterbewusste automatisierte Prozesse geregelt oder unterdrückt werden.
Wenn dem so ist, dann wären die "Botschaften" und oder visuell auditiven Halluzinationen, die er erlebt, so gesehen also durch äußere Eindrücke empfangen, nicht nur imaginär.
Was nicht bedeutet, dass diese Eindrücke vom Betroffenen bewusst eingeordnet werden können und dadurch dann skurrile Form annehmen.
Eine meiner Fragen ist also: Warum wählt das Gehirn spezifische Bilder oder Geräusche wie z.B. visuelle oder auditive Halluzinationen oder Träume und was ist der Unterschied zwischen den zweien? Sind diese zufällig oder versucht das Unterbewusstsein einem etwas mitzuteilen? Ähnlich wie Carl Gustav Jung den Traum als unmittelbar deutlich werdende Darstellung der inneren Wirklichkeit des Träumenden verstand?
Der Autor fährt fort und sagt: "Jeder weiß normalerweise, was es heißt, wenn er ICH sagt. Genau das aber ist dem Schizophrenen zweifelhaft geworden. Was ist er selbst, was macht seine Umwelt?". Der Schizophrene weiß also nicht, ob seine Gedanken und Gefühle von ihm sind oder von außen eingegeben werden. Unter anderem fragt er sich auch, ob seine Gedanken von anderen gehört werden können oder gar entzogen werden können.
Beschäftigt man sich mit "dem Ego" kommt man jedoch schnell auf viele Gründe sein "Ich" zu hinterfragen. Der Satz: "Jeder weiß normalerweise, was es heißt, wenn er ICH sagt." wirkt auf ein mal nicht mehr so selbstverständlich.
Man merkt, dass vieles, was man vorher als originellen Teil seiner selbst beschrieben hätte, eigentlich eben doch von anderen eingegeben wurde bzw. von einem selbst unterbewusst zu Überlebens- oder Anpassungszwecken angeeignet wurde (Überleben/anpassen auch im sozialen sinne gemeint).
Dass Emotionen ansteckend sind, ist glaube ich, fast jedem klar. Als ich mich mit "emotionalem bewusst sein" beschäftigt habe, lernte ich, dass es nicht von Vorteil ist, jede Gemütslage (oder jeden Gedanken) sofort mit sich zu assoziieren und zuerst seine Umgebung zu analysieren, um den Ursprung dieser Emotion und oder des Gedanken zu ergründen. Oft wird man merken, wie sehr die bloße Anwesenheit von anderen diese inneren Welten beeinflussen und dadurch in der Lage sein, eine präzisere Linie zwischen Einflüsse der Innen- und der Außenwelt ziehen zu können.
Leider geht mir jetzt der platzt aus also meine letzte Frage: Wo ist die Linie?
3 Antworten
Im Grunde genommen gibt es keine Linie. Die Schizophrenie ist eine Art Überspannung des Gehirns, die eine permanente Reizuberflutung des Gehirns bewirkt. Das, was der Betroffene dann erlebt, ist, dass Filtern unmöglich wird. Die innere Welt wird zur Realität (...also quasi das, was auch bei'm gesunden Menschen durch eigenes Ego und Tunnelblick passieren kann, nur viel übersteuerter. Ich gehe gleich noch näher darauf ein.)
Ich versuche es jetzt mal mit Metaphern und mit dem Direktvergleich bei einer Depression. Bei dieser passiert im Grunde genommen ein Effekt, wo ein bestimmter "Standby Modus" entsteht. Man kann es im Grunde genommen damit vergleichen, dass die Sicherung kommt, bevor das System zu weiterem Schaden kommt. Eine Art Überspannung löst quasi eine neurologische Schutzfunktion aus. Der Depressive fühlt sich emotional taub und lahmgelegt.
Eine Schizophrenie wiederum ist das exakte Gegenteil davon. Diese Schutzfunktion setzt nicht ein. Das Gehirn ist im Gegensatz zum lahmgelegten Depressiven komplett ubersteuert und in permanenter Spannung.
Auslöser dafür ist eine übermäßige Ausschüttung des Hormons Dopamin.
