Kann man das Über-Ich abschalten?
Heyo!
Also, es geht mir hier nicht darum, dass ich düstere Warlord-Stimme ALLES MITGEFÜHL, ALLE GNADE, ALLES GUTE AUS MEINER SEELE TILGEN WILL!
Aber ich habe folgendes Problem: Ich möchte meine Erziehung gewissermaßen umgehen, damit ich aufhören kann, ein schlechtes Gewissen zu haben, wo keines angebracht ist.
Ich meine, es ist doch so: Gnade, Mitgefühl, Selbstlosigkeit, all das sind zwar oft emotional motivierte Vorgänge, aber sie haben einen spezifischen Zweck. Wenn jemand etwas "Gutes" tut, dann nie, ohne dass er sich davon etwas verspricht, und sei es nur ein gutes Gewissen. Zumindest unterbewusst ist alles was wir tun kalte Kalkulation, Überlebensinstinkt und letztlich Eigennutz.
Das bedeutet meiner Meinung nicht, dass dieses Handeln nicht gut sein kann.
Ich meine, wenn wir jemanden trösten, der traurig ist und sie lächeln und das macht uns glücklich, wo ist die Untat? Man hat jemandem geholfen, der fühlt sich gut, weil er unterbewusst spürt, dass man diesen Jemand als einen Teil des Rudels anerkannt hat, der es Wert ist, aufgemuntert zu werden und wir fühlen uns gut, weil wir sozial waren und alles...
Nur wurde mirals Kind immerzu eingetrichtert, man müsse Selbstlos handeln, nicht egoistisch motiviert. Und ich kann mein Wissen darum, dass letztlich alles einen Eigennutz hat, nicht aus meinem Kopf verbannen.
Ich weiß das klingt lächerlich, aber es bereitet mir echt Probleme.
Kann ich diese idealisierte Vorstellung vom Guten, die in meinem Kopf festgefressen ist, so wie ein ekelhafter Parasit, dieses unerreichbare Ziel des wahren Altruismus, irgendwie aus meinem Bewusstsein tilgen?
Und wenn nicht, was soll ich tun? Ich kann doch nicht immer, wenn ich etwas Gutes tue hinterher Stunden, oder Tage, mit meinem schlechten Gewissen ringen, weil ich das Gefühl habe, es aus den falschen Gründen getan zu haben!
Wenn der Wille, Gutes zu tun, nichts als diesen Schmerz bringt, dann helft mir bitte, den guten Willen aus meinem Leben zu bannen!
2 Antworten
Ich finde deine Gedanken sehr interessant und kann sie gut nachvollziehen. Allerdings machen sie mir nicht den gleichen Kummer wie dir.
Ich gehe schon seit Jahren den spirituellen Weg und da wird für mich immer klarer, dass ich kein einsames isoliertes Wesen bin, sondern ein Aspekt des Lebens, das unvergänglich und ewig alles durchdringt.
In der spirituellen Sichtweise HAT der Mensch ein Ego, den vergänglichen biologischen Teil des Körpers mit seinem egoistischem Denken, Wünschen und Wollen und er IST das hohe Selbst, das ein Teil des Kosmischen Lebens ist. Manche nennen diesen spirituellen oder Geistigen Teil auch Seele.
Der Normalmensch meint, er sei ein Körper und hat eine Seele. Ein spiritueller Mensch weiß, dass er eine Seele ist und einen Körper hat.
Wenn du den Gedanken weiter verfolgst, dass wir alle ein Aspekt des einen universellen Lebens sind, so dient doch jede Tat immer dem ganzen Leben, also deinem Nächsten und auch dir.
Im östlichen Kulturkries gibt es das Mantra Tat swam asi. Es heißt sinngemäß, dass du alles, was dir begegnet selbst bist.
https://vedanta-yoga.de/tat-twam-asi-die-mahavakyas-das-bist-du/
"Egoistische" Handlungen dienen zwar vordergründig dem Ego, doch im ganzen Kontext gesehen dienen sie auch dem Leben, denn nur über das Ego, das gepflegt und betuttelt werden will, können wir uns als Seelen in der Welt der Form zum Ausdruck bringen. Ohne Ego kannst du gar keine "guten" Taten vollbringen.
Gnade, Mitgefühl, Selbstlosigkeit haben einen spezifischen Zweck. Wenn jemand etwas "Gutes" tut, dann nie, ohne dass er sich davon etwas verspricht, und sei es nur ein gutes Gewissen. Zumindest unterbewusst ist alles was wir tun kalte Kalkulation, Überlebensinstinkt und letztlich Eigennutz.
Für mich ist diese Kalkulation nicht kalt, sondern es macht mir Freude, anderen zu helfen. Und ich genieße das Gute Gewissen, denn ich habe mit dem, was ich für andere getan habe, auch etwas für das Ganze und damit für mich getan.
Vielleicht solltest du das Thema Selbstliebe mal genauer anschauen, denn in dem Maß, wie du dich selbst liebst, liebst du das Leben und das Leben wird diese Liebe immer erwiedern.
Du bist es Wert, auch was Gutes für Dich zu tun!
Alles Gute...
Das klingt ja fast Emmerson...isch... Auf jeden Fall ein interessanter Ansatz.
Dem 'Über-Ich' stehen im Modell der Psychoanalyse doch das "Es" und das "Ich" gegenüber.
Was anstrebenswert erscheint, ist, dass das "Ich", also der 'erwachsene' Anteil deiner Psyche, eine ausreichende Stärke entwickelt, um sich in reifer Weise gegen die Ansprüche der beiden anderen Instanzen behaupten zu können.
Das "Über-Ich" wird in salopperer Ausdrucksweise auch als "der (oder: die) innere(n) Richter" bezeichnet. Um mit diesen besser zurecht zu kommen - was ja dein Problem zu sein scheint - kann ich dir eine Lektüre empfehlen: