Kennt jemand die Quelle dieses Zitats (Platon)?

3 Antworten

Der Satz wird zwar als Platon-Zitat genannt, aber ohne eine Stellenangabe. Zum Teil wird wohl daher geschrieben, der Satz werde Platon zugeschrieben bzw. Platon solle diese Aussage geäußert haben. Es handelt sich um kein verifiziertes Zitat.

Meines Erachtens stimmt die Aussage nicht, der Satz stehe in einem Werk Platons.

Ich kann mich nicht erinnern, dies gelesen zu haben und finde ihn auch nicht in Abschnitten mit Äußerungen zur Demokratie (wie Platon, Politeia 555 a - 563 b; Platon, Politikos 291 c – d, 291 e – 292 a, 301 c – d, 302 c – d, 303 a – b; Platon, Nomoi 699 e – 701 c).

Stellenangaben zum Wort δημοκρατία („Demokratie“) in Platon-Lexika führen nicht zu Textstellen, in denen das angebliche Platon-Zitat vorkommt:

Leonard Brandwood, A word index to Plato. Leeds : Maney, 1976 (Compendia : computer-generated aids to literary and linguistic research; Volume 8), S. 218

Lexicon Platonicum sive vocum Platonicarum index. Condidit Fridericus Astius [= Friedrich Ast]. Volumen 1. 2. Auflage. Berlin : Barsdorf, 1908, S. 455

Ich vermute, der Satz ist aus einer Kenntnis ablehnender Äußerungen Platons zur Demokratie (zum Teil sehr scharf) und einer Verbindung von Aussagen über eine Lebensgefahr bei Bemühung um Wahrheit und Gerechtigkeit entstanden. Eine Meinung dazu, wie Platon gedacht hat, ist dann aufgrund mangelnder Sorgfalt und Überprüfung als wörtliche Platon-Aussage genommen worden.

Platon, Apologie des Sokrates 31 d – 32 a urteilt Sokrates (der platonische Sokrates), wer politisch in der Öffentlichkeit für Gerechtigkeit streite und sich der Volksmenge widersetze, würde in kurzer Zeit umkommen.

Platon, Politeia 516 e – 517 a heißt es von dem Befreiten, der den Aufstieg aus der Höhle unternommen hat, wenn er in die Höhle zurückkehre und ohne lange Umgewöhnungszeit die Gefesselten zu befreien versuche, würden diese ihn wohl töten.

Platon, Politeia 496 c – e ist die Aussage, wer sich in einem schlechten Staat als Einzelner für Gerechtigeit einsetzte, werde zugrundegehen. Platon, Politeia 557 a wird die Meinung vertreten, Demokratie entstehe, wenn die siegreichen Armen einen Teil ihrer Gegner töten.

Platon, Politeia 564 b – 566 a wird von einer Demokratie und ihrem Umschlagen in Tyrannis Beraubung, Gewalttätigkeit und Tötung angenommen.

Platon, Kriton 48 a äußert Sokrates (der platonische Sokrates) im Gefängnis zu Kriton, sie sollten nicht sehr an die Meinung der Menge/der Masse/der Vielen denken, sondern an den, der über das Gerechte und das Ungerechte verständig ist, und an die Wahrheit selbst. Es könne aber einer sagen: die Menge/die Masse (οἱ πολλοὶ; »die Vielen«) ist imstande, uns zu töten.

Platon. Werke in acht Bänden : Griechisch und Deutsch. Herausgegeben von Gunther Eigler. Band 2: Apologia Sokratous (Des Sokrates Apologie), Kriton, Euthydemos, Menexenos, Gorgias, Menon. Bearbeitet von Heinz Hofmann. Griechischer Text von Alfred Croiset, Louis Bodin, Maurice Croiset und Louis Méridier. Deutsche Übersetzung von Friedrich Schleiermacher. 5., unveränderte Auflage. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2005, S. 41/43 (Platon, Apologie des Sokrates 31 d – 32 a):  

„Denn wißt nur, ihr Athener, wenn ich schon vor langer Zeit unternommen hätte Staatsgeschäfte zu betreiben, so wäre ich auch schon längst umgekommen, und hätte weder euch etwas genutzt noch auch mir selbst. Werdet mir nur nicht böse, wenn ich die Wahrheit rede. Denn kein Mensch kann sich erhalten, der sich sei es nun euch oder einer andern Volksmenge tapfer widersetzt, und viel Ungerechtes und Gesetzwidriges im Staate zu verhindern sucht, sondern notwendig muß, wer in der Tat für die Gerechtigkeit streiten will, auch wenn er sich nur kurze Zeit erhalten soll, ein zurückgezogenes Leben führen, nicht ein öffentliches.“

