Legitimiert die Bibel Völkermord?

9 Antworten

Ich finde da diesen Text aus einem Lexikonartikel interessant:

Der „Bann“ (חֵרֶם ḥeræm) gehört zu den befremdlichsten und erschreckendsten Elementen der Kriegs- und Gewaltschilderungen des Alten Testaments. Er bedeutet die Übereignung aller bzw. alles Gebannten an die Gottheit. Für Lebewesen bedeutet dies die Vernichtung, weshalb man auch von „Vernichtungsweihe“ spricht.

In der Grundbedeutung meint die Wurzel חרם die Aussonderung von jemandem oder etwas aus dem normalen Gebrauch (vgl. den „Harem“). Im „Bann“-Krieg werden Besiegte nicht, wie üblich, unterworfen und versklavt, sondern getötet, und die Sieger machen Beute nicht, wie üblich, für sich, sondern für die Gottheit.

Man könnte, schon aus apologetischen Gründen, geneigt sein, dies alles für reine Fiktion zu halten, wenn es nicht die Mescha-Stele gäbe: Eine moabitische Monumentalinschrift aus der 2. Hälfte des 9. Jh.s v. Chr., in welcher der Moabiterkönig sich rühmt, er habe die (israelitische) Bewohnerschaft der Orte Atarot und Nebo ausnahmslos seinem Gott Kemosch hingeschlachtet (wobei einmal auch die Wortwurzel חרם verwendet wird) sowie Kultgeräte aus den dortigen Heiligtümern „vor Kemosch geschleppt“ (Z. 10-18). Welchen Sinn hat ein solches Vorgehen? Offenbar wird ein Waffengang durch die Ausrufung zum Bannkrieg ganz der Gottheit unterstellt, wird diese durch das Überlassen der Beute zum Engagement gelockt, werden gewiss auch die Krieger durch die religiöse Überhöhung des Kampfes fanatisiert.

Anscheinend hat, wie Moab, so auch Israel damals gelegentlich Bannkriege geführt. Jedenfalls tadeln Propheten israelitische Könige dafür, dass sie das Banngebot, d.h. die Pflicht zur Tötung des Gegners, nicht konsequent eingehalten hätten (1Kön 20,35-43, evtl. auch ein Kern von 1Sam 15).

Wie sollen wir heute mit solchen Widersprüchen umgehen?

Wir könnten hoffen, dass sich die Menschheit in den letzten drei Jahrtausenden weiterentwickelt hat. Wenn ich mir aber die Verbrechen und Massenmorde der Russen in der Ukraine anschaue, habe ich da leider Zweifel..

Sagen wir mal so:

Er (JHWH - Joh.14,6) gab uns das Leben

und darf es wieder nehmen (Hes.18,4; Röm.3,23).

Wir Menschen können kein Leben zeugen

und dürfen es deshalb auch nicht nehmen (2.Mose 20,13).

Er kann Sünden vergeben (Ps.130,4) und wir nicht,

auch wenn sich das Einige so vorstellen (Offb.17,1-4).

Woher ich das weiß:Recherche
KahliMah 
Fragesteller
 25.04.2022, 18:51

Vielleicht ein Missverständnis.

Ich denke: laut Hl. Schrift glaubte das Auserwählte Volk an die Versprechen des HErrn. Unhinterfragt. Absolut. Aber ER ist auch allwissend übr tausende von Jahren hinweg und im voraus. Warum nur schließe ich es aus, dass ER uns Heutigen solches Tun wie in Jericho anraten, seolbst dulden würde?

Wir würden in den meisten Ländern solche Menschen, die sich auf ein Anraten des HErrn in dieser Weise (Jericho) verhielten oder auch nur Planungen vornähmen, vor Gericht stellen. Müssen. Oder?

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Naja - das Einzige was Du machst ist "menschliches Urteil" gegenüber "göttliches Urteil" zu stellen.
Augensichtlich in Kombination mit einem Blick aus der verwöhnten Wohlstandsgesellschaft auf eine Zeit/Epoche, die Du ethisch so gar nicht beurteilen kannst. 🤷‍♂️

Und bevor ich es vergesse: Lies die Schrift im Kontext - Tust Du ganz augenscheinlich auch nicht!

