Pferd scheren wie am besten und welche Decke drauf?

4 Antworten

hallo,

du stellst eine sehr gute frage, die einer ausführlichen antwort bedarf.

entsprechend der beschreibung in deiner frage ist das schwitzen des pferdes stoffwechselbedingt. mit 99% wahrscheinlichkeit ist es fütterungsbedingt.

das besonders schnelle schwitzen sagt mir, dass die fütterung kohlenhydratlastig ist. überschüssige kohlenhydrate, bzw. ihre stoffwechselprodukte, werden in wärme umgesetzt und über die haut ausgeschieden.

wenn die fütterung entsprechend auf mehr rohfaser (mageres heu, ETWAS futterstroh) und weniger kraftfutter ausgelegt wird (eine handvoll hafer zum mineralfutter genügt) wird das schwitzen beim pferd nachlassen.

aus dem konkurrenzdruck der günstigen stallmiete für die einsteller füttern viele ställe mittlerweile statt hochwertigem hafer gern rübenschnitzel (schwarzes), ein kohlenhydratlastiges futter oder billige pellets.

zu erkennen ist das übrigens auch für einen aussenstehenden - denn auch über die lunge werden die KH verstoffwechselt - der atem der pferde riecht häufig leicht alkoholisch oder schweflig.

kohlenhydrate werden beim "verbrennen" ausgeschieden. sie werden beim bewegen des pferdes in wärme umgesetzt. pferde, die viel brot bekommen, schwitzen ebenfalls schon bei leichter bewegung stark. für konditions- und muskelaufbau braucht es aber eiweiss.

das heu, dass das pferd über den tag bekommt, mit luzerneheu mischen - oder, falls die andern pferde mitfressen und du sie nicht mitfüttern willst, entsprechend luzernepellets geben. mit 50g pro tag anfangen, alle 3 tage um 50g steigern bis auf etwa 250/300g täglich. kannst du trocken oder eingeweicht füttern - ich würde sie NICHT einweichen, damit sie gut eingespeichelt werden.

falls es im winter sehr kalt wird, kannst du je nach temperatur bis auf 400g steigern, da der muskeltonus bei kälte gesteigert wird.

kohlenhydratreiches futter sorgt generell dafür, dass die pferde schneller auskühlen - da ja die stoffwechselprodukte über die haut ausgeschieden werden.

da nützt übrigens auch eine decke nicht wirklich was, da sich darin die feuchtigkeit der haut fängt und wieder auf die haut gelangt. das pferd kühlt immer mehr aus.

http://www.pferde-ausbildung.de/kaelte-und-pferd/

das scheren wirkt sich kontraproduktiv auf die thermoregulation aus, da die schützende deckhaarschicht entfernt wird und die haut schutzlos der witterung ausgesetzt ist. das luftpolster geht verloren.

ich gehe mal davon aus, dass das pferd den sommer über nicht eingedeckt wurde. von daher ist es daran gewöhnt, ohne decke zu laufen. auch wenn die stute nicht so viel fell schiebt - wenn du durch eiweissreicheres futter und moderates training mehr muskeln beim pferd aufbaust genügt das völlig, dass es über den winter die temperatur ausgleichen kann.

nach dem training solange im gemütlichen schritt weiterreiten, bis das pferd wieder ganz trocken ist. gegen das eindecken nach der arbeit spricht grundsätzlich, dass der körper des pferdes weiterhin feuchtigkeit abgibt, die unter der decke kondensiert und wieder auf die haut kommt. das kann sogar zu erfrierungen der haut führen. ausserdem gehen die pferde häufig klamm, weil die muskeln übersäuern.

durch das trockenreiten (oder auch trockenführen - sattel auf dem pferd lassen) werden die stoffwechselprodukte durch die arbeit nicht wie beim schnellen abkühlen im stand und durch das kondensieren des schwitzwassers im muskel "konserviert", sondern werden noch verstoffwechselt und ausgeschieden, bzw. wieder vom organismus verarbeitet. das vermeidet muskelkater.

ich würde es mit der futterumstellung versuchen, anstatt zu scheren. in vier wochen dürfte sich da schon einiges getan haben, wenn du in den nächsten tagen damit anfängst und es konsequent durchziehst.

auch ein pferd, das wenig winterfell schiebt ist gut vor der kälte geschützt. die stute steht, wie du beschreibst, ganzjährig seit mehreren jahren im offenstall. damit ist ihr oranismus an den wechsel der jahreszeiten angepasst.

grundsätzlich ist das scheren eigentlich nur für pferde zu befürworten, die unter ecs oder anderen schweren stoffwechselerkrankungen leiden. diese pferde schert man allerdings ganzjährig, also auch im sommer.

das scheren und eindecken muss man immer im zusammenhang mit den gesamten haltungsbedingungen sehen.

verzichte auf das scheren - und pack ab etwa MINUS 10 grad eine dünne, atmungsaktive decke drauf, die dann eigentlich nur als windschutz dient.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Sachgerechter Umgang ist aktiver Tierschutz!
PLFBBTFF 
Fragesteller
 18.09.2016, 19:16

