Mein Vater stottert beim Deutsch reden, bei Muttersprache jedoch nicht

5 Antworten

vielleicht liegt es daran, dass er nervös wird, wenn er deutsch sprechen muss, weil die sprache für ihn schwer ist? villt sollte er langsamer reden und ruhig villt klappts besser

Öhm er soll das Reden üben. Stottern ist ein Zeichen von Unsicherheit. Laut deutsch Vorlesen hilft da ganz gut.

Viel Erfolg

Andreas Starke  07.02.2013, 14:42

Stottern ist ein Zeichen von Unsicherheit? Woher weißt Du das?

Stottern wird als Zeichen von allem möglichen gedeutet, Unsicherheit, Nervosität, Dummheit, Hektik usw. Tatsächlich ist das keine Aussage darüber, was Stottern ist, sondern darüber, wie Stottern auf einen Gesprächspartner oder Beobachter wirkt.

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Hoelenmensch  07.02.2013, 15:37
@Andreas Starke

Du hast mich misverstanden. Mir ist die Wirkung relativ wurscht, worum es mir geht, ist, dass der Vater von ihm unsicher beim sprechen zu seien schein. Wie dus in deinem Aufsatz auch bemerkt hast.

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Andreas Starke  09.02.2013, 11:38
@Hoelenmensch

Ja, wenn man stottert (ich meine: wenn man Stotterer ist), ist man beim Sprechen meistens unsicher. Das ist ein Autofahrer aber auch, wenn er auf Glatteis fährt. Das Gemeinsame ist, dass man man bei beidem (als Stotterer beim Sprechen und beim Fahren auf Glatteis) Kontrollverluste erlebt.

Dazu kommt, dass in Momenten der Unsicherheit Stottern wahrscheinlicher wird. Daraus kann man aber nicht schließen, dass Stottern (in dem Moment oder allgemein) ein Zeichen von Unsicherheit ist.

Dennoch wird Stottern (z.B. in Theaterstücken oder Filmen) oft benutzt, um zu zeigen, dass der Betreffende unsicher ist. Der Autor oder Regisseur hält das dann für raffiniert, er zeigt aber dadurch nur, dass er von Stottern nichts versteht. Dafür habe ich etliche Beispiele.

Kurz zusammengefasst: Stotterer stottern nicht, weil sie unsicher sind, sondern sind unsicher (und vor allem: wirken unsicher), weil sie stottern. Dennoch ist es richtig, dass in Momenten der Unsicherheit (z.B. bei Überraschungen) Stottern wahrscheinlicher auftritt.

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Hoelenmensch  09.02.2013, 14:37
@Andreas Starke

Ok, ich denke ich versteh was du meinst.

Aber es scheint nicht so, dass er von Haus aus ein Stotterer ist, da ihm das in seiner Muttersprachen nicht passiert. Oder gilt das unabhängig davon?

Aber sollte er einer sein, dürfte dadurch ja eine Wechselwirkung auftreten. Jemand ist unsicher, weil er manchmal stottert--> Die Wahrscheinlichkeit das er stottert ist höher, also stotter er mehr --> er wird noch unsicherer -->...

Man könnte doch durch Übungen entgegensteuern, also außerhalb der Bahn durch Routine, ect. seine Slebstsicherheit steigern, oder?

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Andreas Starke  10.02.2013, 14:50
@Hoelenmensch

Die Frage ist ja, was es heißt, dass man "ein Stotterer ist".

Stotterer stottern ja nicht immer. Stottern variiert, von Situation zu Situation (Gesprächspartner / Sprechakt / Sprache), aber auch im Zeitablauf (gute Phase / schlechte Phase). Von jemandem, der nie stottert, würde man wohl auch nie sagen, dass er "ein Stotterer ist". Dennoch glaube ich, dass es eine Veranlagung zum Stottern gibt (durch Vererbung oder einen erworbenen Defekt), die sich aber nicht in jedem betroffenen Individuum durchsetzt. Vielleicht sind tatsächlich 10 Prozent der Bevölkerung Träger dieser Veranlagung, obwohl nur 1 Prozent der Bevölkerung stottern.

Die Schwere und Häufigkeit des Stotterns ist (wie die meisten Vorgänge in der wirklichen Natur) nicht linear. Wir dummen Menschen denken nur linear und bekommen auch oft nichts anderes beigebracht. Beispiel: Ketchup-Flasche. Der Ketchup-Fluss wird nicht aufrecht erhalten durch jeden weiteren Schlag auf die Flasche, sondern setzt nach einer unbekannten Anzahl von Schlägen ein und dann hat man den halben Flascheninhalt auf dem Teller.

Beim Stottern ist es ebenso. Wenn die Reizwert der Situation unter dem Grenzwert liegt, ist alles stabil, wenn nicht, tritt der Kontrollverlust, das Stotterereignis, ein. Es kann also sein, dass die Anforderung in einer fremden Sprache zu sprechen, das "Fass" gerade zum Überlaufen gebracht hat.

Dein Vorschlag, die Selbstsicherheit durch Übungen zu steigern, trifft den Nagel auf den Kopf für den Fall, dass die mangelnde Selbstsicherheit (die nicht durch das Stottern selbst bewirkt wird) tatsächlich einen Betrag zur ungünstigen Reizsituation darstellt. Das würde in diesem Falle natürlich in eine gute Stottertherapie einbezogen.

Mein Vorschlag wäre, dass der Vater vor allem besser Deutsch lernen sollte. Da beißt sich die Katze aber vielleicht in den Schwanz. Wenn er sich für sein Stottern schämt und deswegen lieber in der Muttersprache mit anderen Muttersprachlern spricht, wird er nicht gut Deutsch lernen.