Platon, Der Staat : griechisch-deutsch = Politeia. Übersetzt von Rüdiger Rufener. Einführung, Erläuterungen, Inhaltsübersicht und Literaturhinweise von Thomas Alexander Szlezák. Düsseldorf ; Zürich : Artemis & Winkler, 1999 (Sammlung Tusculum), S. 517/519 (Platon, Politeia 496 c- e):  

„Wer nun zu dieser kleinen Schar gehört und einmal gekostet hat, wie süß und selig dieser Besitz ist, und auf der anderen Seite den Wahnwitz der Menge zur Genüge kennengelernt hat: daß nämlich sozusagen kein Mensch in der Politik etwas Gesundes vollbringt und daß kein Kampfgenosse da ist, mit dem er ausziehen könnte, um der Gerechtigkeit Hilfe zu bringen, ohne daß er nicht selbst dabei umkommt, sondern daß es ihm geht, wie einem Menschen unter wilden Tieren: einerseits will er das Unrecht nicht mitmachen, andererseits hat er auch nicht die Kraft, sich als einziger gegen all die wilden Bestien zu wehren, und so geht er eben zugrunde, noch ehe er der Stadt oder seinen Freunden etwas helfen konnte, und wäre also sich selbst und den anderen zu keinem Nutzen. Wer sich über das alles Rechenschaft gibt, der hält sich ruhig und tut nur noch das Seine, wie wenn sich einer im Sturme vor der Staubwolke und dem windgepeitschten Regenguß unter eine Mauer stellt. Sieht er dann die anderen voll Ungesetzlichkeit, so schätzt er sich glücklich, wenn er nur selbst rein von Ungerechtigkeit und von gottlosen Werken sein Leben hier verbringen und dann voll guter Zuversicht ruhig und heiter aus ihm ihm abscheiden darf.“

S. 573/575 (Platon, Politeia 516 e – 517 a): „Wenn er dann aber wieder versuchen müßte, im Wettstreit mit denen, die immer dort gefesselt waren, jene Schatten zu beurteilen, während seine Augen noch geblendet sind und sich noch nicht wieder umgestellt haben (und diese Zeit der Umgewöhnung dürfte ziemlich lange dauern), so würde man ihn gewiß auslachen und von ihm sagen, er komme von seinem Aufstieg mit verdorbenen Augen zurück und es lohne sich nicht, auch nur versuchsweise dort hinaufzugehen. Wer aber Hand anlegte, um sie zu befreien und hinaufzuführen, den würden sie wohl umbringen, wenn sie nur seiner habhaft werden und ihn töten könnten.

«Ja, gewiß», sagte er.“

S. 689/691 (Platon, Politeia 557 a): „Nach meiner Ansicht entsteht also eine Demokratie, wenn die Armen die Oberhand gewinnen und dann ihre Gegner entweder umbringen oder verbannen und den Übrigbleibenden an der Verwaltung der Stadt und den Ämtern im gleichen Maße Anteil geben, wobei denn in der Regel die Ämter in der Demokratie durch das Los besetzt werden. »Ja, das ist die Art, wie die Demokratie eingeführt wird«, sagte er, »mag das nun durch Waffengewalt geschehen, oder indem ihre Gegner aus Furcht das Feld räumen.«“

Also ich habe eben sowohl "der Staat" (Politeia), als auch die "Apologie des Sokrates", weil mir das nach der Aussagekraft passend erschien, nach den von dir genannten Stichworten durchsucht, aber nichts gefunden. :(

LG
MCX

MUCMadl 
Fragesteller
 13.06.2017, 23:16

Ja, an Sokrates habe ich auch Gedacht. Ich suche Zitate, in denen sich Platon negativ über die Masse äußert und da hätte das gut gepasst. Aber es klingt irgendwie nicht so nach Platon...

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Miraculix84  14.06.2017, 20:35
@MUCMadl

Am Rande: "Die Apologie des Sokrates" IST ein Werk von Platon. Sokrates selbst hat meines Wissens nichts Schriftliches hinterlassen. ;)

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Na ja, die Eingabe dieses Satzes in eine Suchmaschine (metager.de) führt zu diversen Links, die alle Platon als Urheber angeben. 

Sollte nicht einer vom anderen abgeschrieben haben, müsste es also stimmen und geht tatsächlich auf Platon zurück, der sich Gedanken über den Entwurf eines idealen Staates machte, nämlich "ein Gemeinwesen, das von einer kleinen Elite – den „Philosophen-Königen“ – gelenkt wird." (Quelle: focus money, Eurokrise, Antiker Demokratiekritiker Platon, 11/2011) 

http://www.focus.de/finanzen/news/staatsverschuldung/tid-24260/eurokrise-antiker-demokratiekritiker-platon_aid_686891.html

http://welt-der-zitate.de/platon-demokratie-wahrheit/

Stammt vielleicht aus seinem Werk Politeia (Der Staat), entstanden um 375 v. Chr.