KahliMah 
Fragesteller
 25.04.2022, 17:57

Wie wunderbar, bei gutefrage jemanden zu haben, der hier an andere oberlehrerhaft solche Kompetenz-, Haltungs- und Moralnoten verteilt. Ich frage mich, ob viele Mitglieder von gutefrage wohlwollend zur Kenntnis nehmen, dass es hier eine Auffassung gibt, die die ethische Ablehnung von Völkermord "einem Blick aus der verwöhnten Wohlstandsgesellschaft" geschuldet sieht. Abgesehen von deinem grundständigen Irrtum, die biblischen Geschichten umstandslos als historische Quelle zu lesen, finde ich es sehr interessant, die unreflektierte Empörung einer Position kennenzulernen, die es offenbar verbietet, unsere heute nicht aufgebbaren und nicht relativierbaren Maßstäbe an andere "Zeiten/Epochen" heranzutragen, bloß weil jemand, der seine Kompetenz hier nicht ausgewiesen hat, das mal so behauptet.

Die Konsequenz ist, dass man sich kein Urteil über Ketzer- und Hexenverfolgungen erlauben dürfte, Sklaverei als wirtschaftliches Fundament klassischer Kultur zu akzeptieren hat, weil man die "ethisch so gar nicht beurteilen" könne, von Menschenopfern in noch ferneren Kulturen ganz abgesehen.

Aber mir gibg es um die Bibel als auch ethische Richtschnur.

Wie man mit dem Rechtsempfinden auch umgehen kann, zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 2017: In unserer eigenen deutschen Geschichte ist auf einer anderen (wenn auch nicht ganz ohne Religionsbezug) als der religiösen Ebene die Sichtweise klar und deutlich abgelehnt worden, dass man die Geschichte nicht "antasten" dürfe: Urteile gegen Homosexuelle in Nazideutschland und in der BRD wurden 2017 durch Beschluss des Bundestages aufgehoben und die Opfer entschädigt. Leviticus 20, 13 scheint das anders zu sehen, wie auch den gemeinen Ehebruch (20, 10).

In unserer verwöhnten Wohlstandsgesellschaft fehlt uns wohl die ethische Richtschnur aus einer Epoche, die wir nicht beurteilen können :)

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Der Widerspruch ist unauflösbar: Gott hält sich bei den Massentötungen und Völkermorden in der Bibel nicht an seine eigenen Regeln und fordert ethnische und religiöse Säuberungen, wie zum Beispiel bei den Amalekitern und Kanaanitern, Zitat:

Schone es nicht, sondern töte Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel! 1. Samuel 15

Er greift sogar selbst in die Kampfhandlungen ein und bewirft Feinde zum Beispiel mit einem Steinhagel. An anderen Stellen will er sich einfach rächen, Beispiel: Amalekiter.

Natürlich sind diese hemmungslosen Gewaltakte mit moderner Moral unter keinen Hut zu bringen, ebenso wenig wie die Sintflut oder das Töten der ägyptischen Säuglinge. Das wissen auch Gläubige und natürlich ist das ein Problem. Die schwachen Entschuldigungen, Relativierungen und Täter-Opfer-Umkehren, die von Apologeten in diesem Zusammenhang kommen, bewegen sich meist in folgender Richtung.

So seien:

