Meine Schwester ist behindert. Wie komme ich damit klar?
Hallo zusammen.
Also, ich komme mir vor wie ein Spätzünder...
Meine Schwester ist 20 und schwer behindert, seit ihrer Geburt. Sie kann nicht laufen, nicht reden, nicht kontrolliert bewegen...
Und Irgendwie habe ich erst vor ein par Wochen richtig gecheckt, was das bedeutet. Bis vor kurzem, ich bin 14, ist es mir einfach nur normal vorgekommen, eigentlich habe ich mich nie gross darum gekümmert. Aber jetzt... Ich bin einfach so traurig. Sie tut mir von ganzem Herzen leid, aber ist das berechtigt? Vielleicht ist sie ja ganz glücklich...
Ich habe herausgefunden, dass meine Eltern ihrem Leiden ein Ende bereiten wollten, nach dem klar wurde, dass sie nie selber lebensfähig sein wird (was sie allerdings doch geschafft hat) Als sie die Geräte und so abstellten, hat sie plötzlich selber geatmet und sie lebte. Das beweist mir eigentlich, dass sie leben will. Aber ich frage mich manchmal, ob es anders nicht besser für sie wäre. Sie ist oft im Krankenhaus und hat mit schlimmen Krankheiten zu kämpfen. Ich könnte es NIE rechtfertigen, ihr den Tod zu wünschen, und doch habe ich das Gefühl, es wäre vielleicht besser...
Jedenfalls weiss ich jetzt nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich habe Angst, dass sie immer leiden muss... Wie denkt ihr darüber?
Liebe Grüsse, Depulid
6 Antworten
Hallo Depulid,
als erstes musst du den Gedanken aus dem Kopf bekommen, dass sie leidet. Sie will leben. Deshalb lebt sie. Das ihr das "Leid", das du siehst wert. Wenn sie nicht mehr möchte, wird sie die Augen schließen.Ich habe mit Kindern und Jugendlichen mit Schwerstmehrfachbehinderung gearbeitet und weiß das. Das ist mal das Erste. Das Zeite ist, genier dich nicht für deine Schwester. Geh mit ihr raus, wenn du es kannst. Also gesundheitlich für deine Schwester. Versteck sie nicht. Versuch dich mit ihr zu beschäftigen. Du wirst sehn, wieviel du zurück bekommst. Versuch mit ihr zum kommunizieren. Du wirst sehn, wie sehr sie sich darüber freut. Du kannst von ihr sehr viel lernen. Werde dir dessen bewusst. Du bist erst 14, gibt dir Zeit. Deine Schwester kann dein Leben enorm bereichern, wenn du es zulässt. Und hab keine Angst, dass sie eines Tages gehn wird. Das wird sie. Sehr wahrscheinlich vor dir. Aber dann hast du einen Teil von ihr in dir. Versuch diese Beziehung herzustellen. Und du wirst auch spüren, dass sie dir dann auch aufhört leid zu tun. Weil du merkst, dass ihr Leben auch schön ist. Viele liebe Grüße von Michaela
Du bist nicht verantwortlich dafür und kannst die Verantwortung auch nicht übernehmen. So einfach ist das. Das musst Du Dir klar machen und es ist einfach schön, dass Du sie so liebst, so akzeptieren kannst und konntest, wie sie ist.
Du hast das in den vergangenen 14 Jahren schon so super gemacht, mach es einfach weiterhin so. Mitleid bringt gar nichts und Mitleiden noch weniger. Weil Du Euch beide dadurch runter ziehst. Schenk ihr Liebe, Freundschaft, Fröhlichkeit und nimm sie einfach an, wie sie ist. Mehr kannst Du nicht tun und das ist ohnehin das Schönste, Liebste und Beste. Sei fröhlich und genieße das Leben, daraus kannst Du genügend Kraft ziehen, dass Du ihr auch was von Deiner Lebensfreude abgeben kannst.
Mach Dir keine Sorgen, weil sie weder Dir noch ihr helfen werden. Und wie du das schon schreibst: Vielleicht ist sie glücklich. Wer von uns darf und kann das beurteilen?
Jedenfalls kann sie glücklich sein, dass sie dich hat und wie du bist: Dass du sie so akzeptiert hast, wie sie ist. Ganz wunderbar hast du das gemacht. Besser geht es nicht.
Nein, das musst Du nicht haben. Du hast es erkannt und kannst das ändern. Das war kein Egoismus, sondern einfach ein Hinnehmen von dem, was ist. Auch so ist es richtig gewesen. Und jetzt solltest du sie einfach weiterhin so akzeptieren und kannst etwas Liebe und Zeit hinzufügen. Schön, dass du das machen willst. Ich freu mich für Euch. Aber bitte kein Mitleid! Nur Freude und Liebe. Auch Freude für Dich, nicht nur für sie. Schon Kleinigkeiten helfen.
Ganz viel Glück und ich finde dich großartig. Auch wenn es Dir erst jetzt bewusst wird. Aber es war gut so, wie es war. Wirklich. Wer weiß, ob du das jetzt sonst so leben und sehen könntest. :-)
Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben. Darüber solltest du dir im Klaren sein. Ich denke nicht, dass sie sehr leidet. Sie hat ihr Schicksal akzeptiert, akzeptiere du es auch.
Natürlich hat jeder Mensch ein Recht auf Leben. Das stelle ich so auch nicht in Frage. Ich möchte, dass sie lebt, ich will sie für immer bei mir haben. Ich frage mich nur, wie es für sie ist...
Wow, das erinnert mich sehr an unsere Geschichte.
Mein Sohn ist als Frühchen auf die Welt gekommen, und hat dann schwerste Hinrblutungen bekommen. Bei ihm sah es genauso aus wie bei deiner Schwester damals. Auch wir haben unserem Kind die Chance gegeben, zu zeigen ob er leben will und kann. Keiner hielt es für möglich, doch er atmete auf einmal!
Nun ist mein "Wurm" 15 Monate alt, lange nicht gesund, aber auch lange nicht so schwer Beeinträchtigt wie es uns prophezeit wurde. Und eins kann ich dir sagen, er ist mehr als glücklich mit seinem Leben, und wir sind es auch!
Du kannst genauso stolz auf deine Schwester sein, sie wird in ihrem Leben schon viel gemeistert haben, was für andere normal ist. Und sie kan stolz sein, eine Schwester wie dich zu haben, die sich soviel Gedanken um sie macht!
Du stehst als Geschwisterkind sicher nicht alleine mit Deinen Fragen da. Ich würde Dir empfehlen, im Internet nach einschlägigen Foren zu suchen, in denen Du mit anderen Geschwistern reden kannst. Suche mal "geschwister behinderter kinder".
Was die Sache mit dem Glück angeht: Was ist Glück? Millionär sein und am Pool liegen? Wenn ja, bist Du denn dann glücklich? Oder kann es sein, dass das auch eine schöne Blume am Wegesrand sein kann? Dann könnte ja auch Deine Schwester glücklich sein, nicht wahr?
Ich denke, dass sollte man eher meinem Egoismus zuschreiben. Ich habe irgendwie gar nicht gemerkt, was los ist, sie war ja auch kaum zu Hause. Als Kind habe ich kaum mit ihr gespielt, weil sie nichts dazu tat. Ich habe ihr früher nie besonders viel Liebe geschenkt. Sie war einfach da. Ich habe ein schlechtes Gewissen deswegen.