Was sind eure Kritikpunkte an Mathebücher?

3 Antworten

Ich denke nicht.

Das Problem sind nicht schlechte Mathebücher. Natürlich ist die Mathematik aber geradezu prädestiniert dafür, dass beim Lesen fremder Erklärungen der innere Geist Alarm schlägt, der weiß, es - natürlich - besser erklären zu können. Das wird so aber nicht funktionieren, weil nur eine andere Gruppe von Schülern die Erklärungen gut verstehen würden.

Es gibt im Wesentlichen drei Probleme:

  1. Stringenz
  2. Textlastigkeit
  3. Formalismus
Stringenz

Mathe-Schulbücher werden so gut wie nie von Schülern selbst stringent durchgearbeitet. In aller Regel ist das Buch ein Begleit- und Aufgabenbuch zum Unterricht und den überwiegenden Beitrag zum Verständnis liefert die Unterrichtsgestaltung. Das beste Schulbuch bringt nichts, wenn der Lehrer beschissen ist.

Im Normalfall divergieren die Aufbereitung der Inhalte im Schulbuch und die im Unterricht zumindest in nicht unwesentlichem Ausmaß, was unweigerlich dazu führt, dass die Stringenz gebrochen wird. Das ist nicht unbedingt schlecht, weil die Umordnung oft notwendig und in dem speziellen Kontext sinnvoll ist, aber ist für den potenziell schlechten Schüler, der sich die schlecht verstanden Inhalte im Schulbuch nochmal klar machen will, eher ungünstig (das ist letztlich auch der Grund, warum die einzelnen Kapitel im Schulbuch soweit möglich unabhängig voneinander gehalten werden).

Textlastigkeit

Aber auch, wenn wir annehmen, dass es ein spezielles Schulbuch gibt, an dessen Struktur sich jeder Lehrer mit seinem Unterricht hält, bleibt ein zweites Problem.

Schulbücher haben nicht den Anspruch, Stoff lückenlos zu vermitteln und verständlich zu machen. Ein wirklich gutes Schulbuch im Sinne von ein Schulbuch, das die Themen tatsächlich so vermittelt, dass man sie nach dem Lesen lückenlos verstanden hat, wäre wahrscheinlich fünfmal so dick wie die Schulbücher die du kennst und ebenso textlastig.

Perfekte Übersichtlichkeit und perfekte Didaktik stehen im Widerspruch zueinander. Ein solches Buch wäre nicht mehr übersichtlich und müsste von jedem Schüler selbstständig konzentriert durchgelesen werden. Und da sind wir wieder am Punkt von oben: So funktioniert Unterricht nicht.

Formalismus

Das Hauptproblem ist tatsächlich, dass Schulmathematik anders verstanden wird (und soll) als wirkliche Mathematik.

Wirkliche Mathematik besteht aus viel Formalismus. Sich da hineinzubeißen und unglaublich hart und dauert viele Monate. Aber es lohnt sich, weil man ein anderes Verständnis von Mathematik erlangt - dieser Unterschied ist schwer zu beschreiben, besteht aber im Kern aus Logik (und damit meine ich nicht perverse, mathematische Logik).

Im Gegensatz dazu besteht Schulmathematik im Wesentlichen aus Rechnen. Berechne Nullstellen, Werte von Parametern, Hochpunkte, Tiefpunkte, Werte, usw. Dafür braucht man nicht viel Logik, sondern muss wissen, wie man etwas macht. Man muss mal gesehen haben, wie man Nullstellen berechnet, wie man Hochpunkte bestimmt, wie man Gleichungen umformt.

Hieraus entsteht das Problem, dass Schüler in der Schullaufbahn gerne metaphorisch „im Verständnis stolpern“, d.h. ein Thema nicht verstehen, weil sie krank sind, keinen Bock haben oder gerade irgendein Gossip wichtiger ist. Das ist alles menschlich, führt aber dazu, dass sie bei mehrmaligem Stolpern nicht mehr hinterher kommen, weil Schumathematik extrem aufbaut (was wiederum daran liegt, dass nur ein schmaler Spalt aus Analysis, Stochastik und Geometrie vermittelt wird, dafür aber ein jeweils gut konstruierter Aufbau).

Dann müsste man sich auf den Hosenboden setzen und sofort penetrant nachlernen, bis man wieder mitkommt - aber das machen Jugendliche nicht. Eher wird die Schuld auf schlechte Lehrer oder schlechte Schulbücher geschoben und sobald wieder ein anderes Thema drankommt, wiegt man sich wieder in Sicherheit - sobald aber wieder mit dem Thema weitergemacht wird, versteht man nichts mehr: Und das ist der Punkt, an dem man keinen Zweifel daran hat, dass man entweder selbst „Mathe einfach nicht kann“ oder der Lehrer es einfach nicht erklären kann. Dass man die Erklärungen nicht versteht, liegt aber nicht an den Erklärungen. Nur ist das kaum einem Schüler selbst bewusst.