Er müsste also beim Deutschlernen in Kauf nehmen zu stottern. In einer guten Stottertherapie, wie ich sie betreibe, würde er lernen, (1) seine Scham zu überwinden und (2) gut zu stottern. Das Ergebnis wird (mit großer Wahrscheinlichkeit) sein, dass sich das ganze Problem in Luft auflöst.

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Das, was Du beschreibst, ist gar nicht so selten. Einer meiner Patienten, dessen Muttersprache Polnisch ist, spricht auf Polnisch (fast) normal, stottert aber auf Deutsch sehr heftig. Er macht dazu im Deutschen viele Fehler. Seine Schwester, die ebenso lange in Deutschland ist wie er, stottert nicht und spricht akzentfrei Deutsch.

Was ist passiert?

Der Patient, der in seiner Muttersprache nur leicht stotterte, war in der deutschen Sprachumgebung so unsicher, nicht nur wegen des Stotterns, sondern wegen der fremden Sprache, dass er auf Deutsch stark stotterte und, um nicht zu stottern, mit seiner Familie und mit Arbeitskollegen fast ausschließlich Polnisch sprach. Dabei hat er, kein Wunder, niemals richtig Deutsch gelernt. Ich habe also zwei Probleme mit ihm: Ich muss ihm helfen, besser Deutsch zu sprechen, und helfen, besser zu stottern. Der Weg ist bei ihm lang und beschwerlich.

Meine eigene Erfahrung als Stotterer sagt mir, dass beim Sprechen einer fremden Sprache zwei gegenläufige Effekte auftreten, der eine (fremde Rolle) macht das Stottern leichter, der andere (Perfektionismus) macht es schwerer.

Ich habe als Schüler Englisch und Französisch gelernt und habe damals noch schwer gestottert. Dabei kam mir ein Effekt zugute, den fast jeder Stotterer kennt. Wenn man nur anders genug (anders als spontan) spricht, wird das Stottern entweder leichter oder verschwindet ganz. Ein extremes Beispiel ist das Singen. Fast kein Stotterer stottert, wenn er singt.

Nun wirkt die Imitation einer englischen und französischen Aussprache fast so, wie die Imitation eines fremden deutschen Dialektes. Das Stottern wirkt leichter und verschwindet ganz. Wenn man so zu sprechen versucht, wie der Cowboy, der durch Marlboro Country reitet (wie es in einem alten Werbespot gezeigt wurde), tritt dieser Effekt ein. Ich konnte in Paris als junger Mann nach einer Straße fragen ("Pouvez-vous me dire où est la Rue d'Université, s'il vous plaît?"), während mir das in Deutschland auf Deutsch vollkommen unmöglich gewesen wäre wegen starken Stotterns. Ich brauchte nur so zu tun, als wäre Französisch meine Muttersprache (Dialekte imitieren kann ich ganz gut).

Später habe ich zwei Jahre in den USA gelebt. Da habe ich dann jeden Tag viel Englisch gesprochen, ja sogar auf Englisch geträumt. Mein Englisch wurde immer besser, aber was die Sprechflüssigkeit betrifft, wurde es immer schwieriger, während ich auf Deutsch fast ganz flüssig war. Ich habe auf Englisch mehr gestottert und vor allem gemerkt, dass ich alles, was ich auf Deutsch zur Beherrschung des Stotterns gelernt hatte, nicht anwenden konnte. Ich musste sozusagen noch einmal lernen, was ich beim "Stottern auf Englisch" machen muss, um weniger und weniger stark zu stottern. Ich glaube auch, dass ich auf Englisch mehr gestottert habe, weil der linguistische (sprachliche) Druck größer geworden war. Ich war schon sehr gut, wollte aber alles richtig machen und wurde sowohl in der Wortwahl als auch in der Grammatik manchmal unsicher.

Was kannst Du nun tun, um zu helfen?

Im Grunde ist die Situation Deines Vaters dieselbe wie die meines polnischen Patienten. Ich vermute, dass Dein Vater, der im Deutschen stark stottert, auch nicht gut Deutsch kann. Die erste Maßnahme wäre also, ihm zu helfen Deutsch zu lernen. Vielleicht sollte er einen Kurs mitmachen, vielleicht kannst Du ihn auch korrigieren, am besten ganze Sätze richtig wiederholen und ihn dann nachsagen lassen. Vor allem musst Du ihn ermutigen, im Alltag Deutsch zu sprechen, gleich ob er dabei stottert oder nicht. Wenn er nur mit der Familie seine Sprache spricht oder fast nur mit Landsleuten seine Sprache spricht, wird das natürlich schwierig. Überlegt Euch, wie Ihr das machen wollt. Er muss das natürlich mitmachen (wollen), auch wenn das "Blut, Schweiß und Tränen" kostet.

Der zweite und wahrscheinlich unvermeidbare Schritt ist, einen Therapeuten (das sind meist Logopädinnen, d.h. Frauen, die den Beruf der Logopädin ausüben) aufzusuchen und eine Stottertherapie zu machen. Der Therapeut (1) muss sich besonders für Stottern interessieren und sollte entsprechende Erfahrungen haben, er (2) muss auch bereit sein, sich auf die Fremdsprachenproblematik einzulassen. Das zweite wird meist kein Problem sein, das erste wahrscheinlich doch.

Schreib mir mal eine Nachricht mit Eurem Wohnort. Ich kenne mich in der Therapieszene in Deutschland ziemlich gut aus. Hier findest Du Informationen zu der Gruppentherapie, die ich selbst durchführe.

www.viermalfuenf.de

Ist bei mir genauso , solange es ihn nicht stört oder einschränkt ist doch alles in Ordnung.

hab ich auch bei englisch ein bissle