  • Gewaltakte damals selbstverständlich gewesen,
  • die biblischen Darstellungen nachträglich gefälscht worden,
  • die biblischen Darstellungen nur eine Metapher,
  • die Massentötungen „Ausnahmefälle“,
  • der Völkermord an den Kanaanitern nachvollziehbar, weil er Israel vor den kanaanitischen Religionen zu bewahren sucht,
  • die Ermordeten selbst schuld, weil sie die falschen religiösen Praktiken ausübten, 
  • die Ermordeten selbst schuld, weil sie ausreichend „Gelegenheit zur Umkehr hatten“,
  • die Ermordeten selbst schuld, weil sie hätten flüchten können, 
  • die Ermordeten selbst schuld, weil sie bei Belagerung auch hätten aufgeben können, 
  • nur etwa 3,5 Prozent der kanaanitischen Gesamtbevölkerung ermordet wurden, 
  • die Israeliten „fälschlicherweise“ davon ausgegangen, es habe einen Befehl zur Massentötung gegeben,
  • die ermordeten Kinder und Unschuldige im Grunde besser dran, weil sie beim jüngsten Gericht „nicht für die Sünde ihrer Kultur oder Religion zur Verantwortung gezogen werden können“,
  • es besser für Kinder ist, ermordet zu werden, als in einer „gottlosen“ Gesellschaft aufzuwachsen.

Es ist erschreckend, dass auch heute noch Menschen in dieser Richtung argumentieren, nur weil die Bibel nicht falsch sein "darf". In dieser Auffassung ist Genozid ok, ist Infantizid ok, ist Sklaverei ok und sind Massentötungen gerechtfertigt und wir müssten auch heute noch Amalekiter töten, wenn wir noch welcher habhaft werden könnten.

Ihr könnt euch ja selbst fragen, ob ein "allmächtiges und allwissendes" Wesen keinen besseren Weg gefunden hätte, als Frauen, Kinder und Säuglinge töten zu lassen. Letzten Endes führt dies alles nur weiter in die Theodizee.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
Wenn man z.B. das Buch Josua liest, hilft GOtt der HErr seinem Volk das Gelobte Land mit kriegerischen Mitteln zu erlangen.

Wie du ja schon richtig geschrieben hast, hatte Gott Jehova/Jahwe den Israeliten das Land versprochen.
Gott hielt sich an sein Versprechen und forderte die von Abraham abstammende Nation Israel auf, das Gebiet in Besitz zu nehmen. Jetzt könnte man verständlicherweise einwenden, die Kanaaniter hätten ja schon dort gewohnt und hätten somit ein Recht auf das Land gehabt. Dem ist entgegenzuhalten, dass dem Höchsten des Universums letztendlich das Recht zusteht, darüber zu entscheiden, wer wo leben soll.

Der Allwissende muss aber doch gewusst haben, dass dreieinhaltausend Jahre später die Auslöschung von Städten (Jericho) und Völkern als Genozid gilt.

Wenn man sich Hesekiel 33:11 anschaut sagt Gott selber das er keinen gefallen an dem Tod des Bösen hat. Allerdings sollte aus der Nation Israel der Messias kommen — derjenige, durch den alle, die Glauben ausüben, die Möglichkeit erhalten, gerettet zu werden. Gott konnte somit einfach nicht zulassen, dass Israel von den entsetzlichen Gewohnheiten der Kanaaniter infiziert wurde. Er befahl daher, sie zu entfernen beziehungsweise sie aus dem Land zu vertreiben. Es war somit seine unübertreffliche Liebe, die ihn dazu veranlasste, zum Wohl seiner treuen Anbeter diesen unangenehmen Schritt zu tun.

Man muss aber auch anmerken, dass nicht jeder Krieg der geführt wurde, von Gott gutgeheißen wurde. Jehova nutzte die Israeliten als urteil Vollstrecker. Die Kanaaniter hatten ca. 400 Jahre Zeit sich zu ändern.

Das Gott Barmherzig ist, zeigt sich daran, dass nicht nur Rahab samt Familie verschont blieb sondern auch die Gibeoniter, die sich änderten.

Wie sollen wir heute mit solchen Widersprüchen umgehen?

Weil die Israeliten Jesus als Messias ablehnten, stand es ihnen nicht mehr zu, Gott offiziell zu vertreten und als seine Urteilsvollstrecker zu amtieren. Damit unterschieden sich die Israeliten in Gottes Augen nicht mehr von den anderen Nationen (3. Mose 18:24-28). Seit dieser Zeit kann keine Nation der Erde berechtigterweise behaupten, in Kriegen Gottes Unterstützung zu haben.