Dazu kommt, dass Schulmathematik eigen ist: Im Gegensatz zu formaler Mathematik lässt sich aus dem Schülerblickpunkt oft schwer herausfinden, was man nicht verstanden hat. Denn Schulmathematik ist einfach nicht so formal, als dass man sagen könnte, man kennt die Definition von X nicht und schlägt sie nach.

Wenn es im Schulbuch heißt „Bestimme p“, dann weiß der Schüler, der im Unterricht aufgepasst hast, dass gemeint ist, die Wahrscheinlichkeit der beschriebenen Ereignisse der Teilaufgaben zu bestimmen, ein Schüler, der nicht aufgepasst hat, schaut aber mit dem Ofenrohr ins Gebirge. Man müsste Aufgabenstellungen formaler stellen, sodass diese verstanden werden, unabhängig davon, ob man die Aufgabe lösen kann oder den dahinterliegenden Stoff versteht.

“Bestimme p“ ist ein einfaches Beispiel, aber es gibt leider genug andere, bei denen eine formalere und präzisere Aufgabenstellung zwar besser wäre, aber nicht für den Schüler. Denn der versteht den Formalismus dann nicht mehr, weil er ihn nie gelernt hat. Lehre an der Schule funktioniert ja leider so, dass ein Begriff halb definiert wird und das Verständnis fast nur aus Beispielen entsteht, die der Lehrer vorrechnet. Das ist aber leider ein sehr spezifisches Verständnis und lässt sich schwer auf ähnliche Aufgaben anwenden, wenn sie nicht genau dieselbe Vorgehensweise erfordern.

Natürlich ist Schulmathematik aber bewusst eher informell aufgebaut, weil es nicht um logische Schlüsse geht. Es geht ums Rechnen und Formalismus würde den Stoff ziemlich aufblähen. Nur leider kann man sich, wenn die Aufgabe nicht vom Sinn dieselbe ist, spezifische Lösungsstrategien eher nicht abschauen, sondern bräuchte allgemeinere Strategien: Man bräuchte Formalismus.

Das Credo: Für ein gutes Verständnis bräuchte man viel Formalismus, aber viel Formalismus ist für das bloße Rechnen überflüssig. Deshalb gibt es in der Schulmathematik kaum einen.

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Lass mich ein Fazit ziehen: Dass wesentliche Dinge nicht verstanden werden, liegt nicht an schlechten Mathebüchern. Sicher gibt es solche, aber die, die tatsächlich ausgewählt sind, sind meistens didaktisch einwandfrei. Nur ist ein Mathebuch nicht allein dafür gedacht, dem Schüler Inhalte zu vermitteln, sondern sollte eher als Stütze neben dem Unterricht agieren.

Im besten Fall ist der Unterricht auf das Schulbuch abgestimmt oder das Schulbuch auf den Unterricht. Nur hat jeder Lehrer seinen eigenen traditionellen Unterricht, aber ein festes, vorgegebenes Schulbuch. Das provoziert Divergenz und verschiedene Erklärungsansätze.

Noch ein Schulbuch mit vermeintlich noch besseren Erklärungen würde also das Problem nicht lösen. Ziemlich sicher würde es den Unterricht deines Lehrers besser machen, weil der Stoff erstmals geordnet perfekt zum Unterricht passt, aber an der Gesamtsituation wäre es ein Tropfen auf den heißem Stein.

Optimal wären

  • ein genau auf den Unterricht und Lehrer abgestimmtes Schulbuch,
  • konzentrierte Schüler, die dem Stoff permanent folgen und mit dem Buch nacharbeiten und
  • von Anfang an penetranter Formalismus.

Aber das ist natürlich ein Hirngespinst.

Wenn das Buch nichts verständlich erklärt und keine guten Beispiele hat oder direkt viel zu schwer mit einem Thema anfängt.

Ein gutes Buch sollte einfach Anfangen und dann Stück für Stück schwerer werden, so das man konstant besser wird.

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Zum Beispiel Lösen von Gleichungen:

x = 5

3 + x = 5

4 * x = y

usw...

Willibergi  26.12.2020, 20:26

Das ist in so gut wie allen Mathebüchern der Fall.

3

Hey,

ich komme auch aus Hessen und wir haben das Lambacher Schweizer Mathematik für Gymnasien G9. Das Buch hat meiner Meinung nach sehr schlechte Erklärungen was manche Themen betrifft, aber auch nicht sehr viele Lösungen (Aufgaben mit Lösungen) . Ich würde mir mehr Aufgaben mit Lösungen, die eben hinten im Buch stehen wünschen. Oder detailliertere Rechenwege zu manchen Aufgaben.