Lockpicking Set im Hausnotruf Dienst?

7 Antworten

Hey.

Ohne jetzt Jurist zu sein (bin Rettungsassistent), würde ich mal behaupten, das von dir genannte Verfahren wird durch den §34 StGB zumindest strafrechtlich abgedeckt sein.

-die Gefahr: liegt ja durch den Notruf vor

-das Mittel:

um die Türen innerhalb von 30-40 Sekunden aufzumachen, ohne Schäden zu hinterlassen.
Bis das HLF dann am Einsatzort ist, dauert das meistens auch nochmal 10-15 Minuten, die im Ernstfall entscheident sind.

das Lockpicking als zerstörungsfreies und schnelles (damit am meisten patientenorientierte) Verfahren ist ja das mildeste Mittel, wenn der Schlüssel nicht passt.

 wie das versicherungstechnisch aussieht,

Solange du die Tür zerstörungsfrei öffnest, liegt ja kein Interessensfall der Versicherung vor. Meinst du die Versicherung des Klienten oder eure? Was die Versicherung/BG eurer Organisation/Firma dazu sagt, kann ich nicht beurteilen.

Aber: eine solche Idee würde ich definitiv (und dazu rate ich wirklich GANZ dringend) vom Vorgesetzten absegnen lassen, du greifst immerhin mit nicht dienstlicher Ausrüstung und einer nicht dienstlich erlernten Kenntnis in den Einsatz ein.

Mein Boss hat keine Ahnung.

Ja, Glückwunsch, dafür ist er aber "Boss"...

Die Frage ist auch, willst du dienstlich genutzte Materialien privat beschaffen und die Folgekosten tragen? Was passiert, wenn du nicht im Dienst bist und ein andere Kollege den Einsatz fährt? Dann wird wieder auf das herkömmlich Verfahren zurück gegriffen. Das ganze müsste mal ordentlich geplant werden, die Feuerwehr und die Polizei müssten ins Boot geholt werden, die Klienten müssten darüber informiert werden. Ich sehe hier auch gewisse strukturelle Probleme:

 in der Hoffnung das der angegebene Schlüssel (falls einer hinterlegt ist) funktioniert.

Warum passen die Schlüssel nicht und ist das deine Aufgabe (deine Einsatzbereitschaft in allen Ehren) diese Schwachstellen oder Fehler der Klienten auszubügeln?

Nichtsdestotrotz, deine Idee ist super und meiner Meinung nach auch gut praktisch umzusetzen, wenn dein Vorgesetzter sich damit mal eingehend befassen würde.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Ich weiß die rechtliche Situation auch nicht 100%ig, wenn du auf Nummer sicher gehen möchtest, dann solltest du dir einen Beratungstermin bei einem Fachanwalt geben lassen, dass kostet aber natürlich.

Meine Einschätzung lautet: ich würde vor Ort immer ersteinmal den Versuch unternehmen, mit dem Patienten von außen durch die Haustüre Kontakt aufzunehmen (Klingeln, Klopfen und lautes Rufen). Wenn die Kontaktaufnahme gelingt, so weißt du zumindest schoneinmal, dass keine Bewusstlosigkeit vorliegt. Dann würde ich fragen, was seine Beschwerden sind und es davon abhängig machen, Beispiel: Symptomatik eines ACS= Türe sofort auf, da akute Lebensgefahr besteht, Patient gestürzt und Schmerzen im Arm= auf das Eintreffen der Feuerwehr warten. Wenn die Kontaktaufnahme zum Patienten hingegen nicht gelingen sollte, so kann man von einer Bewusstlosigkeit und somit von akutester Lebensgefahr für den Patienten ausgehen, insbesondere bei einem vorherigen Notruf ohne Sprechkontakt. In einem solchen Falle, Türe sofort öffnen. Sobald Lebensgefahr besteht oder Alles darauf hinzudeuten scheint, ist es durch den "rechtfertigenden Notstand" nach §34 Strafgesetzbuch (StGB) gerechtfertigt. Bei nahezu allen anderen Notfällen, würde ich auf das HLF warten, wobei es auch darauf ankommt, was die Notfallsanitäter in deiner Region machen. Es bringt keinen Versorgungsvorteil, wenn die RTW- Besatzung bei einer isolierten Extremitätenfraktur neben dem Patienten kniend erst auf das NEF warten muss um eine Analgesie durchzuführen. Daher kann man, wenn das NEF noch nicht vor Ort, auch auf die Feuerwehr warten. Darf der NotSan hingegen selbstständig eine Analgesie durchführen und hat der Patient starke Schmerzen, so liegt auch dann ein "rechtfertigender Notstand" vor.