Erstmal danke für deine ausführliche Antwort! Meine Stute bekommt zur Zeit zu ihren Mineralien nur getrocknete Luzerne dazu da sie keinen Hafer benötigt und nicht verträgt. Unsere Koppeln sind ebenfalls total Luzerne haltig. Sie steht bald seit 2 Jahren im Offenstall und dort hat sie auch 24h Heu. Jedoch ist sie zur Zeit auch verschleimt also der TA hat jetzt nichts dramatisches in der Lunge gehört aber verschleimt ist sie jedenfalls. Daher bekommt sie auch etwas Sputo mit ins Futter. Letztes Jahr hatten wir auch versucht sie ohne Decke da stehen zu lassen jedoch war das Gesundheitsbedingt nicht möglich. Uns wurde auch empfohlen sie wieder einzudecken, da sie längere Zeit schlimme Probleme mit dem Rücken hatte und die kälte und nässe dem nicht gut tat. Aber sie ist wieder top fit und auch die Rücken Probleme haben sich erledigt. Wir wollten sie wie beschrieben letztes Jahr auch ohne Decke stehen lassen jedoch hatte sie zu der Zeit ganz schlimme Probleme mit den Zähnen (Erklärung : Der Zahnarzt war da und hat die Zähne gemacht iht ist ein Zahn aufgefallen also kam sie nochmal zum röntgen. Da hat sich festgestellt das der Zahn abgetragen werden soll (in der Klinik ) das haben wir auch gemacht. Er musste dann doch komplett gezogen werden. Bis dahin war alles soweit gut doch an einem Tag wurde ihre Backe ganz dick und es eiterte sehr dolle. Der TA kam dann öfters in der Woche zum gucken. Irgendwann war das Thema dann gegessen, jedoch bekam sie dann noch ein Hufgeschwür und aufgrunddessen ging sie als es abgeheilt ist auf dem anderem Bein lahm(Überlastung)Der TA war da und sie bekam Schmerzmittel. Als sie keins mehr bekam ging sie wieder lahm frei.) Aufgrund das es ihr so schlecht ging frierte sie sichtlich und musste die Decke drauf bekommen. Wir wissen leider auch nicht ob sie es gewöhnt ist im OS ohne Decke zu stehen, da sie früher entweder eine Decke drauf hatte oder soweit wir wissen in Boxenhaltung stand. Danke nocheinmal deinem Rat. Wir werden aufjedenfall versuchen sie so lange ohne Decke stehen zu lassen wie es geht. Da es ihr Gesundheitlich zur Zeit top geht bezweifele ich das sie friert. Ist ja immer noch ein Pferd ;) 

Lg

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pony  18.09.2016, 19:28
@PLFBBTFF

es ist mir äusserst merkwürdig, dass sie schon bei leichter arbeit so schwitzt.

lunge und herz sonst gesund? frei von blutparasiten?

ps - eine decke wirkt wie ein wärmetauscher, also wie ein kühlschrank. gerade auf einem schwitzenden pferd. mal zum anschauen ein bissel praktische physik über thermoregulation und wärmetausch.

https://www.youtube.com/watch?v=n2mP4EyK2N4

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PLFBBTFF 
Fragesteller
 19.09.2016, 20:56
@pony

Ja, sonst ist sie top fit. 

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Teilschur geht unter Umständen sehr gut im OS. Dabei schert man nur die Zonen, welche am frühesten verschweißen..... Hals, Flanken, eventuell Streifen am Bauch.

Ganzschur geht auch: dann braucht man aber viele Decken! Übergangsdecke, leichte Decke, und eine für richtig kalte Tage. Nicht zu vergessen, die Ersatzdecke (wenn eine kaputt geht) und entsprechend wasser- und winddicht und schweißabsorbierend!

Da ist man schnell bei 2000 Euro, wenn die Decken dann auch halten sollen.

Ich empfehle die Teilschur: und wenn dann richtig kalte Tage kommen, reicht meist eine gute Übergangsdecke.

Pferde schieben in der Regel unterschiedlich langes, dichtes Fell. Man sagt, je besser die Kondition, desto weniger Fell.

Allerdings: wenn die Tiere jahrelang im Stall und eingedeckt gehalten wurden, kann es passieren, dass sie im ersten Winter nicht genug Fell schieben, - da empfiehlt sich echt nach zu gucken!

Und noch etwas: Fell schieben die wenigsten Pferde wirklich nach Temperaturen; der Körper orientiert sich über die Bindehaut/UV-Strahlung. Daher kann man durch eine Decke im Frühherbst kein Winterfell verhindern.

In vielen amerikanischen Ställen hat die Beleuchtung UV-Anteile,...... was zwar weniger Arbeit macht, aber sicherlich nicht auf Dauer gesund sein kann.

Ponyfliege erklärt das ganz prima.

Meine Erfahrungen seid über 30 JAhren dazu: die "Fellponys" (Isländer, Fjord) werden nur unter dem HAls( Sept+ende Okt+Ende Dez) geschoren und vor der Brust(Wie HAls) bis zum Ansatz der Beine, ggf auch in der Gurtlage(Oktober, ggf Dez);

eingedeckt wird je nach Alter:
30 Jahre; ohne Zähne: ab ca. 8°C Tagestemperatur/bzw bei Nachtfrost mit leicht gefütterter Wetterdecke
ab ca. 25 Jahre und beginnendem ZAhnverlust: ab Dauerfrost oder ab DAuerregen bei unter 6°C  aber die sind alle nur einmal geschoren worden 

wer alle Zähne hat, wird nur am Hals/Bug  geschoren und nicht eingedeckt

UND

wir reiten im Winterhalbjahr eben Wetter angepaßt....
(siehe Ponyflieges erklärungen)

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Reiten-Haltung-Zucht-Ausbildung n.LTJ u.ä.

Zu ponyfliege's Kommentar ist nichts mehr hinzuzufügen! :)