Und damit ein Beispiel dafür, wie sich Schizophrenie in etwa anfühlen muss: Der Hormoncocktail der bei einem Schizophrenen ausgeschütttet wird, ist vergleichbar mit Verliebtsein, bei dem jeder Mensch auch bereits spüren kann, dass er nicht so denkt und fühlt, wie er es normalerweise würde und das Gefühl hat, dass er über seine Gefühls- und Gedankenwelten weitaus weniger Kontrolle hat, als normal. Bei Beidem wird ein sehr ähnlicher Hormoncocktail ausgeschüttet. Nur bei einer Schizophrenie in weitaus höheren Dosen.
Allerdings sind die Auswirkungen vom einen Schizophrenen zum Anderen doch sehr verschieden. Denn erstens gibt es unterschiedliche Formen der Schizophrenie und die unterschiedlichen Vorgeschichten der Betroffenen spielen ebenso mit hinein, auf welche inneren und äußeren Reize der Betroffene besonders anspricht.
Ich habe z.B. ein Familienmitglied mit einer paranoiden Schizophrenie, also eine Art Verfolgungswahn. Das ist eine Form, bei der Vieles auf eher utopische Art auf sich selbst bezogen wird, Verschwörungen vermutet, bis hin zu dem Gedanken, dass die Menschen im eigenen Umfeld nur so aussehen wie die Menschen die man kennt, aber andere Menschen sind.
..Die hormonelle Schieflage eines Schizophrenen ist im Grunde bereits vorhanden, wie es sich am Ende äußert hat viel mit persönlichen Triggern zu tun. Und ebenso, wodurch die Erkrankung tatsächlich ausbricht/offensichtlich wird.
Im Falle meines Familienmitglieds sind es nicht aufgearbeitete Traumata, auf denen in dem Fall der gedankliche und neurologische Fokus liegt. Bzw. die darüber entscheiden, von was der Betroffene am meisten besessen ist.
Das Gefühl, dass diese Informationen von außen eingegeben werden, ist aber in dem Fall nicht gegeben und auch generell nicht bei jeder Form der Schizophrenie. Es ist vielmehr das, was bei einem gesunden Menschen auch meist der Fall ist: Emotionale Welten und Gedanken werden von Vielen nicht zwingend in Frage gestellt. Bei einem Schizophrenen wiederum sind es undenkbare Dinge, die nicht in Frage gestellt werden. Aber durch eine tatsächliche Begebenheit irgendwann unbewusst ausgelöst wurden.
Dass ein Ego in dem Fall nicht ausgeprägt ist, würde ich aber nicht sagen. Es ist genau der individuelle Fokus der die innere Welt durch Überproduktion von bestimmten Hormonen übermächtig macht. So dass der Betroffene nicht mehr unterscheiden kann, was Fiktion und Realität ist. Vergleichbar mit einer Art Drogentrip. Den in dem Fall körpereigene Drogen bewirken.
Die Schizophrenie hat eine gänzlich andere Pathophysiologie als diejenige, die man bei Verliebten vorfindet (anhand funktioneller kernspintomographischer Untersuchungen eindeutig belegt!).
Die Stimmen die Schizophrene hören unterscheiden sich von der Telepathischen Kommunikation die Leute, die zum Beispiel ein Nahtoderleben erfahren, berichten.
Schizophrene können keine konkrete Sätze verstehen, es kommen keine wirklichen Informationen an. Es ist mehr das Gefühl, dass man Stimmen im Kopf hat. Man hört gesprochenes Wort, das man nicht wirklich interpretieren kann. Vielleicht sind das unverarbeitete traumatisierte Anteile. Vielleicht kommen die von außen. Da kann ich nur spekulieren.
Telepathische Kommunikation ist laut den Berichten dagegen ohne Ton bzw ohne Sprache. Es wird das Wissen direkt übertragen. Man weiß was der andere denkt. Es ist ziemlich eindeutig, was Mitgeteilt wurde.
Es gibt keine Linie. Du baust dir deine Welt in jedem Bruchteil jeder Sekunde neu genauso auf, dass sie exakt in dein "Weltbild" passt.
Das klingt als würde man jeden äußeren Eindruck der nicht in unser selbsterschaffenes Weltbild reinpasst einfach weg ignorieren. Was bei den meisten wohl der Fall ist aber wirklich bei jedem? Wenn ein Wissenschaftler etwas sieht das er zuvor für unmöglich hielt dann ignoriert er das hoffentlich nicht einfach weg...