Mfg

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Rettungsdienst🚑, sehr großes Interesse an Notfallmedizin.

klär das mit deiner obrigkeit,wenn die es für richtig halten und zustimmen ist es gut und du aus dem schneider bei beschwerden.am besten eine schriftliche bestätigung

krmbt 
Fragesteller
 08.07.2021, 10:23

Also Boss hat keine Ahnung, Polizei hat mich jetzt an die Feuerwehr geleitet und jetzt warte ich auf eine Antwort der Feuerwehr :D Danke für deine Antwort!

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Wenn man bei einem Versuch jemandem Hilfe zu leisten, versehentlich einen Schaden anrichtet (z.B. indem man die Autoscheibe einschlägt) oder sogar den Hilfsbedürftigen verletzt (z.B. Rippenbruch bei der Beatmung zur Widerbelebung), kann man dafür nicht haftbar gemacht werden.

Und es stellt in diesem Fall auch weder Einbruch noch Hausfriedenbruch dar, dafür sind ja auch Zeugen anwesend.

Hi,

in der Hoffnung das der angegebene Schlüssel (falls einer hinterlegt ist) funktioniert.

Wenn kein aktuell passender Schlüssel hinterlegt ist - was meiner Erfahrung nach doch eher selten vorkommt - ist das primär erstmal ein Problem des Klienten und der eigenen Verwaltung, nicht das des Hausnotruf-Fahrers.

Wenn ein Klient keinen Schlüssel hinterlegt (sic?), dann ist das System des Hausnotruf in diesem Falle ohnehin mehr oder minder sinnfrei. Ein Kratzbaum ohne Katze.

Da ich aber aktuell noch nicht weiß, wie das versicherungstechnisch aussieht, habe ich das bisher gelassen und jedes mal ein HLF anrücken lassen

Versicherungstechnisch vermute ich schlicht folgendes: es wird keine Versicherung dafür aufkommen. Muss sie auch nicht.

Primär handelt es sich um eine Geschäftsführung zur Gefahrenabwehr (§ 680 BGB) - heißt: der Geschäftsherr (= Eigentümer der Tür) haftet erst einmal selbst. Bei vorsätzlicher Beschädigung oder grober Fahrlässigkeit haftet jedoch der Geschäftsführer - das bist in dem Falle Du persönlich.

Strafrechtlich dürfte in diesem Falle tatsächlich der rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB) greifen.

Ohne entsprechende Abklärung mit den Vorgesetzten (und die Erlaubnis) würde ich zumindest im Regelfall davon Abstand nehmen - strafrechtlich wird m.E. nicht viel passieren, zivilrechtlich kann es im Zweifelsfall eher Probleme geben.

Es wundert mich allerdings, dass man für eine Türöffnung ein HLF braucht und dann noch eine Viertelstunde drauf wartet. Bei uns hat selbst die Ortsfeuerwehr Hintertupfingen einen Türöffnungssatz auf dem TSF - und da wartet man selbst in der größten Peripherie nicht so lange...

Fazit

Standardvorgehen beibehalten - und wenn es dauert, weil kein Schlüssel da ist oder der Schlüssel nicht passt, kann man im Einzelfall abwägen.

Für grundsätzlich sinnvoll halte ich das Vorgehen jedoch nicht.

LG

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Notfallsanitäter, Blogger, Medizinstudent